Andy Grote (SPD) ist als Sportsenator in der Stadt angekommen. „Die Sportstadt Hamburg lebt!“, ist seine Botschaft.

In dieser Woche ist Andy Grote (SPD) als Sportsenator in der Stadt angekommen. Es war eine harte Landung 126 Tage nach seinem Amtsantritt am 20. Januar. Und wenn sich der Sport seit dem Olympia-Aus auch in einem permanenten Abwehrkampf befand, so fühlte sich nun nicht nur die parlamentarische Opposition bemüßigt, ihn zu Grabe zu tragen. Das entsprach der Stimmung in der Stadt. Am Montag gegen 17 Uhr hatte der Hamburger Sportbund (HSB) die Verhandlungen mit der Stadt über die Finanzierung des organisierten Sports für 2017/18 abgebrochen, weil das Angebot des Senats aus HSB-Sicht inakzeptabel war – ein bisher einmaliger Vorgang. 30 Stunden später verkündete die Anschutz Entertainment Group in Los Angeles den Rückzug der Hamburg Freezers aus der Deutschen Eishockey-Liga.

Am Tag danach hielt Grote, der auch Innensenator ist, in der Bürgerschaft seine erste Rede zum Sport. Sie dauerte zwölf Minuten. Fünf hätten ihm nach den Regeln des Hauses in der Aktuellen Stunde zum Thema „Sportstadt Hamburg“ zugestanden. Doch es gab einiges zu sagen, gerade jetzt, gerade hier, zum Niedergang der Proficlubs, zur Zukunft von Vereinen und Verbänden, zu neuen Großveranstaltungen, zur Fortführung der millionenschweren Sanierungsoffensive für vereinseigene und städtische Anlagen.

„Die Sportstadt Hamburg lebt!“, war Grotes finale Botschaft. Angesichts von 27 Großvereinen mit jeweils mehr als 3000 Mitgliedern, mehr als in jeder anderen deutschen Stadt, 580.000 Mitgliedschaften im HSB, 150.000 dazu in Fitnessstudios, 65 Vereinen in der Ersten oder Zweiten Bundesliga und zehn Großveranstaltungen im Jahr mag das sogar stimmen. Fast 81 Prozent der Hamburger treiben nach einer Untersuchung regelmäßig Sport. Auch das ist hierzulande ein Spitzenwert. Selbst der Leistungssport muss sich nicht verstecken. Mehr als 40 Hamburger Athleten werden im August und September zu den Olympischen und Paralympischen Sommerspielen nach Rio fliegen. Größer war das lokale Kontingent nie.

Grote und Sportstaatsrat Holstein wollen Olympia in Rio besuchen

Grote, 47, hatte seinen Auftritt akri­bisch vorbereitet. Noch während der Debatte redigierte er auf der Senatsbank sein Manuskript, an dem er schon in der Nacht zuvor gearbeitet hatte. Details sind sein Metier. Als Rechtsanwalt kennt er die Bedeutung des Kleingedruckten. Grote ist kein großer Redner, kein Rhetoriker wie sein Vorgänger Michael Neumann. In einer ersten Begegnung wirkt er zurückhaltend, vorsichtig, darauf bedacht, nichts Falsches zu sagen. Vertrauen verteilt er nicht als Vorschuss, es muss sich bei ihm entwickeln. Menschen, die ihn besser kennen, schätzen seine umgängliche Art, den Respekt, die Wertschätzung, die er jedem entgegenbringt. Dem Betriebsklima in der Behörde für Inneres und Sport habe der Wechsel an der Spitze des Amtes, um es diplomatisch auszudrücken, keinesfalls geschadet, sagen seine Mitarbeiter.

