Hamburg . Immer mehr Kinder bringen Kopfhörer mit in die Schule. Lehrer haben nichts dagegen, denn viele können sich dann besser konzentrieren.

Im Großraumbüro sind sie längst gang und gäbe. Auch in der Bahn oder im Bus sieht man sie immer häufiger. Wenn der Lärm­pegel steigt, werden sie aus der Schub­lade oder Jacken­tasche gekramt und schaffen schnell Abhilfe: Lärmschutzkopfhörer in allen Formen, Farben und Größen. Wer sie trägt, ist sofort in einer anderen Welt, in der das Geplapper vom Nebentisch oder der dauertelefonierende Nachbar nicht mehr zu hören ist. Endlich Ruhe.

Seit einiger Zeit gibt es die bunten Lärmschutzkopfhörer aber immer häufiger auch in den Klassenzimmern der Hamburger Grundschulen. Besonders für diejenigen, bei denen die eigene Schulzeit schon ein wenig länger her ist, mag es befremdlich klingen, dass Schüler mit großen Kopfhörern auf den Ohren an ihren Klassentischen sitzen.

Bessere Konzentration durch Kopfhörer

Birgit Kopetsch, stellvertretende Schulleiterin an der Grundschule an der Isebek – auch Ziegenschule genannt –, kann die Hintergründe erklären. „Bei uns kommen die Kopfhörer oft in Stillarbeitsstunden zum Einsatz“, so Kopetsch. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich die Kinder oft besser konzentrieren können, wenn sie die Kopfhörer tragen und Ruhe haben“, so Kopetsch weiter. Wie oft sie zum Einsatz kommen, sei von Klasse zu Klasse unterschiedlich. „Aber man kann schon sagen, dass sie grundsätzlich sehr begehrt sind“, so die Pädagogin.

Teilweise würden die Eltern die Kopfhörer selber beschaffen, in anderen Fällen hätten das auch schon Lehrer mit einer Sammelbestellung übernommen. Einen Zusammenhang zu einem möglicherweise erhöhten Lärmaufkommen sieht Kopetsch nicht. „Da haben wir aktuell keine Probleme.“

Neue Lernformen im Unterricht begünstigen Einsatz

Dass die Kopfhörer in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden sind, hängt auch damit zusammen, dass sich die Art des Unterrichtens an vielen Schulen geändert hat. „Das Stichwort lautet individualisiertes Lernen“, erklärt die Hamburger Schulpsychologin Susanne Neubert. „Der Unterricht läuft heute ja nur noch in bestimmten Phasen so ab, dass der Lehrer vorn steht und etwas erklärt“ , sagt Susanne Neubert.

Vielmehr würden die Schüler häufig selbstständig an unterschiedlichen Aufgaben arbeiten. Konkret könne es sich so darstellen, dass ein paar Schüler zusammen in der Gruppe arbeiten, ein anderer etwas mit dem Lehrer oder Sozialpädagogen bespricht und wieder ein anderer am Nebentisch in Ruhe einen Text lesen möchte.

„In solchen individuellen Lernsituationen kann es sinnvoll sein, die Kopfhörer zu benutzen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich Kinder dann besser konzentrieren können“, so Neubert. Ein weiterer Vorteil aus ihrer Sicht: „Durch das Tragen der Kopfhörer senden die Schüler an ihr Umfeld das klare Signal, dass sie sich gerade konzentrieren und nicht gestört werden möchten.“

Einsatz der Kopfhörer auf freiwilliger Basis

Auch für sogenannte reizoffene Schüler, die sich besonders leicht ablenken lassen, seien die Kopfhörer von Vorteil. Durch ihre Tätigkeit an der Regionalen Beratungs- und Unterstützungsstelle in Eimsbüttel weiß die Schulpsychologin, dass die Schule an der Isebek kein Einzelfall ist. „Ich kenne viele Grundschulen im Bezirk, die die Lärmschutzkopfhörer auf freiwilliger Basis anbieten“, so Neubert weiter.

Auch in der Katharinenschule in der HafenCity stehen für die Kinder der Klassen eins bis vier Lärmschutzkopfhörer zur Verfügung. Schon vor einigen Jahren wurden die Kopfhörer – von manchem auch Mickymäuse genannt – von der Schule angeschafft. „Wir benutzen sie allerdings nur in Absprache mit den Eltern und Kindern“, sagt die kommissarische Schulleiterin Swantje Wosegien. „Es gibt Klassen, in denen mehrere Schüler den Lärmschutz in Stillarbeitszeiten nutzen, in anderen ist der Bedarf gar nicht da. Ob sie zum Einsatz kommen, hängt immer auch damit zusammen, ob es in der Klasse pädagogisch sinnvoll ist. Das entscheiden dann die jeweiligen Lehrer“, so Wosegien weiter. Grundsätzlich habe man gute Erfahrungen damit gemacht. „Viele Kinder empfinden es sogar als Privileg, die Kopfhörer zu tragen.“

Ein ganz neues Phänomen seien die Kopfhörer allerdings nicht. „Schon vor mehr als zehn Jahren, als ich angefangen habe, im Schuldienst zu arbeiten, waren sie hier und da im Einsatz.“

Bei der Elternkammer Hamburg waren die Lärmschutzkopfhörer bisher noch kein Thema. Geschäftsführerin Jeannine Stangenberg kennt die „Mickymäuse“ jedoch noch aus der Grundschule ihres Sohnes an der Bandwirkerstraße in Wandsbek und weiß zu berichten: „Mein Sohn hat die Kopfhörer immer sehr gerne getragen, weil er sich damit besser konzentrieren konnte“, so Stangenberg. „Und außerdem war der Einsatz ja immer freiwillig.“