Hamburg. Das Abendblatt will es wissen. Zwei Reporter berichten vier Tage von ihren Erlebnissen. Nordsee oder Ostsee? Machen Sie mit.

Mit der Bahn, einem gepackten Rucksack und einem Budget von jeweils 500 Euro machen sich Matthias Iken, 46, und Juliane Kmieciak, 32, auf den Weg und tauschen vier Tage lang Schreibtisch gegen Strandkorb. Wo ist es schöner? Wo sind die Sonnenuntergänge bunter, die Möwen lauter? Die Strände weißer, der Himmel blauer? Täglich werden sie in längeren Texten, kurzen Posts, Fotos und Videos von ihren Erlebnissen im Abendblatt und bei abendblatt.de berichten.

Nordsee

Liebe Juliane,

es gibt Rätsel im Leben, die bleiben jahrzehntelang ein Mysterium. Ich habe mich nach einem Nachmittag am Timmendorfer Strand anno 1980 ohne Wellen, aber gefühlt mit hunderttausend anderen Touristen, oft gefragt, warum Menschen dort Urlaub machen. Wer die Nordsee kennt, fährt doch nicht freiwillig an die Ostsee!

Amrum hat mich sozialisiert. Ich werde nie vergessen, wie ich mich als Dreikäsehoch, beladen mit Gummitier, Capri-Sonne und Handtuch, über die Bohlenwege gekämpft habe. Über uns die Sonne des Nordens, die eben nicht nur in verklärten Erinnerungen, sondern auch aktuellen Wetterstatistiken zufolge ziemlich häufig scheint. Um mich herum breitete sich weites Dünenland aus, gekrümmte Kiefern, Rosen, Strandhafer. Ein Reich ohne jeden Schatten! Unter meinen nackten Zehen die Bohlen, die wir nie ohne Schuhe betreten durften und doch stets barfuß beschritten. In meiner Nase vermengte sich der Duft der Sonnenmilch mit dem Salz des Meeres, und im Herzen wuchs die Hoffnung, endlich das Meer zu erreichen.

Auf kleinen Füßen wirkte die Welt viel weiter, und wir Kinder wähnten uns als Wüstennomaden auf dem Weg zur Oase. Ihre Quelle das Meer, die Nordsee. Schon für Fünfjährige ging nur sie als ein echter Ozean durch: Die Ostsee ist eine Badewanne für Seepferdchen, die Nordsee das Meer der Freischwimmer.

Gut, wer aus Dangast kommt (das für mich nie am Meer, sondern höchstens am Schlick liegt), hatte vielleicht eine schwere Jugend. Das erklärt einiges. Aber warum fahren Nicht-Dangaster an die Ostsee? Ich wünsche Dir trotzdem viel Spaß am Tümpel des Ostens. Die Wette nehme ich natürlich an: auf in die Nordsee, die mehr ist. Weil sie Meer ist.

Liebe Grüße, Matthias

Ostsee

Lieber Matthias,

ich will Dir ja nicht von Anfang an alle Hoffnungen nehmen, aber die Wahrheit ist: Du kannst nur verlieren. Irgendwie musst Du in den vergangenen Jahren zu viel Schlick in den Ohren gehabt haben, denn die wesentlichen Fakten sind Dir ja offenbar nicht bekannt: Die Ostsee ist wärmer, die Sonne scheint öfter, der Wind bleibt angenehmerweise meist unter Sturmböen-Niveau, und das Ostseewasser glänzt auch nicht durch Abwesenheit.

Gut, lieber Kollege, das ist natürlich Geschmackssache. Gerade Surfer schwören ja auf die Nordsee wegen der steifen Brise und so. Korrigiere mich, wenn ich irre, aber nach meiner Information bist Du weder Surfer noch Wellenreiter. Und so bin ich schon gespannt darauf, wie Du mir erklärst, was an Windstärke 8 genau so toll sein soll, wenn man nicht gerade auf dem Brett steht. Ansonsten hoffe ich, dass Du Dir ein tagesfüllendes Freizeitprogramm überlegt hast für die langen Stunden, in denen Du weder im Wasser baden noch aufs Wasser gucken kannst.

Als gebürtige Dangasterin (Nordsee) weiß ich sehr genau, wovon ich rede. Denn immer (wirklich immer), wenn ich mal Freunde mit an „meinen Strand“ genommen habe, gab es lange Gesichter. So Schlick allein bringt’s halt nicht – Weltnaturerbe hin oder her. Ich jedenfalls habe für drei Leben genug Matsch zwischen den Zehen gehabt, habe genug von steifer Brise und brauner Plörre. Ich will Strandurlaub wie im Bilderbuch! Da bin ich vielleicht einfach gestrickt, aber das Schöne muss ja nicht kompliziert sein. Ich wünsche Dir – trotz allem – schöne Tage an der Nordsee. Wollen wir wetten, wer zuerst im Wasser ist? Kleiner Scherz – so gemein bin ich nicht. Na ja, zumindest nicht immer.

Liebe Grüße, Juliane