Hamburg. Nicht nur für die ersten Klassen ist der Andrang groß. Experte sagt: „Wunsch nach Exklusivität spielt eine Rolle“.

Hamburgs Waldorfschulen sind bei Eltern immer beliebter. Alle sieben Schulen haben eine größere Nachfrage als freie Plätze. Besuchten vor sechs Jahren noch 3314 Schüler die Waldorfschulen, sind es im laufenden Schuljahr 3525 Schüler. Nicht nur für die ersten Klassen ist der Andrang groß. Auch für die fünften Klassen gibt es Wartelisten, weil sich viele Eltern nach der vierten Klasse an staatlichen Schulen einen Wechsel wünschen.

Stefanie Weiland hat ihre Tochter Maya von der staatlichen Grundschule in die dritte Klasse der Rudolf-Steiner-Schule Bergedorf wechseln lassen, und die elfjährige Anna ist nach der vierten Klasse nicht aufs Gymnasium gegangen, sondern sie besucht auch die Waldorfschule. Einzig der große Bruder der beiden geht in die 11. Klasse eines Gymnasiums. Stefanie Weiland hadert mit dem verkürzten Abitur, möchte ihren Töchtern den Stress ersparen. „Ich bin eigentlich ein Freund des Gymnasiums“, sagt Stefanie Weiland, „aber ich bin kein Freund von G8.“ Die Kinder sollen noch Freizeit haben, auf dem Gymnasium werden sie ihr zu sehr auf Leistung getrimmt. Ihr Sohn (17) komme damit klar, für ihre beiden Töchter wollte sie den Stress nicht.

Frau Weiland ist eine von vielen, die ihre Kinder nach den Lehren der Waldorfpädagogik unterrichten lassen: Bei den Hamburger Waldorfschulen laufen täglich ein bis fünf Anfragen für Quereinsteiger telefonisch ein, und sechs Elternpaare pro Monat kommen persönlich vorbei, um die Dringlichkeit ihres Anliegens darzulegen.

An manchen Schulen gibt es pro Platz zwei Bewerber

Auch Sarah (Namen geändert) aus Eimsbüttel möchte ihre Tochter Hanna aus der zweiten Klasse der staatlichen Grundschule nehmen und auf eine Waldorfschule wechseln, auch wenn das lange Anfahrtswege bedeutet: Hanna kommt mit dem Druck in Mathe nicht klar.

„Die Waldorfschulen erhalten weit mehr Anmeldungen, als sie aufnehmen können“, sagt Celia Schönstedt vom Bund der Freien Waldorfschulen in Hamburg. Manche führen lange Wartelisten, andere machen das gar nicht erst, weil die Liste zu lang wäre.

Woher kommt dieser Andrang? Ein Großstadtphänomen sei es jedenfalls nicht, sagt Bildungswissenschaftler Klaus Hurrelmann. „Sorgsame Eltern wollen Schulen für ihr Kind, die sie in ihrer ganzen Individualität und Einmaligkeit annehmen und eine auf ihre persönlichen Fähigkeiten und Begabungen ausgerichtete Pädagogik anbieten.“ Außerdem möchten sie Einfluss auf die Schule nehmen können und sicher sein, dass dort möglichst viele Kinder aus ihrer eigenen sozialen Welt sind. Hurrelmann: „Der Wunsch nach Exklusivität spielt da durchaus mit hinein. Das kommt allen privaten Schulen in Deutschland zugute, und in Hamburg sind nach meinem Eindruck die Waldorfschulen so gut aufgestellt, dass sie besonders profitieren.“

Für die erste Klasse sind die Wartelisten bei der Christian Morgenstern Schule an der Heinrichstraße in der Sternschanze und an der Rudolf-Steiner-Schule Altona an der Bernadotte­straße am längsten. Die Christian Morgenstern Schule hat für die erste Klasse so viele Anmeldungen, dass sie noch zwei weitere Klassen füllen könnte. Auf 36 freie Plätze kommen 70 bis 76 Anmeldungen. „Farmsen könnte auch zwei weitere Klassen aufnehmen, sie sind aber zweizügig“, sagt Frau Schönstedt. Altona hat seit sechs Jahren für die erste Klasse doppelt so viele Anmeldungen wie sie aufnehmen können. Im vergangenen Jahr waren es sogar dreimal so viele. Bei der Waldorfschule in Bergstedt gibt es für die ersten Klassen doppelt so viele Anmeldungen wie Plätze. Für die 5. Klasse gibt es teilweise eine Warteliste mit 15-20 Kindern, aber nur ein bis zwei freie Plätze nach der 4. Klasse. Und die Nachfrage nach Inklusionsplätzen steigt ebenfalls. Insgesamt gehen rund zehn Prozent von Hamburgs Schülern, das sind 19.643 Jungen und Mädchen, auf Privatschulen. Die Zahl der Schüler, die von staatlichen an nicht-staatliche Schulen wechseln, ist mit rund 700 Schülern jährlich relativ konstant. Wechselten im Schuljahr 2008/09 729 Schüler, waren es im laufenden Jahr 703.

Stefanie Weiland und ihre Töchter haben den Wechsel keinen Moment bereut. Es seien vor allem die sozialen Kompetenzen, die dort besser entwickelt würden, einen höheren Stellenwert hätten. „Darüber hinaus sind die Lehrer dort weit über das Übliche engagiert“, sagt Weiland, die als Schulsekretärin (an einer staatlichen Schule) arbeitet. In der Waldorfschule lernen die Kinder anders. „Sie begreifen das, was sie lernen.“