Hamburg. Insekten können sich derzeit auch Menschen in Schwärmen nähern. Im Bienenparadies Hamburg kommt es jetzt zu einer Premiere.
Diese Szene klingt fast nach dem Drehbuch eines Hollywood-Schockers. Eigentlich wollte Daniela nur schnell zu einem Termin radeln, als sie sich an einer Ottensener Straßenkreuzung urplötzlich Dutzender Bienen erwehren musste. "Die Tiere saßen überall: auf dem Rad, meinem Blazer, auf meinen Händen, in den Haaren", schildert die 44-Jährige ihre unliebsame Begegnung mit dem Schwarm. Sofort schoss ihr eine aktuelle Polizeimeldung aus Berlin durch den Kopf, nach der wegen eines Bienenschwarmes, der sich auf einem Fahrrad abgesetzt hatte, die Umgebung weiträumig abgesperrt werden musste.
In ihrem Fall konnte Daniela die Bienen einigermaßen leicht abschütteln. Dennoch saß der Schreck so tief, dass die Hamburgerin weitere Nachforschungen anstellte und so zu dem Schluss kam, es habe sich bei den Insekten um die Graue Sandbiene gehandelt. Diese sei zum Glück harmlos, da sie nicht steche. Imkermeister Gnani Tambiah hat allerdings eine andere Vermutung. "Das waren wohl eher Imkerbienen", sagt der Obmann für Bienengesundheit beim Imkerverband Hamburg. Solitäre Sandbienen flögen nicht in Schwärmen, nisteten aber oft in Kolonien. "Sie halten sich in sandigen Lebensräumen auf, deswegen sind sie vermehrt von Anfang April bis Ende Juni in Övelgönne zu finden", erklärt Tambiah, Dort legten sie ihre Eier in Erdnestern ab.
Bei Imkerbienen wiederum siedele sich ein Teil des Volkes im Frühjahr auf der Suche nach einem neuen Platz für einen Stock häufig an Ampeln, Mülltonnen oder unter Dachrinnen an. Um einen solchen Bienenstock zu entfernen, sollte man einen Imker rufen, der ihn schonend entfernt. Überhaupt rät Tambiah, bei einer Bieneninvasion Ruhe zu bewahren: "Gegebenenfalls kann man die Bienen einfach mit etwas Wasser besprühen. Damit sollten sie abziehen, ohne zu stechen." Kurz nach Danielas Begegnung mit dem Schwarm war bereits ein Imker zur Stelle, der die Bienen von einer Ampel an der Kreuzung Barnerstraße/Bahrenfelder Straße einsammelte.
Hamburg erstellt erstmals Rote Bienenliste
Durch Elbe und Alster diene Hamburg sehr vielen Wildbienenarten als idealer Lebensraum und Paradies für Nistplätze, sagt Tambiah: "Im Vergleich zu anderen deutschen Städten gibt es solch eine große Vielfalt nur in Hamburg." Umso erstaunlicher, dass die Hansestadt seine Wildbienen als eines der wenigen Bundesländer bislang noch gar nicht offiziell erfasst hat. Dies soll sich nun ändern: Wie die Deutsche Wildtier Stiftung am Montag mitteilte, soll mit einer Bienenvolkszählung erstmals eine Rote Liste für Wildbienen in Hamburg erstellt werden. Dazu würden in diesen Tagen im gesamten Stadtgebiet Biologen mit Kescher, Netz und gelber Plastikschale ausschwärmen.
Über die Hälfte der knapp 600 Wildbienenarten Deutschlands stehen laut Wildtier-Stiftung auf der Roten Liste und sind gefährdet. Sie führen ein Single-Leben, sind aber immens fleißig und von hohem wirtschaftlichen Nutzen in der Landwirtschaft - ihre Bestäubungsleistung ist bares Geld wert. Doch es fehlt ihnen zunehmend an Nistmöglichkeiten. Die Mohn-Mauerbiene beispielsweise kleidet ihre Niströhren im Sandboden mit Mohnblütenblättern aus, die Bedornte Schneckenhaus-Mauerbiene zieht nur in verlassene Kalkhäuser von Gartenschnecken ein, und die Blattschneiderbiene sucht Hohlräume, die sie mit Blatt- oder Holzstücken fest verriegeln kann.
St. Pauli hat zwei eigene Völker
"Gerade der städtische Raum mit kleinräumigen Strukturen bietet gute Voraussetzungen für Wildbienen", sagte Fritz Vahrenholt, Alleinvorstand der Deutschen Wildtier Stiftung. Darum sei das Monitoring in Hamburg so wichtig. Es ist auf drei Jahre angelegt. 2020 könnten die Daten ausgewertet und die Rote Liste erstellt werden. Die wissenschaftliche Leitung des Projektes hat Christian Schmid-Egger von der Deutschen Wildtier Stiftung. Er gilt als führender Wildbienen- und Wespenexperte und hat zahlreiche tierökologische Studien veröffentlicht.
Vergleichsweise leichtes Spiel dürften die Volkszähler übrigens am Millerntorstadion haben. Dort lässt sich unter www.kiezhelden.com via Webcam das Verhalten zweier Bienenvölker beobachten, die der Fußball-Zweitligist FC St. Pauli Anfang April angesiedelt hat. Durch das Projekt soll Kindern ein Einblick in das so sensible Ökosystem der Bienen gewährt werden. Außerdem produzieren die fleißigen Tiere eigenen St.-Pauli-Aufstrich, der unter dem Label Ewald-Bienen-Honig zum Verkauf geboten wird.