Im dritten Teil der Serie versucht Abendblatt-Reporterin Miriam Opresnik, Hausputz und Körperpflege ökologisch zu meistern.

Bin total von der Rolle. Will umweltfreundliches Toilettenpapier kaufen und sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ist Papier aus 100 Prozent Recycling-Fasern genauso umweltverträglich wie 100-prozentiges Recycling-Papier? Heißt holzfrei wirklich, dass kein Holz verwendet wird? Und darf ich überhaupt weiter T-Papier kaufen oder sollte ich bei meinem Versuch, grün zu werden, ganz darauf verzichten und mir stattdessen wiederverwertbare Lappen aus Stoffresten selbst nähen? So wie es anscheinend zahlreiche Umweltschützer tun, die sich im Internet über die optimale Länge des Klo-Stoffes austauschen, über die Lagerung nach Gebrauch bis zur nächsten Wäsche diskutieren (lieber auf der Leine trocknen oder im Eimer mit Wasser aufbewahren?) und von ihren Erfahrungen mit Alternativen berichten. Von Blättern und Zeitungspapier, Wasserflaschen und der bloßen Hand.

Das geht mir dann doch zu weit! Also doch Recycling-Papier! Aber welches? Das billigste? Oder das mit dem schönsten Werbeversprechen? „Ein gutes Gefühl. Pflege mit Bewusstsein“? Oder lieber doch das fürs soziale Gewissen? Mit dem man angeblich nicht nur die Umwelt unterstützt, sondern auch noch Sanitärprojekte finanziert.

Noch nicht einmal jeder vierte Bürger benutzt Recycling-Toilettenpapier

Wenn ich noch länger vor dem Regal stehe, schlage ich vermutlich Wurzeln. So wie die Bäume, die für einen Großteil des in Deutschland verwendeten Toilettenpapiers abgeholzt werden. Nach Angaben des Umweltbundesamts nutzt noch nicht einmal jeder vierte Bürger im Privatbereich Recycling-Toilettenpapier – und es werden immer weniger! Allein in den vergangenen zwei Jahren ist die Quote von 26,6 auf 24 Prozent gesunken. Und das, obwohl der Verbrauch von Hygienepapieren immer weiter zunimmt und von elf auf inzwischen 18 Kilogramm angestiegen ist. Pro Jahr. Himmel! Mein dreijähriger Sohn wiegt so viel wie mein jährlicher Verbrauch an Klo-Papier und Co.

Und es kommt noch schlimmer: Jeder fünfte Baum, der auf dieser Welt gefällt wird, landet in der Papierherstellung. 40 Prozent des Holzes aus Urwald-Kahlschlägen wird zu Toilettenpapier verarbeitet. Die Zahl erschreckt mich noch mehr als der Verkäufer, der mich plötzlich anspricht. Vermutlich hält er mich für einen Ladendieb, weil ich seit zehn Minuten vor dem Regal stehe, eine Packung nach der anderen herausnehme – und wieder wegstelle. So unentschlossen war ich nicht mehr, seit ich mich beim letzten Kinobesuch zwischen „James Bond“ und „Die Tribute von Panem 4“ entscheiden musste. Wenn ich mich nicht langsam zu den Haushaltsreinigern, Waschpulvern und Kosmetik­artikeln vorarbeite, werde ich nicht grün. Sondern grau. Auf dem Kopf.

Das wird ganz sicher nicht mein Monat, das ist klar. schließlich geht es dieses Mal um umweltfreundliche Hygieneartikel – und den Hausputz. Und davon verstehe ich noch weniger als von dem Aufbau eines Ikea-Regals. Die Sache ist klar: Für diese Mission brauche ich einen Engel an meiner Seite, der mich durch das Labyrinth aus Waschpulvern, Haushaltsreinigern, Spülmitteln, Hygienepapieren und Kosmetikartikeln lotst. So jemanden wie den Blauen Engel.

Das Umweltzeichen, an dessen Vergabe unter anderem das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie das Umweltbundesamt beteiligt sind. Denn auch wenn Kritiker bemängeln, dass das Umweltzeichen keine Garantie für umfassende Umweltfreundlichkeit sei, sondern bereits vergeben werde, wenn ein Produkt über eine besonders umweltverträgliche Eigenschaft verfüge, ist es ein guter Anhaltspunkt, bis ich selbst grün genug bin, um mir eine Meinung bilden zu können. Ich rechne mit zwei bis drei. Nicht Monaten, Sie Optimist! Sondern Jahren natürlich!