Der ehemalige Chef des Bezirksamts Mitte (2012–2016), anerkannt als Bau- und Stadtentwicklungsexperte, gilt als Arbeiter, als verlässlich, berechenbar, als guter Zuhörer, als einer, der dann seine Meinung kundtut, wenn er um alle Facetten des Problems weiß, der Rat sucht und annimmt. Vielleicht musste es deshalb 126 Tage dauern, bevor sich Grote im Rathaus zum Thema Sport äußerte. Auch wenn es CDU, FDP und Linke in ihren Repliken nicht wahrhaben wollten, Substanz hatten Grotes Ausführungen sehr wohl. In seiner Zeit als Bezirksamtsleiter zollten ihm auch seine politischen Gegner Respekt, als er den Konflikt um den Abriss der Esso-Häuser auf St. Pauli in zähen Verhandlungen zwischen Anwohnerinitiativen, Clubs und Grundeigentümern löste. Seitdem hat er den Ruf eines Vermittlers: hart, klar, fair.

Im Sport wissen viele noch nicht so recht, was sie an ihm haben. Aber Grote ist gewillt, auch hier persönliche Akzente zu setzen. Dass er die ersten 18 Wochen seiner Amtszeit vornehmlich Flüchtlingen, Polizei und Feuerwehr widmete, war der Bedeutung dieser Aufgaben geschuldet. Sport ist für ihn, der in seiner Jugend in Büsum ritt, Judo lernte, schwamm, Badminton spielte und später beim FC Silbersack auf St. Pauli kickte, dennoch kein Nebenfach – selbst wenn die gesellschaftspolitische Bedeutung nach dem Olympia-Aus gelitten hat. Dass sich Bürgermeister Olaf Scholz seit dem abschlägigen Referendum öffentlich nicht mehr zu diesem Thema äußert, verstärkt diese Wahrnehmung noch. Im Senat, beteuert Grote, sei der Sport als wichtiges Politikfeld weiter uneingeschränkt akzeptiert. Was Vereine und Verbände bei der Integration von Flüchtlingen leisten, nötige allen Anerkennung ab. Dass für diese Aufgaben mehr Mittel bereitgestellt werden müssen, sei Konsens.

Um genau zu erfahren, was die Stadt an ihrem Sport hat, wird Grote jetzt seiner Behörde Arbeitsaufträge erteilen. Die Fragestellungen sind: Was bringt der Sport Hamburg an Ansehen, Wertschöpfung, Bekanntheit? Die Antworten könnten dazu dienen, dass aus Vermutungen Argumente werden. Hariolf Wenzler, ehemals Geschäftsführer der Hamburg Marketing GmbH, hatte, gefragt nach der besten Werbemaßnahme für die Stadt, einst gesagt: „Ein Champions-League-Sieg des HSV.“

Weil daran momentan nicht zu denken ist, müssen andere Maßnahmen her. Grote und Staatsrat Christoph Holstein (SPD) planen, zu den Olympischen und Paralympischen Spielen nach Rio zu reisen. Dort wollen sie im Verbund mit dem Deutschen Olympischen Sportbund den Kontakt zu den Weltverbänden suchen. Ziel bleibt es, hochkarätige Veranstaltungen nach Hamburg zu holen, Welt- und Europameisterschaften, aber auch neue Formate zu entwickeln. Ein Ironman, die Mutter des Triathlons, könnte schon im August 2017 in Hamburg stattfinden. Die Planungen sind weit fortgeschritten. Grotes Sportagenda wäre damit nicht abgearbeitet. Auch wenn die Stadt den Bestand der Proficlubs nicht garantieren kann, darf und will – in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft strukturelle Rahmenbedingungen zu schaffen, sieht der Senator als mögliche Aufgabe an. Wie viele Profivereine Hamburg neben den Sponsoren saugenden Fußballclubs HSV und FC St. Pauli verträgt, sei dabei die erste Frage. Eishockey, Handball und Frauenvolleyball waren in der Vergangenheit nicht überlebensfähig, weil sie am Tropf eines einzigen Investors hingen.

Und dann wäre da noch der Masterplan Active City, Grotes Lieblingsprojekt. Mehr Sport im öffentlichen Raum, Aufwertung der Bezirke, Sport für alle, überall. Seit Mittwoch, dem Tag, an dem Andy Grote zum Sportsenator wurde, drohen alle diese Ideen nicht mehr im Altpapier zu landen.