Hamburg . Die Messingplatte ist einem kleinen jüdischen Mädchen gewidmet. Der Künstler Gunter Demnig verlegte den Gedenkstein in der Neustadt.

Der 5000. Stolperstein in Hamburg erinnert an ein Leben, das nur 18 Monate dauern durfte. In Gedenken an das jüdische Kleinkind Bela Feldheim setzte der Künstler Gunter Demnig am Dienstag eine Messingplatte in einen Gehweg in der Hamburger Neustadt. Gemeinsam mit Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) wurde im Valentinskamp 46 dem jüdischen Baby und seiner Familie gedacht. Bela Feldheim war 1942 mit ihrer Mutter Ingeborg und ihrer Schwester Ella in Auschwitz ermordet worden. Auch Ingeborg und Ella sowie dem 1941 nach Minsk deportierten Vater Bernhard Feldheim wurden am Dienstag Stolpersteine gesetzt.

Verlegung des 5000. Hamburger Stolpersteins Valentinskamp 46
Verlegung des 5000. Hamburger Stolpersteins Valentinskamp 46 © Marcelo Hernandez

„Wir haben keine Grabsteine“, sagte die Schauspielerin und Autorin Peggy Parnass, deren Eltern vor einigen Jahren auch Stolpersteine gelegt worden waren. „Es ist ein Kraftakt, jahrelang nur für Ermordete da zu sein“, lobte sie den Künstler. Vor 15 Jahren hatte Demnig den ersten Hamburger Stolperstein für die Opfer des Nationalsozialismus gesetzt. Vor der Verlegung eines jeden Steins wird versucht, auch mit den Angehörigen Kontakt aufzunehmen.

Neuer Stolperstein in Eimsbüttel

So reisten am Dienstag auch rund 30 israelische Nachfahren der ermordeten Jüdin Sonia Wechsler nach Hamburg. Für sie wurde ein Stolperstein vor ihrem ehemaligen Wohnhaus im Stadtteil Eimsbüttel verlegt. Sonia Wechsler war 1940 nach Brandenburg an der Havel deportiert und dort ermordet worden. Über das Schicksal seiner Großmutter Sonia sei in der Familie immer geschwiegen worden, erzählte Itamar Wexler. Zusammen mit Ingo Wille von der Stolpersteininitiative Hamburg deckte er die Geschichte auf.

Als Sonias Ehemann und die erwachsenen Söhne und Töchter in der NS-Zeit getrennt nach Palästina flohen, mussten sie ihre Mutter zurücklassen. Diese lebte seit Anfang der 1930er Jahre in psychiatrischen Anstalten, erklärte Wille. „Geisteskranke“ Menschen hätten keine Einreiseerlaubnis nach Palästina erhalten. „Mein Vater und seine Familie haben ihre Schuldgefühle niemals überwunden“, schilderte der 64-jährige Wexler.

App zeigt Standorte der Stolpersteine

An den Forschungen zu den Hamburger NS-Opfern waren nach Angaben der Hamburger Stolpersteininitiative bisher rund 300 Menschen beteiligt. Sogar eine App zeigt die Standorte der Hamburger Stolpersteine. 3000 Biografien dazu sind im Internet und in den 16 Bänden der Reihe „Biographische Spurensuche“ zu finden. Rund 400 Lebensgeschichten wurden ins Englische übersetzt, 300 ins Russische.

56.000 Stolpersteine liegen nach Angaben der Initiative in zwanzig Ländern Europas. Demnig sagte, er reise mehr als zwei Drittel des Jahres mit seinem Werkstattwagen herum. „Es ist mein Lebenswerk“, sagte der 68-jährige Künstler. „Wir machen das für die Jugend. Zahlen sind abstrakt, aber wenn wir Familienschicksale aufarbeiten, kommen die Menschen zurück ins Bewusstsein.“

Bürgerschaft unterstützt das Projekt seit 2003

Die Idee war 1990 in Köln entstanden, der erste Stein wurde 1995 in der Domstadt verlegt. In Hamburg beschloss die Bürgerschaft 2003, das Projekt zu unterstützen. In anderen Städten wie etwa München heiße es dagegen, nur Tafeln an Hauswänden oder Stelen seien ein würdiges Gedenken, erklärte Ingo Wille. Nun wird dort gerichtlich geklärt, ob die Stadt die Stolpersteine verbieten dürfe.

In Hamburg gäbe es bereits weitere 300 Anmeldungen für Stolpersteine, die Paten mit je 120 Euro privat finanzieren, erläuterte Wille. Meist reagierten die Anwohner freundlich, oft würden sie sogar selbst Paten für den Stolperstein vor ihrem Haus. Einige Menschen würden die Messingplatten sogar regelmäßig putzen und so dafür sorgen, dass sie im Grau der Bürgersteige wieder zum alltäglichen Gedenken anregen.