Hamburg. Neuer Termin steht noch nicht fest. Die Opposition vermutet Probleme mit der EU-Kommission. CDU kritisiert Finanzsenator.

Vor gut fünf Monaten schien das Problem schon gelöst zu sein: Am 19. Oktober 2015 einigten sich die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein mit der EU-Kommission im Grundsatz darauf, wie das Überleben der HSH Nordbank gesichert werden soll. Ein Rettungspaket über insgesamt 16,2 Milliarden Euro wurde geschnürt, und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) verkündete, das „Gespenst“ HSH Nordbank sei damit eingesperrt.

Doch fünf Monate später ist das Verlies für das „Gespenst“ – um in Scholz’ Bild zu bleiben – immer noch nicht fertig. Stattdessen gibt es neue Sorgen: Die HSH Nordbank hat ihre für den 24. März anberaumte Bilanz-Vorlage abgesagt – mit dem Hinweis auf „offene bilanzrelevante Fragen“ in den Gesprächen zwischen der EU-Kommission und den Ländern, wie es in einer Adhoc-Mitteilung der Bank heißt. Ein neuer Termin soll erst genannt werden, wenn die finale Entscheidung der EU vorliegt, und die wird für das zweite Quartal 2016 erwartet. Im Herbst hatte man dagegen noch auf eine endgültige Einigung bis Ende März gehofft.

Die spannende Frage, die sich viele Experten und Abgeordnete der Bürgerschaft nun stellen, ist: Was sind denn diese „bilanzrelevanten Fragen“? Die Bank selbst und ihre Eigentümer Hamburg und Schleswig-Holstein hüllen sich dazu in Schweigen und verweisen auf die dürre Adhoc-Mitteilung. „Wir arbeiten konsequent daran, die informelle Verständigung mit der EU-Kommission vom 19. Oktober umzusetzen“, sagte Daniel Stricker, Sprecher der Finanzbehörde. Man gehe „unverändert davon aus“, das Beihilfeverfahren im zweiten Quartal 2016 abzuschließen.

Die HSH hatte zuletzt zwar wieder schwarze Zahlen geschrieben, ächzt aber weiter unter Altlasten im zweistelligen Milliardenbereich. Wie berichtet, hatten sich die Länder mit der EU daher auf folgende Maßnahmen geeinigt: Die Garantie, die Hamburg und Schleswig-Holstein stellen, darf wieder von sieben auf zehn Milliarden Euro erhöht werden – sie schirmt ausschließlich die Risiken aus den bis 2009 getätigten Geschäften ab.

Außerdem wollen Hamburg und Schleswig-Holstein der HSH Altlasten im Wert von 6,2 Milliarden Euro direkt abnehmen – vor allem Schiffskredite, die ohnehin unter die Garantie fallen. Die entsprechende Zweckgesellschaft „HSH Portfoliomanagement AöR“ war noch eiligst Ende 2015 gegründet worden. Zudem soll die HSH in eine Holding und eine operative Einheit aufgespalten werden – nur ein Kunstgriff, um die operative HSH von den hohen Garantiegebühren zu entlasten.

Bislang zahlt sie 400 Millionen Euro pro Jahr an die Länder für die Zehn-Milliarden-Garantie. Diesen Brocken soll künftig weitgehend die Holding übernehmen. Diesem Paket stimmt die EU aber nur unter der Bedingung zu, dass die Länder ihre Bank spätestens zwei Jahre nach der offiziellen Einigung privatisieren – nach jetzigem Stand also etwa Mitte 2018.

Hinter vorgehaltener Hand räumen Insider ein, dass die Gespräche mit der EU schwierig seien. Die Verschiebung der Bilanzvorlage sei natürlich unangenehm, allein weil sie für Unsicherheit bei Kunden und Geldgebern sorgen könnte. Aber woran genau es hakt, dazu möchte sich niemand äußern – und das lässt Raum für Spekulationen.

„Wenn eine große Geschäftsbank die fristgerechte Aufstellung des Jahresabschlusses verschiebt, ist das immer ein klares Warnsignal“, sagt CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer. Er empfinde die Lage als „höchst intransparent“. Kleibauer: „Eine längere Hängepartie wäre für alle Beteiligten mehr als unglücklich und würde darauf hindeuten, dass es bei der Umsetzung der mit der EU vereinbarten Eckpunkte und der Bewertung der Portfolien große Probleme gibt. Hier muss der Finanzsenator zeitnah die Bürgerschaft informieren, statt abzutauchen.“

Ähnlich sieht es Michael Kruse (FDP): „Die Absage der Bilanzpressekonferenz ohne Angabe konkreter Gründe und ohne Nennung eines Alternativtermins wirft viele Fragen auf“, sagt der Bürgerschaftsabgeordnete. „Offensichtlich sind die Länder von einer Einigung mit der EU-Kommission viel weiter entfernt, als uns Finanzsenator Tschentscher seit Herbst weismachen wollte. Diese Politik schafft unnötige Unsicherheit.“

Professor Norbert Dieckmann, Landesbankenexperte an der EBC-Hochschule, kritisiert die dürre Mit­teilung der HSH: „Ich finde es schade, dass eine Bank, die ein Milliardenrisiko für die Steuerzahler bedeutet, so sparsam mit Informationen umgeht.“

Etliche Experten halten es für denkbar, dass ein Kernproblem die Bewertung des Portfolios ist, das an die Länder übertragen werden soll. Welche Papiere sie an die Länder abgeben will, hat die HSH mittlerweile bestimmt. Aber offen ist noch, welchen Wert sie für diese Papiere in der 2015-Bilanz ansetzt. Den bisherigen Buchwert, der nicht mehr realistisch ist und den die Länder daher nicht bezahlen wollen? Oder einen niedrigeren Marktwert, der aber schwer zu bestimmen ist? Klar ist: Irgendeinen Fantasiepreis dürften die Wirtschaftsprüfer nicht akzeptieren.

Der Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch (Die Linke) vermutet dahinter auch einen Grund für die Adhoc-Meldung: „Eine solche Ankündigung ist in der Regel ein Warnsignal von Unternehmen in Krisensituationen und deutet auf größere Unklarheiten in der Bewertung von Bilanzpositionen hin. Wir vermuten, dass die EU-Kommission mit den bisher erledigten Hausaufgaben der Länder und der Bank nicht zufrieden ist.“

Hackbusch hält auch weitere Maßnahmen wie zusätzliche Eigenkapitaleinschüsse oder weitere Garantien für nicht ausgeschlossen: „Die HSH Nordbank wird die Steuerzahler in den nächsten Jahren noch viele Milliarden Euro kosten.“