Im fünften Teil der Serie versucht Abendblatt-Reporterin Miriam Opresnik, ihre private Grünfläche im Sinne der Natur zu bepflanzen.

Die Sache ist klar! Mit meinem Versuch, grün zu werden, konnte ich bisher keinen Blumentopf gewinnen. Höchste Zeit also, dass sich das Blatt wendet. Blöd nur, dass es in diesem Monat um umweltverträgliches Gärtnern geht – und davon verstehe ich noch weniger als von Kindererziehung. Das ist schon klar, bevor ich das erste Mal die Harke in die Hand nehme – oder heißt das Ding Forke?

Sie sehen schon! Ob man nun den Bock zum Gärtner macht – oder mich: Das Ergebnis ist dasselbe. Aber genug der Phrasen! Höchste Zeit, das Übel bei der Wurzel zu packen. Oder das Unkraut. Unfassbar, wie viele Gräser, Brennnesseln und Löwenzahn sich in einem Blumenbeet in der Größe eines Doppelbettes breit machen können. Müssen die Reste meiner Bienen- und Schmetterlingswiese sein, die ich im vergangenen Jahr in einem Anflug von Bullerbü-Sehnsucht und Gärtnerwahn(sinn) ausgesät habe. Das Ergebnis war im wahrsten Sinne des Wortes überwältigend, da die Pflanzen im Laufe des Sommers Ausmaße annahmen, die kaum noch zu bewältigen waren. Erinnerte mich ein bisschen an Audrey II – die fleischfressende Pflanze aus dem kleinen Horrorladen.

Erde ist nicht gleich Erde, musste ich vom Experten lernen

Habe gelesen, dass die Wurzeln der Dinger bis zu 1,5 Meter lang werden können. 1,5 Meter? Also bitte! Auch wenn ich keine Ahnung von Zahlen habe, weiß ich, dass die Wurzeln niemals 1,5 Meter lang sind. Sondern mindestens 15 Meter. Mit dem Wurzelgestrüpp, das ich mit schmerzendem Rücken ausbuddele, könnte ich locker Claas, 3, und Carlotta, 6, am Fahnenmast hochziehen und oben baumeln lassen. Die beiden müssen über meinen Scherz zwar sehr lachen – verschwinden dann aber sicherheitshalber im Spielhaus. Stelle fest, dass ich von Bullerbü geträumt habe – und auf spanischer Galeere gelandet bin.

Na gut, aus Fehlern wird man bekanntlich klug. Schade nur, dass ich bei meiner diesjährigen Gartengestaltung weniger Mitspracherecht habe als bei der Filmauswahl beim Kinoabend. Denn dieses Jahr bepflanze nicht ich mein Beet, sondern jemand, der sich mit dem Thema umweltverträgliches Gärtnern auskennt. Michael Kasch, 68, vom Naturschutzbund Hamburg. Er ist Leiter der Stadtteilgruppe Bramfeld, Ohlsdorf, Barmbek und hat vor Jahren den Nabu-Naturgarten in Alsterdorf angelegt. Die Intention: Mit der Natur arbeiten – und nicht gegen sie. Klingt super, voll im Sinne der Umwelt-Serie. Aber was bedeutet das genau, vor allem für meinen eigenen Garten? „Dass wir heimische Wildblumen statt Blumenzüchtungen säen und setzen, um einen Beitrag zur Artenvielfalt zu leisten“, sagt Herr Kasch beim Vorgespräch am Telefon und verspricht, Knolliges Mädesüß, Knotigen Braunwurz, Wolligen Hahnenfuß und Tripmadam mitzubringen. „?????“, denke ich und sage: „Toll.“ Beschließe, Herrn Kasch lieber erst beim Ortstermin zu beichten, dass ich ein totales Garten-Greenhorn bin.

Muss ich aber gar nicht. Das sieht der Experte auf den ersten Blick, als er ein paar Tage später meinen Garten, und irgendwie damit ja auch mich, begutachtet. Klar, dass ich mit meinem brachliegenden Blumenbeet nicht punkten kann. Aber was ist mit meinem rund 20 Meter langen, blühenden Steinwall? Den habe nämlich nicht ich angelegt, sondern meine Mutter. Und deren Daumen ist im Gegensatz zu meinem grüner als das Herz jedes GAL-Politikers.

Das Urteil von Herrn Kasch ist trotzdem verheerend. „Gut ist nur die Tripmadam“, sagt er und zeigt auf eine winzige, nur etwa fünf Zentimeter große Pflanze, die ich fast für Unkraut gehalten hätte. Und der Rest? Die restlichen 19,95 Meter? „Naja, das sieht mir doch alles sehr nach Züchtungen aus der Gärtnerei aus“, sagt Herr Kasch und erklärt, dass bei vielen dieser Blumen die Staubblätter zu Blütenblättern weggezüchtet wurden – und sie daher keinen Wert mehr für heimische Tiere haben. Ich lerne, dass alle Privatgärten in Deutschland zusammen etwa so groß wie die Summe aller Naturschutzgebiete und Nationalparks hierzulande sind – den Tieren aber weder Nahrung noch Versteck, Nistgelegenheiten oder Winterquartiere bieten.

