Hamburg. Drei Frauen brechen kurz vor Weihnachten in ein Haus ein. Die Geschichte der Angeklagten stößt beim Richter auf Unverständnis.

Ein paar Kratzgeräusche, ein Rumpeln und dann das Knarren einer Tür: Einige Augenblicke lang hatte der Mann diesem verdächtigen Lärm aus dem Treppenhaus gelauscht. Als er nun seinen Kopf aus seiner Wohnung steckte und nachsah, erblickte er drei Frauen, für einen Moment in ihren Bewegungen wie festgefroren. Eine war gerade im Begriff, die Türschwelle der Nachbarwohnung zu übersteigen, zwei andere lauerten hinter ihr in Wartestellung. Dann kam Bewegung in das Trio. Bei einem Einbruch ertappt, rannten sie jetzt weg, was das Zeug hielt. Eine stürzte bei dieser überhasteten Flucht, brach sich den Knöchel, blieb mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen und wurde von der Polizei gefasst. Die anderen beiden verschwanden auf Nimmerwiedersehen.

Die 34-jährige Einbrecherin sitzt bei der Verhandlung im Rollstuhl

Etliche Wochen nach dieser Tat vom 23. Dezember plagt Angelina A. (Name geändert) ihr verletzter Fuß immer noch so sehr, dass sie ihn nicht belasten kann und deshalb im Rollstuhl sitzt. Aber noch viel mehr scheint die 34-Jährige die Erkenntnis zu schmerzen, dass es hier und jetzt, im Prozess vor dem Amtsgericht, um ihre Freiheit geht. Mit wehklagender Stimme schildert die zierliche, schwarzhaarige Frau ihre Version der Ereignisse, nach der sie nur durch Zufall und gewissermaßen gegen ihren Willen zur Einbrecherin in einem Mehrfamilienhaus in Als­ternähe geworden sein will.

„Es war doch kurz vor Weihnachten“, schluchzt die angeklagte Frau aus Frankreich. „Ich wollte meine Kinder, die in Wuppertal waren, besuchen und vorher noch Weihnachtsgeschenke für sie kaufen.“ Also habe sie einen Umweg weit nach Norden über Hamburg gemacht, weil man hier beim Betteln erfahrungsgemäß besonders gut Geld verdienen könne. Um 9 Uhr morgens sei sie mit dem Zug angekommen, habe dann innerhalb von rund 20 Minuten etwa 6 oder 7 Euro eingenommen. Eine Ausbeute, die deutlich unter ihren Erwartungen blieb.

In der Kirche habe die Frau ihre Komplizinnen kennengelernt

Also, erzählt die Angeklagte weiter, ging sie nun auf der Suche nach einer barmherzigen Seele, die ihr hoffentlich etwas zu essen schenken würde, in eine Kirche. „Dort habe ich zwei andere Frauen kennengelernt.“ Diese beiden hätten sie überredet, bei einem Wohnungseinbruch mitzuwirken. Dabei habe sie selber nur eine untergeordnete Rolle gespielt, betont die 34-Jährige. Dass sie das Einbruchswerkzeug, einen Schraubendreher, in der Hand hielt, als die Polizei sie festnahm, sei nur ein dummer Zufall. Eine ihrer Komplizinnen habe ihr den verdächtigen Gegenstand zugesteckt, als sie verletzt am Boden lag, und dann gemeinsam mit der Dritten im Bunde die Flucht ergriffen.

Das Leben schreibt bekanntlich die merkwürdigsten Geschichten, doch diese scheint wirklich ziemlich weit hergeholt. Zumal dem Richter Akten vorliegen, nach denen Angelina A. im Verdacht steht, nicht zum ersten Mal so eine Straftat verübt zu haben. Die Französin sei im Zusammenhang mit zwei Wohnungseinbrüchen in anderen Orten „in Erscheinung getreten“, heißt es. Näheres müsse noch ermittelt werden, Anklagen liegen noch nicht vor.

Die 34-Jährige wird zu 14 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt – ohne Bewährung

In diesem Fall in Hamburg indes, da ist sich der Vorsitzende des Prozesses sicher, sprechen die Fakten für sich. Er verurteilt Angelina A. wegen versuchten Wohnungseinbruchs-Diebstahls zu 14 Monaten Freiheitsstrafe. Obwohl die Angeklagte noch nie zuvor verurteilt wurde, könne die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, betont er. Ein solches Vergehen wie das ihre zeige „die höchste Form der Respektlosigkeit vor fremdem Eigentum. Es ist eine ganz hässliche Tat“, redet der Richter der 34-Jährigen ins Gewissen. In die Wohnung anderer eindringen und ihre Habe durchwühlen zu wollen, „sodass die Opfer sich in ihren eigenen vier Wänden nicht mehr sicher fühlen. Manche Leute sind nie wieder in der Lage, ihre Wohnung auch nur noch zu betreten.“ So schwer seien einige Menschen durch das Eindringen in ihre Intimsphäre traumatisiert.

Angelina A. ringt fassungslos die Hände, Tränen schießen ihr in die Augen, als sie realisiert, dass ihre Tat sie ins Gefängnis gebracht hat. „Ihre Story können Sie vielleicht dem Oster­hasen erzählen, aber nicht diesem Gericht“, ärgert sich der Vorsitzende über die lebthafte Aussage der 34-Jährigen. Kaum etwas an der Geschichte sei wirklich glaubhaft, angefangen damit, dass wohl niemand auf dem Weg von Frankreich nach Wuppertal freiwillig einen Abstecher nach Hamburg mache, um zu betteln. Es bestehe vielmehr der Verdacht, dass die Angeklagte „eine reisende Täterin“ sein könnte. Und mal abgesehen davon: 6 oder 7 Euro Einkünfte, wie Angelina A. sie beim Betteln in 20 Minuten bekommen haben will, sei hochgerechnet ein Nettostundenlohn, „den sich so mancher sicher wünschen würde“.