Hamburg . Trotz des Rauchverbots in Hamburger Speiselokalen lassen viele Wirte ihre Gäste zur Zigarette greifen – und riskieren Bußgeld.
Im Restaurantbereich war eben noch nichts von dem Qualm zu spüren. Dort essen die Gäste Pizza ohne Zigarettenrauch. Im vorderen Bereich, der nur durch einen Vorhang getrennt ist, wabert einem der Tabakgeruch entgegen, obwohl auch dort gegessen wird. Auf den Tischen stehen Aschenbecher, und viele Gäste rauchen. Trotz des Passivraucherschutzgesetzes, das das Rauchen in Restaurants verbietet, wird in diesem Eimsbütteler Lokal gequalmt. Beschwerden darüber erreichen die zuständigen Bezirksämter aber kaum. Vier Jahre nach der letzten Novellierung des Passivraucherschutzgesetzes in Hamburg scheint das Miteinander von Rauchern und Nichtrauchern zu funktionieren.
Das Eimsbütteler Lokal ist kein Einzelfall. Auch in einem Restaurant in Rotherbaum wird zu später Stunde das Rauchen gestattet – ebenso wie in einem Lokal nahe der Schanze und bei einem Italiener am Eppendorfer Baum.
Manchmal fragen die Wirte gegen 22 Uhr, ob jemand etwas gegen das Rauchen habe
In einem Szenelokal im Bezirk Altona riecht es trotz Rauchverbots tagsüber nach kaltem Zigarettenrauch. Manchmal fragen die Wirte gegen 22 Uhr die Gäste, ob jemand etwas gegen das Rauchen habe, und stellen Aschenbecher auf die Tische. Meistens widerspricht niemand. Doch kaum ein Gastronom will zugeben, dass er den Nichtraucherschutz frei auslegt. Denn was sie ihren Gästen gestatten, ist gesetzeswidrig. Auf Konzerten ist die Hemmschwelle zu rauchen trotz Verbots ebenfalls gesunken.
Die Ottenser Wirtin hat es auch so gehandhabt. Das Risiko, erwischt zu werden, nahm sie in Kauf – möglichen Bußgeldern standen Umsatzeinbußen durch das Rauchverbot gegenüber. Zwei Jahre lang funktionierte das auch, bis sich Gäste beim Bezirksamt beschwerten und sie zweimal ein Bußgeld zahlen musste. Aus Angst, die Konzession zu verlieren, habe sie das Rauchen dann untersagt. Die Wirtin: „Die meisten Leute, die abends ausgehen, sind ohnehin Raucher. Im Sommer gehen diese vor die Tür, aber im Winter und bei Regen eben nicht.“ Es sei ungerecht, dass große Gaststätten Möglichkeiten für einen geschlossenen Raucherraum haben, kleinere aber nicht.
„Die Leute wussten irgendwann nicht mehr, ob Rauchen nun erlaubt ist oder nicht“
Ein Eimsbütteler Gastronom erlaubt seinen Gästen das Rauchen immer noch. „Es hat sich so ergeben. Die Leute wussten irgendwann nicht mehr, ob Rauchen nun erlaubt ist oder nicht, weil das Gesetz immer wieder geändert wurde. Ich war irgendwann von der Fragerei so genervt, dass ich es einfach wieder zu später Stunde erlaubt habe“, sagt er. Es habe ihm nicht gefallen, jeden Abend als Hilfspolizist dazustehen und seine Gäste zu maßregeln. Es gebe zu viele Ausnahmen von der Regel. Alle seien verwirrt. Er ist froh darüber, wie es jetzt ist. „Die Gastronomie läuft besser, wenn die Musik laut ist, wenn geraucht und nicht nur Apfelschorle getrunken wird.“ Ob er damit nicht die Nichtraucher vergrault? Die seien nicht so entscheidend. „Auf die großen Gruppen kommt es an, und in denen ordnen sich die Nichtraucher unter.“
Die Nichtraucher scheinen sich damit arrangiert zu haben. Den Verbraucherschutzämtern in den Bezirken liegen wenig Beschwerden über Missachtung des Nichtraucherschutzes vor. Im Bezirk Mitte beklagten vor zwei Jahren noch 33 Hamburger, dass in Gaststätten geraucht werde, während es im vergangenen Jahr nur 16 waren. Elf Bußgelder wurden 2015 verhängt. Die Bußgeldhöhe liegt zwischen 100 und 500 Euro. Beispiel Altona: Dort kontrollierten Mitarbeiter des Verbraucherschutzamts im vergangenen Jahr nur einmal, es gab drei Bußgelder beziehungsweise Verwarnungen. In Eimsbüttel gab es 2013 genau 14 Beschwerden, drei Bußgelder wurden verhängt, ein Jahr später sank die Zahl der Kontrollen auf vier und 2015 auf drei.
Die Bezirksämter kontrollieren bei Bedarf, aber nicht routinemäßig
Das sah 2010 noch anders aus: 239 Beschwerden lagen den Bezirksämtern damals insgesamt vor, die Kontrolleure der Ämter ahndeten 338 Verstöße. Es hatte zwischendurch Gesetzesnovellierungen gegeben. Heute gilt: Getrennte Raucherräume sind in allen Gaststätten mit mehr als 75 Quadratmetern zugelassen, es darf aber kein Rauch in den Nichtraucherbereich dringen. Ob das eingehalten wird, kontrollieren die Mitarbeiter der Bezirke nicht regelmäßig. „In Hamburg gibt es keine Raucherpolizei“, heißt es aus den Bezirksämtern Eimsbüttel und Harburg. Kontrollen erfolgten lediglich, wenn es Beschwerden oder andere Hinweise darauf gibt, dass sich ein Wirt nicht an den Nichtraucherschutz hält, die Kontrollen erfolgten „im Rahmen der personellen Möglichkeiten“.
Und diese personellen Möglichkeiten seien das Problem, sagt Birgit Reichel vom Verein Pro Rauchfrei. „Kontrollen zur Einhaltung des Nichtraucherschutzes müssen auch regelmäßig unabhängig von eingehenden Beschwerden stattfinden. Bei den Bezirksämtern herrscht ein personeller Engpass.“ Die Kontrollen müssten umfassender sein. Dass Gastwirte den Nichtraucherschutz umgehen und entscheiden, das Rauchen zu einer bestimmten Uhrzeit zu erlauben, sei unmöglich: „Das muss im Keim erstickt werden. Der Raum ist kontaminiert, auch wenn ich am nächsten Tag mit einem Kind dieses Lokal besuche“, sagt Reichel. Die Nichtraucher hätten nicht den Mut, Anzeigen zu erstatten.
Aus Sicht des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) funktioniert das Miteinander von Rauchern und Nichtrauchern. Man wisse nichts von Lokalbetreibern, die den Nichtraucherschutz locker handhaben. „Die Branche hat sich mit den novellierten Bestimmungen weitgehend abgefunden“, sagt der Hamburger Dehoga-Hauptgeschäftsführer Gregor Maihöfer. Anfangs hätten viele Betriebe erhebliche Umsatzeinbußen beklagt. „Jetzt gibt es im Unterschied zu früher allerdings mehr ausgewiesene Raucherkneipen.“ Die genaue Zahl ist weder dem Verband noch den Behörden bekannt. Diese Raucherkneipen bieten häufig Sport-Liveübertragungen an.