Hamburg. Initiative gegen Großunterkünfte für Flüchtlinge erreicht erstes Etappenziel frühzeitig. Hohe Kosten für Anwälte der Stadt.
Eigentlich hätten sie ein halbes Jahr Zeit gehabt, um 10.000 Unterschriften zu sammeln. Doch die Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“ hat es in nur fünf Tagen geschafft, gut 26.000 Stimmen für ihr Anliegen zu sammeln, mit dem Großunterkünfte für Flüchtlinge künftig verhindert werden sollen.
„Uns hat das sehr überrascht. Das ist eine unglaubliche Zahl“, sagte Klaus Schomacker, Sprecher der Volksinitiative. Sie gebe „Schwung für die Verhandlungen mit dem Senat“. Mit dem wolle man nun schnell in die Gespräche einsteigen und gemeinsam eine Lösung finden: „Unser Erfolg soll nicht dazu dienen, dass wir mit Hurra aufs Volksbegehren gehen. Das kann nicht unser Ziel sein.“ Das Volksbegehren wäre der nächste Schritt, in dem die Initiative innerhalb von drei Wochen 60.000 Unterschriften sammeln müsste. Schomacker kündigte an, das Verfahren vorzeitig zu beenden, wenn es ein Verhandlungsergebnis gebe.
Die Volksinitiative hat vier Ziele
Das Ziel der Volksinitiative besteht im Wesentlichen aus vier Punkten: Danach sollen die Unterkünfte von höchstens 300 Menschen bewohnt werden. Standorte mit mehr als 100 Plätzen sollen mindestens einen Kilometer voneinander entfernt liegen. Kein Flüchtling soll länger als zwei Monate in der Erstunterkunft leben. Außerdem streben die Initiatoren einen neuen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge an.
Schomacker begrüßte das von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am Dienstag vorgestellte Programm, mit dem freie Flächen für Flüchtlingsunterkünfte gefunden werden sollen. Wie berichtet hat Scholz alle Hamburger aufgerufen, sich bei diesem bislang einzigartigen Projekt zu beteiligen. Das mache die Entscheidungen transparenter, sagte Schomacker. Der Dachverband der Bürgerinitiativen werde das Instrument mit Experten nun genau unter die Lupe nehmen. Der Initiativensprecher wiederholte aber auch seine Kritik, dass das Projekt, welches von der HafenCity Universität geleitet wird, Wohnungsbauprojekte von Flüchtlingsunterbringung ausschließe. „Das ist nicht hilfreich.“
SPD und Grüne zeigen sich beeindruckt
Beeindruckt zeigten sich auch die Fraktionschefs Andreas Dressel (SPD) und Anjes Tjarks (Grüne). „Respekt, dass die Initiative in einem solchen Sprint die erste Hürde nimmt“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. „Es war deshalb genau richtig, dass wir frühzeitig den Dialog aufgenommen haben, um nach Möglichkeiten der Verständigung zu suchen.“ Allerdings wiesen sie auf „erhebliche Differenzen“ zur Vorlage der Initiative hin, etwa bei dem Verteilungsschlüssel.
Die Linkspartei hatte das Thema auch zur Aktuellen Stunde der Bürgerschaft angemeldet, und ihre Innenpolitikerin Christiane Schneider übte scharfe Kritik an der Initiative: Deren Ziele stünden in einem „unauflösbaren Widerspruch“ zu Grund- und Menschenrechten. „Würden sie umgesetzt, müsste Hamburg die Tore für Schutzsuchende schließen“, so Schneider. So laufe die Forderung nach maximal 300 Geflüchteten pro Standort darauf hinaus, dass 2016 mindestens 134 neue Standorte gefunden werden müssten: „Das ist jenseits von Gut und Böse.“
Befürchtungen, die Initiative reduziere ein komplexes Problem zu sehr
SPD-Fraktionschef Andreas Dressel betonte, dass jeder Vorschlag zur Flüchtlingsunterbringung willkommen sei, aber: „Jeder Vorschlag muss aufgehen, es darf nicht so sein, dass am Ende jemand nicht untergebracht wird.“ Im Übrigen müsse alle Anstrengung dem Ziel gelten, „einen durchaus polarisierenden Volksentscheid zu vermeiden“.
Auch Katja Suding (FDP) äußerte die Sorge, dass bei einem Volksentscheid ein komplexes Problem auf die Frage „Flüchtlinge: Ja oder Nein?“ reduziert werde. Ansonsten unterstütze sie die Ziele der Initiative und bescheinigte dem Senat, dass seine „Augen-zu-und-durch-Politik“ gescheitert sei.
CDU-Fraktionschef André Trepoll sagte: „Seien wir ehrlich. Die Sache ist entschieden.“ Angesichts von 26.000 Unterschriften in so kurzer Zeit sei die Ablehnung von Großunterkünften seitens der Bürger so deutlich, dass sich der Senat auf die Initiative zubewegen müsse. „Es gibt keinen anderen Weg.“
Unterdessen brachte eine Kleine Anfrage der CDU ans Licht, dass der Stadt allein für das juristische Verfahren um die Flüchtlingsunterkunft Am Anzuchtgarten in Klein-Borstel Anwaltskosten von 72.000 Euro entstanden sind. „Hier wird Geld zum Fenster rausgeworfen“, sagte CDU-Justizexperte Richard Seelmaecker. „Mehr als 72.000 Euro Anwaltshonorar in einem Verfahren, dessen Gerichtskosten sich auf bescheidene 406 Euro beliefen, sind völlig unverhältnismäßig.“