Hamburg. Hamburger Jungunternehmer wollen eine neue Spirituose etablieren. Im Alsterhaus ist der Weissbrand bereits gelistet.

„Wir hätten auch noch Wacholder reintun können und Gin auf das Etikett schreiben. Dann würden wir wahrscheinlich doppelt so viel verkaufen“, sagt Lukas Porschen. Doch genau das wollten sie nicht, die vier Macher der Hamburger Weissbrand Distillery – noch einen Gin auf den Markt bringen. „Wir nennen es die Ginflation. Es gibt inzwischen genug gute Gins“, sagt Lukas Fichtl mit Blick auf den deutschen Spirituosenmarkt. Die beiden Lukas’, der Fichtl-Bruder Julian und Sebastian Fischer, der vierte Firmenteilhaber, haben sich ein größeres Ziel gesetzt. Sie sind dabei, eine neue Spirituose zu etablieren: Weissbrand.

Die Namensähnlichkeit zu Weinbrand kommt nicht von ungefähr, auch Weissbrand wird aus trinkfertigem Wein destilliert. Anders als der Brand mit dem leicht angestaubten Image des Altherren-Schnapses ist Weissbrand allerdings ein Klarer. Er lagert nicht mindestens sechs Monate in einem Eichenfass, sondern mindestens drei Monate in einem Edelstahltank. Und es gibt ihn auch in einer mit Früchten, Kräutern und Gewürzen angereicherten Variante. Ein Hochprozenter also irgendwo zwischen Obstbrand, Kräutergeist und Weinbrand, der so aber nicht genannt werden darf. Nur ein vergleichsweise schnell und günstig herzustellender Gin ist er eben nicht. Von der Ginflation setzt sich Weissbrand in der Werbung ganz bewusst und mit leichter Ironie ab: Sorry, not another Gin – Entschuldigung, nicht noch ein Gin.

Wie man eine Marke, ein neues Produkt im Markt platziert, wissen die vier Weissbrand-Macher im Alter zwischen 22 und 25 ziemlich genau. Alle vier haben an der Hamburger Brand Academy studiert oder stehen dort kurz vor dem Abschluss. Die private Fachhochschule an der Rainvilleterrasse in Altona lehrt Marketing und Markenkommunikation. Und dazu gehört, dass ein hochpreisiges Produkt eine gute Geschichte braucht.

Die von The Wolf, dem Brand, mit dem die junge Firma im Herbst 2014 startete, geht so: Wolfgang Fichtl, der Vater der Fichtl-Brüder, zieht sich in den 1990er-Jahren – nach einer Karriere mental ausgebrannt – zurück, tüftelt mit einem Brennmeister an einer aus Riesling Spätlese destillierten Spirituose und sagt seinen Söhnen 15 Jahre später: „Macht was draus.“ Mittlerweile wird The Wolf unter anderem im Alsterhaus und im Berliner Edelkaufhaus Lafayette verkauft und steht in Restaurants und Bars wie Le Canard, Louis C. Jacob, Sansibar, Henricks und Trific für acht bis zehn Euro für die Kornglasmenge 2 cl auf der Karte. Die 0,7-Liter-Flasche kostet im Handel 129 Euro, neuerdings gibt es eine halb so große Flasche für 69 Euro.

Zehn Liter trinkfertige Spätlese werden für einen Liter Brand destilliert, die Flaschen sind edel, handnummeriert und rar. „Pro Jahr lassen wir drei bis vier Chargen zu jeweils 200 Flaschen fertigen“, sagt Julian Fichtel. Viel zu verdienen sei wegen des hohen Aufwands mit The Wolf nicht. Aber er hat die Gründer gelehrt, dass Marketing auch „Klinken putzen“ bedeuten kann, wie Lukas Porschen seine Besuche bei potenziellen Kunden in der Gastronomie nennt. „Anrufen oder Mails schreiben bringt gar nichts. Man bekommt keine Antwort“, weiß er inzwischen. „Wenn man kurz vor Geschäftsöffnung einfach mit einer Flasche in der Hand hingeht, läuft es meistens ganz gut.“

Solche Erkenntnisse helfen auch bei der Einführung der zweiten Weissbrand-Marke. Sie ist seit Herbst 2015 auf dem Markt, heißt Birds und wird aus einem Riesling-Qualitätswein von der Mosel gebrannt. Birds enthält die Aromen von zwölf Botanicals, also Früchten, Kräutern und Gewürzen – und erhält Lob von höchster Stelle. „Es verdient allergrößten Respekt, wie da der Weinbrand mit seinem Altherren-Image modernisiert wird. Ich kann mir vorstellen, dass andere Firmen sich auch bald Gedanken darüber machen werden“, sagt Julia Nourney, Deutschlands wohl renommierteste unabhängige Spirituosenexpertin. „Es gibt im Moment sehr viele schnieke neue Produkte. Da ist auch Mist dabei.“ Birds fällt für sie nicht in diese Kategorie. „Damit kann man toll mixen“, weiß Nourney, seitdem sie bei der Spirituosen-Messe Hansespirit in den Messehallen am Weissbrand-Stand vorbeigeschaut hat.

Für die Weissbrand-Macher sind solche Messeauftritte ein Marketinginstrument von vielen. Sie sind mit einer mobilen Bar bei Events unterwegs, haben unter anderem die beiden am besten sortierten Spirituosengeschäfte Hamburgs überzeugt – und putzen Klinken in angesagten Bars in ganz Deutschland. Die Barkeeper entwickeln mit Birds neue Cocktails, Weissbrand veröffentlicht die Mixanleitungen auf seiner Internetseite.

50.000 Euro Umsatz hat die Firma 2015 gemacht, sagt Lukas Fichtl. Im Business-Plan stehen für dieses Jahr 200.000 bis 300.000 Euro. Derzeit sind zwei der vier Gründer Vollzeit mit The Wolf und Birds beschäftigt, vom Sommer an werden es drei sein. Mit der Markteinführung von Birds hat die Firma Räume im Artushof in St. Georg bezogen. Dort werden die 0,5-Liter-Flaschen mit der unverbindlichen Preisempfehlung von 39 Euro von Hand etikettiert und nummeriert. Pur kann man den zweiten Weissbrand zwar auch trinken, doch gedacht ist er als Cocktailspirituose. Man kann ihn auch mit Tonic mixen. Wie einen Gin.