Hamburg. Bundesanwaltschaft schließt sich der Revision an: Bundesgerichtshof soll Freispruch für sechs frühere Vorstände aufheben.

Es war einer der aufsehenerregendsten Prozesse der vergangenen Jahre. Ein volles Jahr lang standen sechs ehemalige Vorstände der HSH Nordbank in Hamburg vor Gericht, bevor sie nach rund 60 Verhandlungstagen im Juli 2014 vom Vorwurf der Untreue und der Bilanzfälschung freigesprochen wurden. Nun könnte es zu einer Neuauflage kommen.

Denn nachdem die Staatsanwaltschaft Hamburg kurz nach dem Urteil des Landgerichts Revision eingelegt hatte, soll sich nun die Bundesanwaltschaft der Revision angeschlossen und beim Bundesgerichtshof (BGH) die Aufhebung des Urteils beantragt haben. Sollte der BGH sich dieser Sichtweise anschließen, müsste der ganze Prozess neu aufgerollt werden.

Die HSH Nordbank selbst äußerte sich zu dem juristischen Verfahren nicht

Verhandelt wurde seinerzeit nicht das gesamte HSH-Drama, das immer noch anhält und die Eigentümer Hamburg und Schleswig-Holstein vermutlich bis zu zehn Milliarden Euro kosten wird, sondern ausschließlich ein Ende 2007 getätigter und unter dem Namen „Omega 55“ bekannt gewordener Finanzdeal. Weil für Geschäfte dieser Größenordnung der gesamte Vorstand zuständig war, waren auch alle damaligen Mitglieder angeklagt: Ex-Vorstandschef Hans Berger, sein späterer Nachfolger Dirk Jens Nonnenmacher sowie Hartmut Strauß, Joachim Friedrich, Bernhard Visker und Peter Rieck.

„Omega 55“ stand für ein undurchsichtiges Kreislaufgeschäft der HSH mit der französischen Großbank BNP Paribas. Vereinfacht gesagt war es der HSH darum gegangen, kurz vor dem geplanten Börsengang Risiken im Umfang von zwei Milliarden Euro aus der Bilanz verschwinden zu lassen. Doch BNP spielte dabei nur mit, weil die HSH den Franzosen im Gegenzug Risiken im Wert von 2,4 Milliarden abnahm. Wie groß der Schaden für die ehemalige Landesbank nach der schrittweisen Auflösung des Deals war, ließ sich schwer beziffern. Die Staatsanwaltschaft hatte anfangs von mehr als 150 Millionen, später von gut 50 Millionen Euro gesprochen, das Landgericht in seinem Urteil von gut 30 Millionen Euro. Entscheidend waren die Worte des Vorsitzenden Richters Marc Tully in seiner Urteilsbegründung, wonach das ganze Geschäft „sinnlos, wertlos und nutzlos“ gewesen sei, in etwa „wie die Heizdecke auf einer Butterfahrt“.

Das Gericht hatte auch eine Pflichtverletzung bei den Vorständen erkannt, diese habe aber „die Grauzone in Richtung Strafbarkeit nicht überschritten“ und sei daher nicht schwerwiegend genug für eine Verurteilung gewesen. Dem Vorwurf der Bilanzfälschung, der nur gegen Nonnenmacher und Friedrich erhoben worden war, hatte das Gericht von Anfang an kaum Beachtung geschenkt.

Gegen dieses Urteil hatte die Staatsanwaltschaft Hamburg schon im Juli 2014 umgehend Revision eingelegt, weil es nach ihrer Auffassung fehlerhaft war. Die 8. Große Strafkammer des Landgerichts hat nach Auffassung der Staatsanwaltschaft einen zu niedrigen Sorgfaltsmaßstab zugrunde gelegt – also die Frage, wie sorgfältig ein Kaufmann seine Entscheidungen abwägen muss, nicht streng genug ausgelegt. Wie das Internet-Justiz-Portal JUVE berichtet, hat sich die Bundesanwaltschaft dieser Sichtweise offensichtlich angeschlossen, was in Finanzkreisen in Hamburg bestätigt wird. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe war trotz mehrfacher Anfragen nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Im nächsten Schritt würde nun der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts Hamburg auf Rechtsfehler überprüfen. Wird er fündig, könnte er das Urteil ganz oder teilweise aufheben und an das Landgericht Hamburg zurückverweisen. Dann käme es erneut zu einer Hauptverhandlung, vermutlich vor einer anderen Strafkammer.

Die Politik in Hamburg, die sich bis heute um die Rettung der HSH Nordbank bemüht, würde eine Neuauflage durchaus begrüßen: „Ich habe mich schon damals geärgert, dass die ehemals Verantwortlichen so einfach davongekommen sind“, sagte Markus Schreiber, Experte der SPD für öffentliche Unternehmen. „Wenn die Bundesanwaltschaft dieses Urteil jetzt überprüfen lässt, finde ich das legitim.“ Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks sagte: „Die schlimmen Fehler der HSH Nordbank werden die Hamburgerinnen und Hamburger am Ende viel Geld kosten. Aus diesem Grund finde ich es sinnvoll, die Verantwortlichen hierfür auch juristisch zur Rechenschaft zu bringen und dafür alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen.“

Das sieht auch die Opposition so: „Die Omega-Transaktion war mehr als zweifelhaft und diente offenkundig nur der kurzfristigen Bilanzkosmetik“, sagte CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer. „Es ist durchaus sinnvoll, dies höchstrichterlich zu klären.“ Ähnlich sieht es FDP-Wirtschaftsexperte Michael Kruse: „Für die Akzeptanz insbesondere öffentlicher Banken ist es gut und richtig, dass das Verfahren um die ehemaligen Vorstände der HSH Nordbank vom Bundesgerichtshof beurteilt wird.“ Und Norbert Hackbusch (Linkspartei) sagte: „Eine Neuauflage des Prozesses ist überfällig. Es wäre eine richtige Tragödie, wenn in einer solchen Sache die Verantwortlichen nicht verurteilt würden.“

Die HSH Nordbank selbst äußerte sich zu dem juristischen Verfahren nicht. Ein Interesse an der Neuauflage könnte sie aber auch durchaus haben: Denn nur im Falle einer Verurteilung könnte sie Schadenersatzforderungen gegen ihre Ex-Vorstände erheben.