Hamburg. Zunahme der Taten lässt Nachfrage nach Sicherheitstechnik steigen. In Hamburg gab es 2015 gut achtmal so viele Taten wie in München.

Die Einbruchskrimi­nalität beschert der Hamburger Sicherheitsbranche einen beispiellosen Boom. Während die Zahl der Einbrüche in der Hansestadt seit Jahren steigt und steigt, verzeichnen die Anbieter von Sicherheitstechnik und Sicherheitsdienstleistungen Rekordumsätze.

Die Hamburger Firma Hauschildt & Blunck (rund 300 Mitarbeiter) hat 2015 nach eigenen Angaben 35 Prozent mehr Aufträge aus dem Privatbereich erhalten als im Jahr zuvor. „Für die Sicherheitsbranche sind goldene Zeiten angebrochen“, sagt Firmenchef Niels Blunck. Andere Sicherheits- und Wachfirmen, die ihre Dienste im Großraum Hamburg anbieten, schildern dem Abendblatt die Situation ähnlich.

Kommentar: Von München lernen?

Zwar verdienen die Security-Firmen das meiste Geld mit dem Schutz von Firmen- und Geschäftsgebäuden. Doch sei das Auftragsvolumen auch bei Privatkunden deutlich gestiegen, sagt Blunck. Aus Kundengesprächen habe er erfahren, dass viele Menschen schon aktiv werden, wenn in ihrer Nachbarschaft oder bei Verwandten eingebrochen wurde. „Viele sagen dann: Oha, ich muss dringend etwas tun.“

Die Zahl der Einbrüche ist 2015 in Hamburg um 20,2 Prozent auf 9006 Taten gestiegen. In wenigen deutschen Städten war die Zunahme so hoch. Nur Düsseldorf (plus 24 Prozent), Essen (22,6 Prozent) und Dortmund (21 Prozent) schnitten noch schlechter ab.

So wundert es nicht, dass die Hamburger bei Sicherheitsunternehmen besonders den Einbau von Einbruchmeldeanlagen nachfragen. Zudem wollten Hauseigentümer immer häufiger, dass eine Streife ihre Wohngebäude überwacht. Es sind vor allem gut betuchte Kunden, die diesen Service nutzen. „Wir sind im Privatkundenbereich in den Elbvororten, rund um die Alster, in Winterhude und Pöseldorf im Einsatz“, sagt Blunck.

Auch Power, eines der führenden Sicherheitsunternehmen in Hamburg, verzeichnet einen Anstieg der Aufträge im privaten Bereich seit Mitte 2015 in den Elbvororten, den Walddörfern und rund um die Alster. „Das sind die drei Gebiete, in denen wir in Hamburg aktiv sind“, sagt Geschäftsführer Carsten Klauer. Angeboten werden Streifenfahrten und Sicherheitstechnik, beispielsweise Alarmanlagen und Videoüberwachung, die bei Auslösung direkt mit der firmeneigenen Einsatzzentrale verbunden werden. Klauer: „Wir überlegen derzeit, ob wir unser Betätigungsfeld weiter auf den Bereich Wandsbek ausdehnen.“

Sicherheitsdienste sind in Hamburg schon seit Jahren Bestandteil des Sicherheitskonzepts. 2002 schloss der damalige Innensenator Udo Nagel mit dem Landesverband der Wach- und Sicherheitsunternehmen eine „Vereinbarung über ein Zusammenwirken zur Stärkung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“. So wollte man unter anderem „Gefahren frühzeitig erkennen“ und „das Entdeckungsrisiko für Straftäter erhöhen“.

Doch es sind nicht nur die Wachdienste, die vom aktuellen Trend profitieren, sondern auch die auf Sicherheitstechnik spezialisierten Geschäfte. „Das Geschäft brummt“, sagt Thies Hartmann, Chef der Hamburger Stahltresor GmbH am Steindamm. 2015 habe sein Unternehmen ein Umsatzplus von rund 15 Prozent erwirtschaftet. Immer mehr Kunden würden in hochwertige Systeme investieren.