Blöd nur, dass heutzutage selbst auf Engel kein Verlass mehr ist und es in der Drogerie meines Vertrauens noch weniger Produkte mit dem Blauen Engel gibt als Geld in Griechenland. Ich finde kein Waschpulver mit dem Umweltsiegel, keine Spülmaschinen-Tabs, keinen WC-Reiniger. Nur einen Glasreiniger und ein Spülmittel. Und das, obwohl jährlich 480.000 Tonnen Reinigungs- und Pflegemittel verkauft werden. Allein in Deutschland.

Wenn jeder Einkaufszettel wirklich ein Wahlzettel für die Umwelt ist,, wie es heißt, bin ich gerade in eine Ökodiktatur gelandet. Wahl möglich? Pustekuchen, um es mal mit den Worten meiner Tochter Carlotta, 6, zu sagen. Da der Blaue Engel als Orientierungshilfe versagt, wende ich mich an Dirk Petersen, Umweltberater der Verbraucherzentrale Hamburg und mein personifizierter Kompass auf der Irrfahrt meiner Umweltfreundlichkeit. Er rät mir, es im Bioladen zu probieren – und bei der Stiftung Warentest, die gerade Badreiniger geprüft hat. Das Ergebnis: Obwohl es einen Zusammenhang zwischen Putzleistung und Umweltbelastung gibt, schneiden zwei der getesteten Produkte sowohl im Hinblick auf die Reinigungskraft als auch auf die Umwelt gut ab. „Greifen Sie lieber zu so einem Mittel, auch wenn es kein Ökosiegel hat, als dass Sie einen umweltfreundlichen Reiniger nehmen, der aber kein gutes Ergebnis liefert – und im End­effekt dann im Müll landet“, sagt Dirk Petersen und empfiehlt mir, vermehrt auf Hausmittel zurückzugreifen – und nach dem Duschen und Baden alles ordentlich trocken zu reiben, damit Ablagerungen erst gar nicht ent­stehen.

Ha! Da soll noch mal einer sagen, ich kann nicht putzen. Schließlich verbringe ich seit Jahren gefühlt mehr Zeit mit dem anschließenden Trocknen und Polieren als unter der Dusche selbst. Und auch wenn es bei uns regelmäßig heftige Debatten darüber gibt, welche Technik besser geeignet sei (Fensterwischer oder Putzlappen?), können wir damit unsere Ökobilanz ein bisschen aufpolieren. Das ist auch dringend notwendig.

Denn nachdem es im Februar beim Energiesparen wirklich gut lief, komme ich jetzt auf keinen grünen Zweig mehr. Ich kaufe flüssige statt fester Seife – und lese erst später, dass Flüssigseife aufgrund des hohen Wasseranteils, der vergleichsweise hohen Transportkosten und der Verpackung umweltbelastender ist als ein Seifenstück. Ich nehme normales Spülmittel statt eines Konzentrats, Einweg­windeln statt wiederverwendbarer Stoffwindeln und Waschpulver statt Kugeln. Oder Kastanien, wie es im Internet empfohlen wird. Oder Efeu. Efeu? Ja! Efeu!

Im Internet heißt es, Efeu sei eine sehr gute Alternative zu Waschmitteln

Klar, ich will grün werden. Aber doch nicht meine Wäsche! Und auch wenn in den Internetforen versichert wird, dass Efeu eine „hervorragende Alternative“ zu Waschmitteln ist und angeblich nicht abfärbt, kann ich mich dazu nicht durchringen. Ist ja schließlich auch giftig und so. Und außerdem haben die Kinder eh so empfindliche Haut. Und überhaupt: Wir haben gar keinen Efeu im Garten.

Nachdem ich ein paar Tage lang an den Ausreden gefeilt habe, finde ich sie ziemlich überzeugend. Bis ich lese, dass in Deutschland mehr als 1,3 Millionen Tonnen Wasch- und Reinigungsmittel an private Endverbraucher verkauft werden. Dass der daraus resultierende Chemiekalieneintrag in das Abwasser 630.000 Tonnen beträgt. Und dass jeder Einwohner statistisch acht Kilogramm Waschmittel verbraucht. Vom Energie- und Wasserverbrauch ganz zu schweigen, vor allem von alten Maschinen wie unserer. Darüber habe ich ja schon in der letzten Folge geschrieben – und immer noch keine neue Waschmaschine von meinem Chef genehmigt bekommen. Ich meine ja, dass er damit mein ganzes Projekt sabotiert. Aber gut!

Es sind harte Zeiten für „Mielie“, wie wir unsere Waschmaschine liebevoll nennen und die schon jetzt älter als ein durchschnittlicher deutscher Schäferhund ist. Sie wird in Altersteilzeit geschickt und auf Diät gesetzt. Das Waschmittel wird reduziert, die Temperatur konsequent gesenkt, die Dauer minimiert und die Wäsche seltener gewaschen.

