Hamburg. Lange kamen sie gegen die Billigkonkurrenz nicht an. Nun sind Kreuzfahrtschiffe und Yachten made in Germany wieder gefragt.
Jahrelang war der deutsche Schiffbau international abgehängt. Während in Asien Werften von der Größe ganzer Städte die Serienproduktion von Frachtschiffen am Fließband übernahmen, gingen bei den deutschen Schiffbauern nach und nach die Lichter aus.
Lediglich mit dem Bau von Spezialschiffen wie Yachten, Kreuzfahrtschiffen sowie Montagefahrzeugen für die Offshore-Windenergie konnten sich hiesige Werften über Wasser halten. Doch infolge der Schifffahrtskrise und des Überangebots an Transportkapazitäten hat sich die Lage drastisch gedreht: Während die Schiffbauindustrie weltweit fast zusammenbricht, laufen die Geschäfte in den deutschen Docks wieder sehr gut.
Allein im ersten Quartal Aufträge für 1,3 Milliarden Euro
Der Auftragseingang deutscher Werften hat sich in den zurückliegenden zwei Jahren auf fünf Milliarden Euro fast verdoppelt. Und auch in diesem Jahr, das noch nicht einmal zur Hälfte herum ist, konnten Aufträge in etwa der gleichen Größenordnung vermeldet werden: Von Januar bis April gingen bei den heimischen Schiffbauern Aufträge über neun Schiffe für 1,3 Milliarden Euro ein, teilte der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) am Mittwoch in Hamburg mit.
Darin seien die Bestellungen der malaysischen Genting Group (Lloyd-Werft in Bremerhaven, frühere Nordic Yards in Mecklenburg-Vorpommern) über zehn Schiffe im Wert von 3,5 Milliarden Euro noch nicht enthalten, weil dieser Auftrag erst im Mai erteilt wurde.
Die Gründe des Erfolgs
„Deutschland hui, weltweit pfui“, so umschreibt VSM-Präsident Harald Fassmer, Geschäftsführer der Fassmer Werft, die Situation. Die Gründe für den Erfolg sind schnell erzählt: Hatte einst pure Not die deutschen Werften in die Nischen des Spezialschiffbaus getrieben, so hat sich daraus inzwischen eine gefragte Tugend entwickelt.
Kreuzfahrtschiffe und Megayachten sind hochkomplexe Produkte, deren Fertigung im Gegensatz zu einem simplen Containerschiff sehr viel Erfahrung fordert. Dazu braucht man gut ausgebildete Mitarbeiter und ein enges Netz hochwertiger Zulieferbetriebe. „Diese Strukturen sind in Deutschland über Jahrzehnte nach und nach entstanden und lassen sich nur sehr schwer an anderer Stelle reproduzieren“, sagte Fassmer im Rahmen des Mitgliedertreffens im Hotel Atlantic. Einmal im Jahr kommen hier die deutschen Schiffbauer zusammen, um über ihre Lage und die Herausforderungen für die Zukunft zu beraten.
Wie deutsche Werften Vorsprung halten wollen
Die Branchenvertreter geben sich keiner Illusion hin. Sie wissen, dass ihnen weiterhin weltweit Konkurrenz droht. So beginnen derzeit auch die Chinesen mit dem Bau von Kreuzfahrtschiffen. Und in absehbarer Zeit werden im Reich der Mitte Schiffe vom Stapel laufen, die hiesigen Produkten in der Qualität ebenbürtig sein könnten.
Deshalb wollen die deutschen Schiffbauer einen Vorsprung erarbeiten – etwa durch noch schnellere Produktionsprozesse, verbesserte Technik und hohe Umweltstandards. „Wir müssen aber auch noch weiterdenken – etwa an Schiffe komplett aus Glas oder vollständig vernetzt“, sagt Karsten Fach von der Yachtwerft Abeking & Rasmussen.
Das computerisierte Google-Schiff gibt es im Gegensatz zum Google-Auto noch nicht. „Aber wir sollten uns schon die Frage stellen, welche Anforderungen beispielsweise ein amerikanischer IT-Milliardär an eine Yacht stellen kann“, sagt Fach.
Zulieferbetriebe haben weiter Probleme
Das Interesse an einer Antwort kommt nicht von ungefähr, sondern orientiert sich am derzeitigen Kreis potenzieller Kunden für solche Luxusyachten, die mehrere Hundert Millionen Euro kosten können. Der US-Markt ist wegen des starken Dollars für deutsche Schiffbauer nämlich durchaus interessant, nachdem frühere Kundenkreise ausfallen: Russische Milliardäre, die gerne bei deutschen Werften einkauften, dürfen dies aufgrund des Embargos derzeit nicht. Und arabische Ölscheichs sind ebenfalls sparsamer.
Doch nicht die ganze Branche kann jubeln: Während die Bestellbücher der meisten deutschen Werften besonders gut gefüllt sind, leiden die Zulieferbetriebe unter der internationalen Auftragsflaute. Im vergangenen Jahr wurden weltweit 1405 neue Schiffe bestellt, das sind nicht einmal halb so viele wie 2013.
Noch dramatischer ist der Einbruch in diesem Jahr: Bis April wurden erst 114 Schiffe geordert. Viele exportorientierte maritime Maschinen- und Anlagenbauer aus Deutschland sind allerdings auf hohe Stückzahlen des Serienschiffbaus angewiesen und haben nun weniger zu tun.