Bezogen auf meine Steinmauer heißt das: Unterkunft super, Verpflegung mies. Dabei war mein Garten bis vor zwei Wochen noch das reinste Schnellrestaurant – bis ich den Brennnesseln den Kampf angesagt habe und den Insekten damit unwissentlich eine Zwangsdiät verordnet habe. „Ohne Brennnesseln keine Schmetterlinge“, sagt Herr Kasch und erzählt, dass sich fünf Schmetterlingsarten im Raupenstadium von der Brennnessel ernähren.

Wenn die dümmsten Bauern wirklich die größten Kartoffeln haben, wie es heißt, müssten in meinem Garten schon längst Dinger in den Ausmaßen eines Dino-Eis’ gedeihen. Aber Pustekuchen! Lediglich drei Äpfel und eine Tomate haben meine Bemühungen in der vergangenen Saison hervorgebracht. Na gut, aber davon werde ich mich nicht irritieren lassen, sondern es in diesem Jahr wieder probieren. Mit Wilderdbeeren vom Nabu, Tomaten- und Kohlrabi-Pflanzen aus der Bio-Gärtnerei – und torffreier Blumenerde. Von wegen Erde zu Erde! Denn Erde ist nicht gleich Erde. Musste ich lernen und denke beschämt an Dutzende Säcke Erde, die ich in den vergangenen Jahren nach Hause geschleppt habe – ohne jemals darauf zu achten, ob sie torffrei ist. Dabei binden Moore, aus denen der Torf ja stammt, doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Welt zusammen – obwohl die Moore nur drei Prozent der Landfläche unserer Erde ausmachen.

Zum Glück weiß ich es inzwischen besser und lasse mich daher auch nicht von Werbeversprechen wie „mit 35 Prozent Torfersatzstoffen“ oder „mit 50 Prozent Torfersatzstoffen“ einwickeln. Schließlich steckt da immer noch jede Menge Torf drinnen. Doch auch wenn Schätzungen zufolge der Anteil an torffreier Blumenerde im Handel nur bei fünf bis sieben Prozent liegt – nach längerem Suchen finde ich doch noch die richtige Erde. Sonst wäre ich vermutlich auf Kokosfasern umgestiegen, die bei der Kokosnussverarbeitung anfallen und laut Naturschützern eine sinnvolle Alternative zur herkömmlichen Blumenerde sind.

Der Anfang ist gemacht! Unter Anleitung von Herrn Kasch habe ich Zimbelkraut und Steinbrech-Felsennelken, Knoblauchrauke, Mauerpfeffer und Habichtskraut gepflanzt. Rund 100 Euro haben die mehrjährigen Wildblumen gekostet. So viel habe ich noch nie für meine Beetbepflanzung ausgegeben. Außerdem habe ich mich überreden lassen, eine Wildblumenwiese auszusäen. Weil es nichts Besseres gibt. Für Schmetterlinge. BIENEN! HUMMELN!!

Worte wie diese lösen bei mir ja eine ähnliche Fluchtreaktion aus wie eine Besprechung mit meinem Chef unter vier Augen. Aber bevor es Missverständnisse gibt: Ich habe nichts gegen meinen Chef. Und gegen Bienen auch nicht, echt nicht. Im Gegenteil: Ich mag Bienen, vor allem, wenn sie auf einem Honigglas abgebildet sind. Daher stelle ich meinen Garten von Herzen gerne als Einflugschneise zur Verfügung. Aber bitte nicht als Landeplatz, damit es nicht wieder zu einer Luftfahrtkrise wie im vergangenen Jahr kommt, als die Bienen-Flotte mehrfach mit Kapitän Claas kollidiert ist. Die Bilanz eines Sommers: Claas hatte in seinem Kleinkindleben schon mehr Bienen- und Wespenstiche als Geburtstagsfeste.

Na gut, darüber ist längst Gras gewachsen. Apropos: Wie pflegt man eigentlich seinen Rasen umweltverträglich? Also ohne Wasser und ohne elektrischen Rasenmäher? Richtig gelesen! Denn streng genommen sollte man natürlich auch im Garten auf jedes Gerät verzichten, das Strom braucht. Der Rat der Umweltschützer: Mit der Hand und Muskelkraft klappe es immer noch am besten.