Preislich gibt es in seinem Sortiment von Stahlschränken große Unterschiede: Tresore, die schon einen gewissen Schutz bieten, sind ab 400 Euro zu haben. Hartmann hat aber auch die Deluxe-Variante im Angebot: voll verpanzerte Räume, die um die 40.000 Euro kosten.

Die Bereitschaft, in die eigene Sicherheit zu investieren, spiegelt sich auch in der Statistik des Bundesverbands für Sicherheitstechnik (BHE) wider. Seit Jahren eilt die Branche von einem Rekordumsatz zum nächsten. 2014 wurden 3,2 Milliarden Euro mit Sicherheitstechnik umgesetzt. Vor allem Videoüberwachung, Brandmeldetechnik, Sprachalarmsysteme und Zutrittssteuerung sind gefragt.

Auch Branchenprimus Securitas registriert eine steigende Nachfrage nach Sicherheitsdienstleistungen. Für die steigenden Umsätze seien derzeit vier Faktoren maßgeblich, sagt Securitas-Sprecher Bernd Weiler: „Das erhöhte Passagieraufkommen an den Flughäfen, die Dimension des Flüchtlingszustroms, die subjektiv erhöhte Gefahrenlage nach diversen Terroranschlägen und natürlich die stetig steigenden Einbruchszahlen.“

Wie groß das Problem in Hamburg gegenwärtig ist, zeigt ein genauerer Blick auf die Einbruchszahlen. Pro 100.000 Einwohner hat die Hamburger Polizei 510 Einbrüche erfasst. In Berlin sind es – trotz nahezu doppelt so vielen Einwohnern – lediglich 340. Allen Grund neidisch zu sein haben beide Städte beim Blick nach Süden. Musterschüler in Sachen Einbruchsbekämpfung ist nämlich München. Dort ist die Zahl der Einbrüche im vergangenen Jahr nach Informationen des Abendblatts im Vergleich zum Jahr 2014 um gut 22 Prozent auf 1108 zurückgegangen (Hamburg hatte mit 9006 gut achtmal so viele), pro 100.000 Einwohner liegt sie in München bei 77. München stellt erst in wenigen Wochen die Statistik vor.

Ähnlich ist die Lage in Stuttgart. Dort sank die Zahl der Einbrüche um nahezu 30 Prozent auf 903. Und die Aufklärungsquote stieg von 17,6 Prozent auf 28 Prozent. Die Ergebnisse in beiden Städten basieren auf der hohen Personalstärke und Kontrollaktivität der Polizei. „Diese Zahlen zeigen also eindeutig, dass es geht“, sagt Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion. „Man muss vor den Einbrechern nicht kapitulieren, wie Rot-Grün es tut.“ 40 Stellen mehr bei den Zivilfahndern seien „unabdingbar“. Dass mehr Personal hilft, zeigen aber nicht nur die Zahlen aus München und Stuttgart. Auch in Hamburg hat die Polizei Erfolge vorzuweisen. Die seit August eingesetzte Soko „Castle“ hat 24 Serien mit 217 Taten aufgeklärt und 87 Festnahmen veranlasst. Die Aufklärungsquote der Sonderkommission liegt bei 53,7 Prozent.

Die CDU setzt auch auf Abschreckung, etwa durch härtere Strafen. Dazu solle der häufig in Gerichtsverfahren gegen Einbrecher angewandte minderschwere Fall abgeschafft werden und der Wohnungseinbruchdiebstahl in den Katalog der schweren Straftaten aufgenommen werden. Gladiator fordert zudem, die Polizei technisch besser auszurüsten. „Der Staat darf technisch und strukturell nicht hinter dem ‚Fortschritt‘ der Kriminalität zurückbleiben.“ Ähnlich äußert sich auch Jan Reinecke, der Hamburger Landeschef des Bunds Deutscher Kriminalbeamter (BdK): „Unter anderem muss der Datenaustausch mit anderen Länderpolizeien, der Bundespolizei und dem BKA dringend verbessert werden.“