Hamburg. Umweltbehörde stellt Baumkataster im Internet vor. Dort kann jeder sehen, was für Gewächse an allen öffentlichen Wegen stehen.

So ganz sicher war auch der Umweltsenator im Umgang mit seinem neuen „Spielzeug“ noch nicht. Als Jens Kerstan (Grüne) am Dienstag im Rathaus das neue Online-Baumkataster vorführte, stutzte er selbst. 216.137 Straßenbäume sollen 1890 gepflanzt worden sein? „Das kann doch nicht stimmen.“ Doch die Zahl stimmte – denn Kerstan hatte nicht nur nach dem Jahr, sondern nach dem Zeitraum von 1890 bis 2015 gefragt.

Nächster Versuch. Wie viele Apfelbäume gibt es an Hamburgs Straßen? „1482“, freute sich der Senator über die prompt dargestellte Zahl und ließ sich die Standorte der Bäume sogleich auf einer interaktiven Stadtkarte anzeigen. Jetzt noch die Mammutbäume – ja, auch so etwas gibt es in Hamburg. Aber nicht unter „M“ in der Liste der „Gattungen“. Der Vorführeffekt, zum Verzweifeln. „Jan, wie heißen noch mal die Mammutbäume?“, fragte der Senator seinen Sprecher Jan Dube. „Sequoias.“ Aha, also unter S? Nein, auch Fehl­anzeige. Aber dort, unter K wie Küsten-Mammutbaum, da ist er: Ein Exemplar steht davon in Hamburg, 1960 an der Straße Rönneburger Freiheit im Stadtteil Rönneburg gepflanzt, inzwischen mit zwölf Metern Kronendurchmesser und stattlichen 1,66 Metern Stammumfang. Nun war Kerstan zufrieden: „Man muss das ein bisschen ausprobieren. Dann bekommt man mit wenigen Klicks Infos zu den einzelnen Straßenbäumen, etwa der Linde vor dem eigenen Fenster oder der alten Eiche an der nächsten Bushaltestelle.“

Der Umweltsenator, der die Ausgaben für neue Straßenbäume von 500.000 auf 1,5 Millionen Euro erhöht, also verdreifacht, geht davon aus, dass er mit dem neuen Baumkataster eine „Herzensangelegenheit vieler Bürger“ anspricht, schließlich wird den Hamburgern traditionell ein inniges Verhältnis zu ihrem Stadtgrün nachgesagt. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Kataster:

Wie finde ich das Baumkataster, und welche Informationen gibt es dort?
Unter www.hamburg.de/strassenbaeu me-online ist das Kataster für jedermann kostenlos zugänglich. Von den rund 240.000 Hamburger Straßenbäumen sind dort 225.000 Einzelbäume erfasst. Für Bäume in Parks, Wäldern und auf privaten Grundstücken in Hamburg liegen vergleichbare Daten nicht vor.

Wie funktioniert das Kataster?
Ganz einfach: Wer auf „Filter“ klickt, kann in einem Suchfenster nach Gattungen, Baumarten, Pflanzjahr, Kronendurchmesser und Stammumfang suchen. Der Standort der Bäume mit genauer Adresse wird in einem interaktiven Stadtplan angezeigt. Wer will, erfährt etwa, dass an Hamburgs Straßen 48.874 Eichen stehen, von denen 16 Exemplare einen Stammumfang von mehr als fünf Metern haben.

Wie viele Baumarten wachsen an Hamburgs Straßen?
Mehr als 300 – von A wie Ahorn bis Z wie Zypresse. Die häufigsten Baumarten sind Linden, Eichen, Ahorn, Hainbuchen und Platanen.

Welches sind die ältesten Bäume?
Laut Umweltbehörde steht der älteste dokumentierte Straßenbaum am Albertiweg im Bezirk Altona: Die mächtige Eiche (Quercus robur) stammt von 1720. Laut Baumkataster wurde im selben Jahr eine Eiche an der Cuxhavener Straße (B 73) nahe der heutigen A-7-Anschlussstelle Heimfeld gepflanzt. Auch Hamburgs ältester Baum insgesamt steht südlich der Elbe: eine 850 Jahre alte Eibe am Neuländer Elbdeich im Bezirk Harburg. Sie stammt wahrscheinlich aus der Zeit der ersten Eindeichung im 12. Jahrhundert und ist im Baumkataster nicht erfasst.

Was bringen Bäume für das Klima?
Ein 100 Jahre alter Baum (20 Meter hoch, zwölf Meter Kronendurchmesser) verarbeitet nach Angaben der Umweltbehörde an einem Sonnentag 18 Kilogramm Kohlendioxid. Für eine Tonne Holz entziehe er der Atmosphäre rund 1,8 Tonnen Kohlendioxid und speichere dabei eine halbe Tonne Kohlenstoff im Holz.

Was kostet ein Straßenbaum?
In der Regel sind für Baum, Pflanzung und die Betreuung beim Anwachsen rund 1000 Euro fällig. Je nach Baum und Standort steigt die Summe auf 5000 bis 10.000 Euro.

Können die Bürger Bäume spenden?
Ja. Die Aktion „Mein Baum – Meine Stadt“ wird fortgesetzt. Unter www.hamburg.de/mein-baum-meine-stadt können Bürger auf einer interaktiven Karte freie Pflanz­standorte wählen und dann gegen eine Spende von 500 Euro „ihren“ Baum pflanzen lassen – den Rest der Kosten trägt die Stadt. Betreut wird die Aktion von der Loki-Schmidt-Stiftung. Bislang sind 1170 Bäume gespendet und rund 1000 gepflanzt worden.

Was sagt die Opposition zu den Maßnahmen des Umweltsenators?
Kurt Duwe (FDP) unterstützt das Bemühen um die Straßenbäume, schlägt aber einen anderen Ansatz vor: „Sich krampfhaft auf Standorte zwischen Fußweg und Straße zu konzentrieren wird zwar die Statistik im Baumkataster schönen, aber nur suboptimale Umweltverbesserungen nach sich ziehen.“ Stattdessen sollte es der Senat den Grundstückseigentümern ermöglichen, ehemalige Straßenbäume auch in Vorgärten zu pflanzen: „Hier finden die Bäume nicht nur bessere Lebensbedingungen, es wäre auch deutlich günstiger für die Bevölkerung, da die Eigentümer auch die Pflege des Baumes übernehmen könnten.“

Stephan Jersch (Linkspartei) kritisierte, dass der Senat den Verlust von Straßenbäumen nur verlangsamen will: „Kerstans Programm ist nichts anderes als das Eingeständnis, dass Hamburg (asphalt)grauer wird.“ Dora Heyenn (parteilos) forderte, für jeden gefällten Straßenbaum Ersatz sowie eine „ausreichende Finanzierung der Baumpflege für die Bezirke“.