Hamburg. Hamburger Modeschöpferin arbeitet mit Discounter zusammen. Einstige Erfolgsmarken wie Tom Tailor oder Boss stecken in der Krise.

Normalerweise ist Jette Joop mit ihrer schlicht-nordischen Mode in den noblen Warenhäusern oder exklusiven Textilketten zu Hause. Doch nun wagt sich die Hamburger Designerin in ein ganz anderes, eher profanes Umfeld. Am 5. April wird Joop ihre Kreationen in einer Aldi-Filiale an der Düsseldorfer Königsallee präsentieren – mitten zwischen Mineralwasserflaschen, Konservenbüchsen und Klopapier. Im Anschluss gibt es die Blusen, Hosen, Jumpsuits, Handtaschen und Schuhe zu Preisen zwischen 9,99 und 19,99 Euro in den Märkten von Aldi Süd zu kaufen. Beim Schwesterunternehmen Aldi Nord, das alle Filialen des Discounters in Hamburg betreibt, wird es die Kreationen zunächst zwar nicht geben, einer spätere Kooperation ist aber nicht ausgeschlossen.

Für Joop ist der Schritt zum Discounter nicht ohne Risiko für das eigene Renommee, aber durchaus folgerichtig. „Ich habe mich schon vor vielen Jahren der Demokratisierung des guten Designs verschrieben“, sagt die 48 Jahre alte Unternehmerin dem Abendblatt. Dass sie jetzt Kleidung für die Eigenmarke von Aldi Süd entwerfe, „gibt jeder Kundin die Möglichkeit, sich meine Entwürfe leisten zu können und meinen Stil kennenzulernen.“ Aus Sicht von Jette Joop hat ein Teil der Modewelt mittlerweile den Kontakt zur normalen Konsumentin und ihren Bedürfnissen verloren.

Bedingte Kompromisse bei Verarbeitung

Kompromisse bei Verarbeitung und Materialien hat Joop durch die Verbindung mit dem Discounter nach eigenen Worten nur bedingt eingehen müssen. „Aldi Süd legt großen Wert auf Qualität. Wir verwenden Materialien wie Baumwolle und Viskose, die auch sonst bei meinen Kreationen zum Einsatz kommen“, sagt sie. „Den niedrigen Preis erreichen wir vor allem über die hohe Stückzahl.“

Für Aldi geht es mit der Verpflichtung der Designerin darum, vom Image der reinen Billigkette wegzukommen und ein Stück weit zu den normalen Supermärkten aufzuschließen. Insbesondere Aldi Süd experimentiert schon seit Längerem mit einem gehobenen Design in den eigenen Märkten, in einer Testfiliale in der Nähe von München gibt es vom Coffeeshop bis zum elektronischen Rezeptberater diverse Elemente, die nichts mehr mit der spartanischen Einrichtung von einst zu tun haben.

„Mit der Jette-Joop-Kollektion will Aldi ein jüngeres, markenorientierteres Publikum ansprechen und neue Kunden anlocken“, sagt Denise Klug vom Handelsanalysten Planet Retail. Aldi stehe unter Druck. Es gebe in Deutschland kaum noch die Möglichkeit, durch Öffnung neuer Märkte zu wachsen. Der Textilbereich hat für den Discounter eine große Bedeutung. Aldi Nord und Aldi Süd gehören zusammen, nach einem Ranking des Branchenmagazins „Textilwirtschaft“, mit einem Umsatz von über einer Milliarde Euro zu den zehn größten Textilhändlern Deutschlands. Da macht es Sinn, in diesem Bereich das Image zu stärken.

H&M-Aktion als Vorbild?

Vorbild für die jetzige Aktion dürfte die Textilkette H&M sein, die in der Vergangenheit bereits wiederholt mit bekannten Designern wie Karl Lagerfeld, Stella McCartney oder Versace zusammenarbeitete. Der Aldi-Rivale Lidl hatte 2011 eine Schmuckkollektion des schillernden Designers Harald Glööckler im Angebot.

Der Einzug von Designermode beim Discounter zeigt auch, wie sehr sich auch das Modegeschäft in den vergangenen Jahren gewandelt hat. Immer mehr einstige Billiganbieter versuchen, sich höherwertig zu positionieren und machen auf diese Weise den etablierten Marken mit mittleren und gehobenen Preissegment das Leben schwer. Ketten wie Primark genießen bei jungen Kundinnen regelrecht Kultstatus, selbst Berichte über die schlechten Arbeitsbedingungen können ihnen nicht wirklich etwas anhaben.

Als „Erosion von unten“, beschreibt Expertin Ulla Ertelt von der Beratungsgesellschaft HML Modemarketing dieses Phänomen, das noch durch die massiven Überkapazitäten in der Branche verschärft wird. Hinzu kommt die preisaggressive Konkurrenz aus dem Internet.

Krise erreicht Tom Tailor und Gerry Weber

In der Konsequenz sind diverse deutsche Modeketten in die Krise geraten. So hat es die Hamburger Gruppe Tom Tailor im Jahr 2015 nur noch mit Ach und Krach in die Gewinnzone geschafft. Den aus dem Ruder gelaufenen Kosten versuchen die Hanseaten gerade mit einem Sparprogramm Herr zu werden. Bis zu 100 Filialen sollen in diesem Jahr geschlossen werden, in der Verwaltung fallen durch die Aufgabe mehrerer Marken rund 100 Jobs weg.

Noch schlimmer sieht es beim westfälischen Modekonzern Gerry Weber aus. Auch hier regiert der Rotstift. Vorstandschef Ralf Weber will jede Zehnte seiner rund 7000 Stellen streichen und ebenfalls mehr als 100 Filialen dichtmachen. „Wir haben das Filialnetz zu schnell ausgebaut“, sagt Weber. Die Kurskorrektur sei „dringend erforderlich. Die größten Sorgen machen dem Vorstand die Läden in den eher kleineren und mittelgroßen Städten. „Hier gab es einen dramatischen Einbruch bei der Frequenz. Damit haben wir nicht gerechnet.“

Die Krise macht auch vor Premium­anbietern wie Hugo Boss nicht halt. Der bisherige Chef Claus-Dietrich Lahrs hat gerade erst das Handtuch geworfen, weil es ihm nicht gelungen ist, die Probleme des einstigen Erfolgsunternehmens zu lösen. Neben Schwierigkeiten in Asien und den USA machen Hugo Boss auch die Rabattschlachten hierzulande stark zu schaffen.