Wie – per Hand? Bin verwirrt! Meinen die echt mit einer Sense? Mit der ich vermutlich nicht nur das Gras abmähe, sondern auch meine Füße – oder mir noch Schlimmeres antue? Kommt daher vielleicht auch der Begriff Sensenmann? Nee, Freunde, echt nicht. Ich bin ja gern bereit, seltener zu mähen und das Gras länger wachsen zu lassen als Claas’ Haare, damit der Rasen widerstandsfähiger wird und weniger Wasser braucht. Weniger als die rund 60 Liter bestes Trinkwasser, die Gartenbesitzer jedes Jahr auf Rasen und Rosen, Blumen und Büsche gießen. Pro Quadratmeter. Fachleute raten, im Sommer einmal pro Woche etwa zehn Liter Wasser je Quadratmeter zu gießen. Demnach müssten bei einem rund 200 Quadratmeter großen Garten etwa 2000 Liter verbraucht werden. Pro Woche! Also rund sechs- bis achtmal pro Saison.

Nachdem ich mich diesen Monat ja wieder häufiger in die Nesseln als auf den Bürostuhl gesetzt habe, ist es höchste Zeit, mich jetzt mal selbst zu loben. Oder besser gesagt den Ehemann, dessen Namen ich nicht nennen darf. Der hat nämlich in weiser Voraussicht beim Bau des Hauses darauf bestanden, eine Zisterne zur Bewässerung des Gartens in der Erde versenken zu lassen. Mit dem Regenwasser aus dem 3000-Liter-Tank können wir Rasen, Hecke und Blumenbeete in der Regel zwei- bis dreimal bewässern und nehmen deshalb kaum Trinkwasser für den Garten. Trotzdem habe ich bei den letzten Regenschauern noch ein paar Eimer im Garten verteilt, um zusätzlich Wasser zu sammeln. Man weiß ja nie, wofür man das braucht!

Meine Freundin Katrin meint sogar, dass es fast ganz ohne Wasser geht – wenn man nicht gerade einen Gemüsegarten hat. Ihr Rat: Hecken als Windschutz pflanzen, damit der Wind nichts austrocknet, Stauden dicht an dicht setzen, damit die Blätter den Boden beschatten und regelmäßig die Oberfläche aufkratzen, damit die Kapillaren zerstört werden, durch die der Boden unnötig austrocknet. Sie meint, dass man mit einmal harken dreimal gießen sparen kann. Obwohl mir persönlich sprengen mit dem Gartenschlauch ja mehr Spaß macht als das olle Harken!

Auch wenn Kompost das Gold des Gartens sein soll – ich will keinen Mist!

Es ist schon verrückt. Nachdem ich in den vergangenen Monaten unfreiwilligerweise immer wieder Mist gemacht habe, soll ich genau das jetzt tun – und schaffe es nicht. Mist zu machen und einen Komposthaufen anzulegen. Auch wenn meine Freundin Katrin mir vorschwärmt, dass Kompost das „Gold des Gartens ist“ – bei der Vorstellung an vergammelte Essensreste, eine Assel-Armee oder noch Schlimmeres (Ratten!!) verzichte ich lieber. Vor allem, weil der einzige mögliche Standort vor dem Küchenfenster wäre. Da bleibe ich lieber Garten-Greenhorn, als Goldmarie des Komposts zu werden.

Gegen manche Dinge ist bekanntlich ja kein Kraut gewachsen. Sagt man und kann damit eigentlich nur mich und mein Faible für amerikanische Arztserien meinen – oder meine Abneigung gegen jede Art von Schädlingen im Garten. Ich meine echt! Die kleine Raupe Nimmersatt ist doch nur im Buch süß. Von Läusen, Käfern und Schnecken ganz zu schweigen! Um so geschockter bin ich von dem Vorschlag, Schädlinge doch einfach mit der Hand abzusammeln. Igitt! Schon bei der Vorstellung könnte ich mich genauso schütteln wie bei dem Gedanken daran, dass Donald Trump US-Präsident wird. Gänsehaut statt Gänseblümchen. Ich werde mal bei Herrn Kasch nachhaken, ob er vielleicht im Sommer erneut zu einer Schädlingsmission anrückt. Im Sinne der Umwelt – und meiner Phobie.

Eine harte Nuss bleibt aber noch zu knacken: Wie befülle ich umweltverträglich das Planschbecken im Garten? Wie heize ich das eisige Wasser aus dem Außenhahn auf – wenn nicht wie bisher mit 20 Ladungen kochendem Wasser aus dem Elektro­kocher? Klar! Gar nicht! Dann müssen die Kinder eben frieren – oder im Neoprenanzug baden. Und wehe, es wird gemotzt! Dann gibt es was auf die Finger – und zwar Brennnesseln. Davon hab ich ja bald wieder genug.

Alle bisherigen Folgen der Serie unter www.abendblatt.de/umweltserie