Tianjin/Hamburg. Europäischer Flugzeugbauer legt Grundstein für neues A330-Auslieferungszentrum in Tianjin. Experte warnt vor Spionage.
Airbus geht einen weiteren Schritt in einen wichtigen Wachstumsmarkt. Der europäische Flugzeugbauer machte gestern den ersten Spatenstich für das Fertigstellungs- und Auslieferungszentrum des Langstreckenjets A330 in Tianjin (China). „Die feierliche Grundsteinlegung setzt einen neuen Meilenstein in der internationalen Präsenz von Airbus und unterstreicht die enge Zusammenarbeit mit unseren chinesischen Partnern“, sagte Airbus-Chef Fabrice Brégier bei der Zeremonie. Rund 150 Millionen Dollar (138 Millionen Euro) investiert der Konzern zusammen mit seinen chinesischen Partnern.
Der Neubau erfolgt in unmittelbarer Nähe zur Endmontagelinie des Mittelstreckenjets A320. Seit 2008 werden in der Hafenstadt als einem von weltweit vier Endmontagestandorten (Hamburg, Toulouse und Mobile/USA) bereits Flugzeuge des Verkaufsschlagers zusammengeschraubt. In den acht Jahren sind es rund 260 Jets gewesen. Das A330-Auslieferungscenter werde von der Nähe zur A320-Produktion profitieren, hieß es. In dem Zentrum sollen die finalen Arbeiten am A330 vorgenommen werden. Die Maschinen werden in Toulouse montiert und dann nach Tianjin geflogen. Dort erhalten die Flugzeuge künftig von den rund 300 Mitarbeitern die Kabinenausstattung, werden lackiert und getestet, ehe die Jets ausgeliefert werden. Im September 2017 soll der erste Kunde seine Maschine in Tianjin erhalten.
Einen negativen Arbeitsplatzeffekt für die Beschäftigten in Europa gibt es laut Konzern nicht. Im Hamburger Werk auf Finkenwerder sind beim größten Arbeitgeber der Stadt 12.500 Beschäftigte angestellt. Die Endmontage mache beispielsweise nur drei Prozent der Wertschöpfung des gesamten Flugzeugs aus, sagte Deutschland-Chef Klaus Richter vor Kurzem dem Abendblatt: „Für die Beschäftigung gibt es sogar einen Hebeleffekt: Ein Arbeitsplatz in China oder den USA sichert drei bis vier in Europa.“ Und allein wegen der Entscheidung für das Investment in Tianjin hätten die Chinesen 75 Maschinen vom Typ A330 bestellt.
Für Brégier ist der Neubau ein „Ereignis von großer Bedeutung“, da in der Millionenstadt das erste Fertigstellungs- und Auslieferungszentrum für Großraumflugzeuge außerhalb Europas entstehe. Auch künftig werde man nach weiteren Möglichkeiten der Kooperationen mit China suchen. Die Volksrepublik gilt als wichtiger Wachstumsmarkt in der Luftfahrt.
Airbus erwartet, dass bis zum Jahr 2034 der Passagierverkehr global um 4,6 Prozent pro Jahr wachsen wird. Für das Reich der Mitte erwartet der MDAX-Konzern ein Wachstum von durchschnittlich 6,9 Prozent im Inlandsverkehr und 6,8 Prozent bei internationalen Zielen. Das langsamer steigende Bruttoinlandsprodukt des bevölkerungsreichsten Landes der Welt sorgt Brégier daher nicht: „Die Wirtschaft wächst langsamer, aber das stimmt nicht für unseren Markt.“ Der Luftverkehr wachse „extrem schnell“, weil sich viele Chinesen mehr Flugreisen leisten könnten, die Mittelschicht wachse und gelockerte Visum-Bestimmungen zu einem Anstieg der Auslandsreisen führte.
Insgesamt erwartet der Konzern, dass in den nächsten 20 Jahren global 32.600 Jets gebraucht werden. Mit 5400 Stück geht nach der Prognose jeder sechste Flieger nach China. Den Löwenanteil sollen mit 3630 Maschinen die Kurzstreckenjets der Kategorie A320 und Boeing 737 machen, den Rest größere Jets. Das Marktvolumen beziffert der Konzern bis 2034 auf 840 Milliarden US-Dollar.
Der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt hält die Expansion in Tianjin allerdings nicht für notwendig. Die vom Staat gesteuerten chinesischen Airlines kauften nicht dort, wo die Maschinen gefertigt werden. Die Aufsplittung der Produktion zwischen Europa und Asien mache die Logistik komplizierter und verlängere die Lieferzeiten. Großbongardt bezweifelt daher, ob das Center sinnvoll ist. „Unter dem Aspekt des Abkupferns sehe ich die Entscheidung sogar eher kritisch“, sagte er. „Es gibt das Risiko, dass Know-how vor allem bei den Arbeitsprozessen abfließen könnte.“ Schließlich liegen die Chinesen beim selbst entwickelten Comac-Jet C919 hinter dem Zeitplan. Laut Insidern wird sich der Erstflug des A320-Konkurrenten mit bis zu 168 Sitzen von Ende 2015 sogar auf 2017 verschieben. In drei Jahren soll der Jet in den kommerziellen Betrieb gehen. Offenbar haben die Chinesen aber Schwierigkeiten bei den Fertigungsprozessen.
Airbus fährt die Rate für den A350 unterdessen hoch. Gestern erhielt Singapore Airlines als fünfter Kunde in Toulouse seinen ersten Großraumjet der Reihe. Insgesamt hat die Fluglinie 67 Exemplare bestellt.