Von der Silberschmelze in der Hamburger Altstadt zum Kupferkonzern von Weltrang mit Zentrale auf der Peute war es ein holpriger Weg.

Das Genehmigungsverfahren durch die Behörden für eine neue Anlage zur Silbergewinnung in der Hansestadt zog sich über gut drei Jahre hin, und an ihrem Ende standen Auflagen zum Schutz der Gesundheit der in der Umgebung lebenden Menschen. Es durften nur Erze mit einem Anteil von weniger als fünf Prozent des giftigen Arsens verarbeitet werden, die Abgase mussten durch einen neuen, 85 Meter hohen Schornstein in den Himmel über Steinwerder geblasen werden. Dann – so der im vorvergangenen Jahrhundert geläufige Glaube – werde sich der Rauch so sehr verdünnen, dass er keinen Schaden anrichten könne.

Der 1860 errichtete Schlot der Elbhütten Affinir- und Handelsgesellschaft war seinerzeit der höchste seiner Art in Deutschland, er konnte bestiegen werden, unterhalb der Spitze war gar eine Galerie angebracht. Hamburg hatte eine neue Attraktion am Südufer der Norderelbe, in etwa dort, wo heute die beiden Musicaltheater stehen. An einer Stelle, an der zuvor der Schutt der beim großen Brand von 1842 zerstörten Hamburger Häuser abgekippt worden war, wurde nun mehr als die Hälfte des in allen deutschen Staaten hergestellten Kupfers gewonnen und zusätzlich auch noch Silber.

Als die Auswanderung abebbte, kam auf den Seglern weniger Erz in die Stadt

Doch die Elbhütte hatte keinen wirtschaftlichen Erfolg. Weil die Auswanderungswelle nach Südamerika schon wieder abebbte, brachten die Hamburger Segler auf dem Rückweg von Valparaiso weniger Kupfererze in die Hansestadt. Und auch aus Australien und Skandinavien erreichten weit weniger Rohstoffe die Hansestadt als erhofft. Schon Mitte der 1860er-Jahre wurde die Produktion auf Steinwerder wieder eingestellt.

Kupfer im Strangguslager von Aurubis
auf der Peute
Kupfer im Strangguslager von Aurubis auf der Peute © picture alliance / dpa

Das Ende der Elbhütte aber war zugleich die Geburtsstunde eines Unternehmens, das bis heute besteht: Am 28. April 1866 erschienen Werksdirektor Ferdinand Beit, Louis Maas, der Direktor der Norddeutschen Bank, sowie der Kaufmann Ferdinand Jacobson als Abgesandte des Verwaltungsrates der neu gegründeten Aktiengesellschaft Norddeutsche Affinerie beim Handelsgericht Hamburg und ließen das Unternehmen ins Handelsregister eintragen. Die erste Tat der Aktionäre: Sie erwarben den wirtschaftlich gesunden Teil der Elbhütten Affinir- und Handelsgesellschaft, die Gold- und Silberaffinerie Beit, die an der damaligen Elbstraße (heute Neanderstraße) nahe dem Zeughausmarkt und dem Neuen Steinweg lag.

Dieser Betrieb ist der erste Vorläufer der Norddeutschen Affinerie und war schon fast 100 Jahre zuvor von Marcus Salomon Beit, dem zweiten Sohn eines jüdischen Hamburger Tuchhändlers als Silberschmelze und Scheidebetrieb gegründet worden. Als dort 1824 das neue Verfahren der Affination (Verfeinerung) von Metall­legierungen unter dem Einsatz von Schwefelsäure eingeführt wurde, wuchs die Qualität des gewonnenen Silbers beträchtlich und Gold konnte erstmals mit hoher Reinheit gewonnen werden. Das Geschäft der Beits florierte noch stärker als schon zuvor.

Heute, auf den Tag genau 150 Jahre nachdem die Norddeutsche Affinerie in das Hamburger Handelsregister eingetragen wurde, feiert das Unternehmen, das viele Hamburger immer noch Affi nennen, obwohl es seit 2009 Aurubis heißt, das Jubiläum. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) schneidet mittags die Geburtstagstorte für die Beschäftigten im Stammwerk auf der Peute an, beim Festakt mit gut 300 geladenen Gästen am Abend diskutiert unter anderem die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) über Europas Wirtschaft im Jahr 2010.

Aus den Überresten der gescheiterten Elbhüttenwerke auf Steinwerder ist binnen 150 Jahren einer der weltweit größten Kupferhersteller geworden. Der Konzern hat heute etwa 6300 Mitarbeiter, davon 2300 in Hamburg, produziert und verarbeitet in Europa und den USA gut eine Million Tonnen Kupfer pro Jahr und hat Niederlassungen in zahlreichen europäischen Ländern, in Asien und Nordamerika. Im 150. Geschäftsjahr betrug der Umsatz elf Milliarden Euro, der Gewinn war der höchste der Unternehmensgeschichte: 343 Millionen Euro vor Steuern und Abgaben.

