Hafencity. Hamburger schlagen zeitlich befristete Nutzung von Grünflächen vor. Ideen der „FindingPlaces“-Teilnehmer werden von Behörde geprüft.

Die Hamburger sind bereit, verstärkt städtische Grünflächen für die zeitlich befristete Unterbringung von Flüchtlingen zu nutzen. Zudem setzen sie in erster Linie auf kleinere Unterkünfte mit bis 300 Plätzen. Das sind zentrale Ergebnisse der ersten 17 Workshops zur Flächensuche für Flüchtlingsunterkünfte „FindingPlaces“ an der Hafencity-Universität (HCU).

„Wir haben in den vergangenen drei Wochen einen gelungenen Beteiligungsprozess erlebt“, sagte Projektleiterin Prof. Dr. Gesa Ziemer gestern bei der Halbzeitbilanz. Sie sei überrascht, wie konstruktiv die Atmosphäre bei den Workshops sei. „Wir mussten niemanden rausschmeißen.“ Ziel sei es, sachlich über die Suche nach Flächen für Flüchtlingsheime zu sprechen und „Verständnis für die Komplexität der Situation zu schaffen“.

Bei dem Projekt FindingPlaces können sich Hamburger in Workshops und anhand eines Computermodells der Stadt an der Flächensuche für neue Flüchtlingsunterkünfte einbringen und Vorschläge unterbreiten. An den ersten 17 Workshops hätten sich rund 200 Hamburger beteiligt, sagte Ziemer.

87 Flächen vorgeschlagen

Dem Zentralen Flüchtlingskoordinator Hamburgs seien 87 Flächen vorgeschlagen worden, sagte Ziemer. Zwölf davon seien nach dessen Einschätzung für Unterkünfte geeignet. 24 Flächen seien hingegen verworfen worden, 51 würden derzeit noch geprüft.

Prof. Dr. Gesa Ziemer
Prof. Dr. Gesa Ziemer © HA / Mark Sandten | Mark Sandten

Der Gedanke, Flüchtlinge in kleineren Einrichtungen unterzubringen, spiele in den Workshops eine große Rolle: „150 ist eine gute Zahl“, sagte Ziemer. 300 bis 400 Plätze pro Einrichtung sei die Schmerzgrenze. Die Volksinitiative gegen große Flüchtlingssiedlungen wirbt vehement für kleinere Einheiten.

Die meisten von den Bürgern vorgeschlagenen Flächen seien Parks oder Grünanlagen, sagte die Wissenschaftlerin. Dabei seien die Workshopteilnehmer in einigen Fällen sogar bereit, Bäume zu fällen. Allerdings seien auch nicht genutzte Sportplätze und Kinderspielplätze vorgeschlagen worden.

19 Erstaufnahmen sollen geschlossen werden

Hamburgs Flüchtlingskoordinator Anselm Sprandel zeigte sich überrascht, dass bei der Suche nach Platz für Flüchtlingsdörfer so oft über Grünanlagen geredet werde. „Grünflächen sind eigentlich immer sakrosankt. Die Bürger aber sind offenbar bereit, darüber zu reden“, sagte Sprandel.

Dem Spitzenbeamten war wichtig, dass die Vorschläge der Bürger in den zuständigen Behörden intensiv geprüft würden. Das erfolge transparent und sei für die Öffentlichkeit nachzuvollziehen, da die Prüfergebnisse im Internet veröffentlicht würden.

Zuvor hatte Sprandel die neue Planung der Hansestadt bei der Unterbringung von Flüchtlingen der Öffentlichkeit vorgestellt. Angesichts der deutlich gesunkenen Flüchtlingszahlen wurde die Prognose für dieses Jahr deutlich nach unten korrigiert. Allerdings will Hamburg für künftige Entwicklungen gewappnet sein. „Wir können heute nicht seriös sagen, wie viele Menschen zu uns kommen werden“, sagte Sprandel. Man wolle in der Lage sein, einem erneuten Ansturm von Flüchtlingen Herr zu werden. In den kommenden Monaten sollen allein 19 Erstaufnahmeeinrichtungen geschlossen werden.

Hamburg hat Platz für 37.000 Flüchtlinge

Bis Ende kommenden Jahres werde die Zahl der Unterkunftsplätze in Erstaufnahmeeinrichtungen von derzeit 21.000 auf rund 9100 reduziert, sagte der Flüchtlingskoordinator. Einige Einrichtungen werde man leer ziehen, aber als Reserve vorhalten. Wie viele Plätze das sein werden, konnte Sprandel allerdings nicht sagen.

Zuvor war bekannt geworden, dass Hamburg derzeit über insgesamt rund 37.000 Unterkunftsplätze für Flüchtlinge verfügt – rund 22.500 Plätze in Folgeunterkünften und 14.500 in Erstaufnahmeeinrichtungen. In diesem Jahr rechne man mit 14.400 neuen Flüchtlingen, im kommenden Jahr mit weiteren 15.400. Bislang war man davon ausgegangen, dass allein bis Ende dieses Jahres rund 40.000 Flüchtlinge in der Hansestadt untergebracht werden müssten.

Das Hauptaugenmerk der Hamburger Behörden werde aufgrund der sinkenden Flüchtlingszahlen in den kommenden Monaten auf den Ausbau von Folgeunterkünften gerichtet sein. Flüchtlinge, die Aussicht auf Asyl haben, werden in diesen Unterkünften untergebracht. Sprandel geht davon aus, dass bis Ende 2017 insgesamt rund 29.400 Unterbringungsplätze neu geschaffen werden müssen. Zum Teil liegt das daran, das bei bereits bestehenden Einrichtungen der Miet- oder Pachtvertrag auslaufe.

1000 Flüchtlinge pro Monat

In den ersten fünf Monaten dieses Jahres musste Hamburg im Durchschnitt etwa 1000 Flüchtlinge pro Monat unterbringen. Im vergangenen Jahr waren es in einigen Monaten bis zu 10.000 gewesen. Die alte Prognose stützte sich vor allem auf die hohen Zahlen des zweiten Halbjahres 2015.

Die CDU-Flüchtlingsexpertin Karin Prien bezeichnete es als überfällig, „dass der Senat seine völlig überhöhten Flüchtlingsprognosen endlich der Realität anpasst“. Bereits seit Monaten habe die CDU diesen Schritt gefordert, den die meisten anderen Bundesländer bereits seit Langem vollzogen hätten. „Einzig und allein um eine Rechtfertigung für den Bau seiner integrationsfeindlichen Massenunterkünfte zu haben, hat Rot-Grün viel zu lange an seinen erkennbar überholten Zahlen festgehalten und damit die Spaltung der Stadt in Kauf genommen.“

Auch die flüchtlingspolitische Sprecherin der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Jennyfer Dutschke, forderte den Senat auf, „den integrationsfeindlichen Expressbauten eine Absage zu erteilen“. Die nun gesunkene Prognose biete für Rot-Grün eine gesichtswahrende Lösung. „Die Öffnung des Wohnungsbauprogramms und die Schaffung kleiner Folgeunterkünfte sind sozialverträglich und stoßen auf mehr Akzeptanz.“