Hamburg. Auf einem Brachgelände sollen im Herbst 600 Sozialwohnungen für Geflüchtete entstehen. Bürgerinitiativen protestieren gegen die Pläne.
Es ist das zweitgrößte Bauvorhaben für Flüchtlinge in Hamburg und soll nun in einem Eilverfahren realisiert werden: Auf einer acht Hektar großen Brachfläche am Hörgensweg in Eidelstedt sollen bis zu 600 Sozialwohnungen entstehen, in denen zunächst Flüchtlinge wohnen sollen. Maximal 3000 Menschen aus Krisenregionen der Welt werden auf dem Gelände Platz finden. Bereits im Herbst sollen die Bagger anrollen. Zudem sollen weitere 200 Sozialwohnungen auf dem Baugebiet für Hamburger Bürger entstehen.
Auf der Fläche einer ehemaligen Gärtnerei, die durch die Autobahn 23 und die AKN Trasse begrenzt wird, sollen für maximal 15 Jahre Flüchtlinge die neu gebauten Sozialwohnungen beziehen. Das Areal soll an die Hamburger Wohnungsbaufirma PGH verkauft werden, die die Wohnungen an das städtische Unternehmen „Fördern & Wohnen“ (f&w) vermieten wird.
Im Sommer 2017 sollen die ersten Flüchtlinge einziehen
„Wir können voraussichtlich bereits im Sommer eine Baugenehmigung erteilen, weil wir die Sonderregelung des Bundes nutzen können, die der Unterbringung von Flüchtlingen dient“, sagt Eimsbüttels Bezirksamtschef Torsten Sevecke (SPD). „Dadurch sind wir ein gutes Jahr schneller als bei einem normalen Bebauungsplanverfahren.“ Baustart soll bereits im Herbst sein. Im Sommer 2017 sollen die ersten Flüchtlinge in die Wohnungen einziehen.
Hintergrund des Projekts ist die Forderung des Senats, dass jeder Bezirk eine acht Hektar große Fläche nennt, auf der Unterkünfte für Flüchtlinge „mit der Perspektive Wohnen“ errichtet werden können.
Am Mittwochabend um 18 Uhr lädt das Bezirksamt Eimsbüttel die Bürger zu einer Informationsveranstaltung in die Julius-Leber-Schule (Halstenbeker Straße 41) ein, um das Projekt vorzustellen.“Wir wollen die Bürger frühzeitig in das Bauvorhaben einbinden und ihnen in Workshops die Möglichkeit bieten, mitzugestalten“, sagt Sevecke. Trotz der gebotenen Eile solle die umfassende Bürgerbeteiligung im gewohnten Umfang erfolgen.
Die Größe der Unterkunft wird skeptisch gesehen
Gemeinsam mit Stadtplanern können die Eidelstedter etwa die Gestaltung der Plätze auf dem Areal und Anordnung der Gebäude mitbestimmen. Zudem ist ihre Meinung bei der Entscheidung gefragt, wo ein Spielplatz entstehen könnte und welche sozialen Einrichtungen oder Läden es in dem neuen Quartier geben sollte.
Dass das Bauvorhaben nur auf Zustimmung trifft, damit rechnet die Behörde nicht. „Es gibt erhebliche Skepsis hinsichtlich der Größe – das verstehe ich auch“, räumt Torsten Sevecke ein. „Bei der Auftaktveranstaltung am Mittwoch mit den Bürgern werden wir intensiv darüber reden, welche Größe für den Stadtteil verträglich ist.“ Eine kritische Diskussion sei unbedingt erwünscht. Die Vorstellung der Bürgerinitiativen, die keine Sozialwohnungen und generell höchstens 100 Wohnungen auf der Fläche wollen, sei jedoch inakzeptabel. Die letzte Entscheidung über die Größe obliegt ohnehin dem Stadtplanungsausschuss.
Areal befindet sich zwischen zwei Saga-Siedlungen
Die Bedenken der Bürgerinitiativen vor Ort, mit dem das Bezirksamt bereits Gespräche geführt hat, sind enorm. Die im Februar gegründete Initiative „Sozial gerechtes Eidelstedt“ fürchtet, dass der Stadtteil mit der geplanten Unterkunft am Hörgensweg in einem bereits sozial schwachen Umfeld völlig überfordert wird. Sie fordert, dass Eidelstedt verschont bleibt und Flüchtlingsunterkünfte über die anderen Stadtteile in Eimsbüttel verteilt werden. Auf ihrer Homepage heißt es: „Wir setzen uns für ein friedliches und soziales Zusammenleben der Bevölkerung in Eidelstedt ein, das heißt: Keine Ausgrenzung durch Schaffung sozialer Brennpunkte, sondern Einbeziehung durch vernünftige Stadtplanung.“
Torsten Sevecke ist sich der Problematik des Standorts bewusst. Die Fläche in Eidelstedt – dem Stadtteil im Bezirk mit der höchsten Arbeitslosenquote – befindet sich zwischen zwei bereits bestehenden Saga-Siedlungen. „Es gibt sicher Gegenden, bei denen das soziale Umfeld besser ist“, sagt er. Das sei der Grund dafür, dass es bei dem Bauprojekt „soziale Begleitmaßnahmen“ gebe. Sevecke: „Das ist sehr ungewöhnlich, aber auch unbedingt notwendig.“
Wohnquartier sei eine große Herausforderung
Zum einen ist Eidelstedt jüngst vom Senat zu einem Fördergebiet erklärt worden. Mit Mitteln des Rahmenprogramms Integrierte Stadtteilentwicklung (RISE) soll die Aufenthaltsqualität künftig verbessert werden. Hintergrund ist, dass es in Eidelstedt überdurchschnittlich viele Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, Kinder von Alleinerziehenden, Hartz-IV-Empfänger, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger gibt.
„Zum anderen laufen bereits Gespräche mit der Schulbehörde, mit Schulleitern, Kindertagesstätten und Sportvereinen, um Flüchtlinge besser zu integrieren“, sagt Sevecke. Das neue Wohnquartier sei eine große Herausforderung für Anwohner und Bezirkspolitik. „Wir haben uns diese gesellschaftliche Aufgabe nicht ausgesucht, aber wir gehen sie gemeinsam an.“
Eimsbüttel braucht dringend Sozialwohnungen
Nicht zuletzt hatte Eimsbüttel lange Zeit Schwierigkeiten, überhaupt geeignete Flächen für Flüchtlingsunterkünfte zu finden, vor allem für größere Unterbringungen. Die Fläche am Hörgensweg erfüllt laut Behörde viele wichtige Kriterien. Sevecke: "Sie ist verfügbar, gut angeschlossen und angebunden. Gerade weil die neue S21-Haltestelle Hörgensweg in etwa zwei Jahren in Betrieb genommen wird, handelt es sich um einen sehr guten Standort.“
Trotz der sinkenden Zahl der Flüchtlinge, die nach Hamburg kommt, hält Torsten Sevecke die Errichtung von Wohnungen für Flüchtlinge nicht für überflüssig. „Wir haben jetzt eine Atempause – aber es gibt keinen Grund für Entspannung. Denn wir wissen nicht, wie sich die Situation an den Außengrenzen entwickelt“, sagt er. Aber in jedem Fall würde der Bau der maximal viergeschossigen Wohnhäuser am Hörgensweg Sinn machen. „Denn Eimsbüttel braucht dringend Sozialwohnungen“, sagt Sevecke. Er will vorbereitet sein. „Warten, bis es Probleme gibt, will ich nicht.“