Doch es war ein langer und bisweilen ziemlich holpriger Weg von der kleinen Silberschmelze in der Stadt zum Konzern von Weltrang mit Zentrale auf der Peute: Das Unternehmen, das heute Aurubis heißt, war in den 150 Jahren seines Bestehens zeitweise Vorbild für die ganze Branche, zeitweise bloß die verlängerte Werkbank anderer Konzerne. Die Norddeutsche Affinerie war Skandal-Betrieb, williger Geschäftspartner des nationalsozialistischen Regimes und „die größte Dreckschleuder der Stadt“ einerseits und war und ist fürsorgender Arbeitgeber, technischer Innovator und karitativ engagierter Sponsor andererseits.

Glühendes Kupfer fließt aus dem Anodenofen
im Stammwerk
Glühendes Kupfer fließt aus dem Anodenofen im Stammwerk © dpa | Marcus Brandt

Zum Jubiläum hat der Konzern seine Geschichte von Historikern neu aufarbeiten lassen. Die Chronik erzählt die Erfolgsgeschichte der Norddeutschen Affinerie: Vom steilen Aufstieg der Kupferproduktion zunächst an der Elbstraße; von den im Unternehmen neu entwickelten und erstmals eingesetzten Techniken der Elektrolyse, die die Gewinnung des Halbedelmetalls revolutionierten, einen wesentlichen Beitrag zur Industrialisierung leisteten und der Affi große Lizenzeinnahmen brachten; vom zwischenzeitlichen Fall des Unternehmens und seinem Wiederaufstieg noch vor der Verlegung der Produktion auf die Peute in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. Und schließlich auch vom Erstarken des Unternehmens nach dem vom langjährigen Vorstandschef Werner Marnette durchgesetzten Börsengang im Jahr 1998 und der starken Expansion auch durch Übernahmen von Mitbewerbern.

Die Chronik berichtet aber auch über tiefe Kratzer im schönen Schein des Kupfers: Dass die Affi in der Nazizeit sich erfolgreich bemühte, einen Teil des von jüdischen Bürgern erpressten sogenannten Judengoldes verarbeiten zu dürfen, dass während des Zweiten Weltkriegs ganz selbstverständlich Zwangsarbeiter eingesetzt wurden.

2009 wurde die Norddeutsche Affinerie in Aurubis umbenannt – „rotes Gold“

Mitte der 1980er-Jahre war das Image des Unternehmens gänzlich am Boden. Ein zur Affinerie gehörendes Unternehmen in Südafrika zahlte Niedrigstlöhne und reagierte auf einen Streik mit der Massenentlassung der schwarzafrikanischen Arbeiter. Am Stammsitz in Hamburg wurden zugleich die Klagen über den hohen Schwermetall-Ausstoß des Werks immer lauter. Umweltschützer errechneten erschreckend hohe Mengen, die das Werk damals Jahr für Jahr in die Hamburger Luft und Gewässer abgab. Die Vorwürfe wurden zur Existenzbedrohung und in dem Unternehmen begann ein Umdenkprozess. Heute ist das Aurubis-Werk auf der Peute nach eigenen Angaben eine der effizientesten und am wenigsten die Umwelt belastenden Kupferhütten weltweit.

Die Konzernmanager sind überzeugt, dass Kupfer auch in den Zeiten von Glasfaserkabel und Satelliten ein Werkstoff der Zukunft in vielerlei Anwendungsbereichen ist. Derzeit ist auf der Vorstandsetage noch sehr zurückhaltend und mit den für ein börsennotiertes Unternehmen gebotenen Einschränkungen von einer weiteren Internationalisierung die Rede. Der künftige Aurubis-Vorstandschef Jürgen Schachler, der sein Amt zur Jahresmitte antreten wird, wurde bei der Hauptversammlung im Februar schon etwas deutlicher. Das Hinausstreben des Unternehmens in die Welt erfordere Veränderungen in den Charakteren der Mitarbeiter, sagte er. Der Konzern prüft, ob er eine weitere Kupferhütte in Südamerika oder Asien kaufen kann.

Aber schon 2009 war der Konzern so international aufgestellt, dass der Name Norddeutsche Affinerie nur mehr ein Relikt war. Aus der Affi wurde Aurubis. Ein Kunstwort, das in etwa „rotes Gold“ bedeutet. Damit hat auch das noch edlere Metall wieder Einzug in den Namen des Unternehmens gehalten, das vor 150 Jahren aus der Gold- und Silberaffinerie in der Elbstraße hervorging. Beide Metalle hat die Affi ohnehin immer gewonnen, ein einträgliches Nebengeschäft. Im vergangenen Jahr kamen außer der einen Million Tonnen Kupfer auch 1000 Tonnen Silber zusammen – und immerhin 45.000 Kilo Gold.

Cu 150.0 lautet der Titel der neuen Aurubis-Firmenchronik. Er nimmt die Abkürzung für das Element Kupfer im Periodensystem der Elemente auf und das Alter des Unternehmens. Das im August Dreesbach Verlag erscheinende Buch kann von heute an von der Internetseite www.aurubis.com heruntergeladen werden. Ab Ende April ist es im Buchhandel erhältlich.