Pullover und Kleider werden zum Lüften aufgehängt, fleckige Jeans noch mal am Wochenende angezogen. Die Waschpulver-Marke darf ich allerdings nicht umstellen – ein Bewohner hat sein Veto eingelegt. Und damit meine ich nicht die Kinder! Ich erwäge allerdings, heimlich mit den Waschbällen oder Waschnüssen zu experimentieren, die aufgrund der mechanischen Reibung, irgendwelcher negativ geladener Ionen oder Magnetfelder angeblich ebenso gut zum Waschen geeignet sein sollen. So zumindest mein guter – grüner – Vorsatz. Bis mir mein Experte des Vertrauens, Dirk Petersen, davon abrät. Durch den Verzicht auf ein Waschmittel, das Entkalker enthält, könnte ich meine Waschmaschine dauerhaft schädigen.

So ein Mist! Das Gleiche gilt nämlich auch für die Spülmaschine, die ich seit Beginn des Experiments immer mal wieder ohne Reinigungstabs angemacht habe – und mir dabei voll ökomäßig vorkam. Wenn ich eine Strichliste meiner gescheiterten Versuche machen müsste, wäre diese vermutlich länger als die Wunschliste an den Weihnachtsmann von Claas und Carlotta. Ich will auf Einmal-Servietten verzichten, verpasse den Kindern stattdessen alte Lätzchen zum Mundabwischen nach dem Essen – und kaufe dann für Ostern eine Wegwerf-Tischdecke mit passenden Papier­servietten. Ich will Kosmetikprodukte selbst machen und scheitere schon beim ersten Rezept. Was zum Teufel ist Mulsifan? Und will ich wirklich in Backpulver und Speisestärke baden? Oder mir mit Zucker und Öl das Gesicht peelen? Umweltfreundlich mag das ja sein, richtig kommt es mir aber trotzdem nicht vor, Lebensmittel dafür zu verschwenden.

Deo-Abstinenzler behaupten, der Achselgeruch bessere sich

Eine befreundete Imkerin mixt mir schließlich eine Gesichtscreme aus Mandelöl und eine Lippenpflege aus Bienenwachs. Richtig glücklich bin ich damit aber auch nicht. Die Haut klebt, die Lippen schmieren. Grün mag das ja sein. Aber nicht gut. Zumindest nicht für mich. Genauso erfolglos sind meine Versuche, auf ein Ökoshampoo umzusteigen und auf Deos zu verzichten. Auch wenn überzeugte Deo-Abstinenzler behaupten, der Achselgeruch bessere sich nach einigen Tagen – spätestens aber nach zwei Wochen! – ich halte das keine Stunde aus.

Umweltschutz fängt im Kleinen an, habe ich gelesen. In kleinen Veränderungen. Verbesserungen. Das hilft mir, nicht zu verzweifeln. Zu verzagen. Aufzugeben. Sondern weiterzumachen. Und Kleinigkeiten zu ändern. Große statt kleiner Shampooflaschen zu kaufen, um Verpackungen zu sparen. Auf Feuchttücher zu verzichten und Waschlappen zu nehmen. Nach dem Essen die Krümel unter dem Tisch aufzufegen – und nicht zu saugen, um Energie zu sparen. Weniger Papiertücher zu benutzen und öfter mal zu Stofftaschentüchern zu greifen.

Fast kommt es mir lächerlich vor, darüber zu schreiben. Weil es so banal erscheint, so unbedeutend. Weil ich das Gefühl habe, mit meinem Handeln nichts bewirken, nichts verändern – verbessern – zu können.

Drei Monate sind jetzt um. Ein Viertel der Zeit vorbei. Und ich bin immer noch nicht grün geworden. Aber auf dem Weg dorthin. Hoffe ich. Grün werden ist ein Prozess. Dauert. Zerrt an den Nerven. Frustriert. Und beflügelt. Wenn es klappt. Wenn Carlotta ihren kleinen Bruder daran erinnert, das Licht auszumachen – weil das besser für die Umwelt ist. Wenn die Kinder nicht mehr meckern, dass das neue Klo-Papier kratzt, sondern sich gegenseitig beim Blätter-Einsparen unterbieten wollen. Damit keine Bäume sterben müssen. Ich hoffe nur, dass sie nicht eines Tages verlangen, dass wir ganz auf das Toilettenpapier verzichten – und ich den Klo-Stoff doch noch selbst nähen muss. Dann würde ich mich echt grünärgern.