Hamburg. Der 52-Jährige ging durch eine Absperrung und soll einen Polizisten beleidigt haben. Nun muss er eine Geldstrafe bezahlen.

Meist stehen die Menschen einfach da und staunen. Diese Neugier, wenn ein Krankentransport zum schwerwiegenden Problem wird. Wenn ein Kranwagen der Feuerwehr zum Einsatz kommt und eine ganze Straße abgesperrt werden muss – nur damit eine stark übergewichtige Person in eine Klinik gebracht werden kann. Oder wenn sie von dort wieder zurück nach Hause muss, und das wieder zu einer logistischen und Kräfte zehrenden Leistung werden muss. Nicht wenige Passanten halten in so einem Moment inne und gucken zu, als handle es sich um ein aufregendes Schauspiel an einem Filmset.

Der Angeklagte ist vermutlich vieles, aber nicht unauffällig

Doch es gibt auch andere, die ungerührt vorbeieilen. Die vielleicht zu beschäftigt sind oder einfach nicht wollen, dass man sie für Gaffer hält. Und dann gibt es Anton N. (Name geändert). Einen, der besonders ungeduldig war und offenbar ausfallend wurde. Eine Straßensperrung? Galt nach seiner Überzeugung wohl nur für alle anderen, aber nicht für ihn. Und Respekt vor der Polizei? Es sieht nicht so aus, als sei das eine seiner hervorstechenden Eigenschaften.

Unauffällig in der Menge verschwinden zu wollen ist seine Sache nicht. Schon der Hut des 52-Jährigen, ein ungewöhnlich hohes, steifes Modell mit breiten Streifen, zieht die Blicke auf sich, ebenso wie die Tattoos, die der Mann sich auf den Hals hat stechen lassen. Mit herausforderndem Blick und hoch gerecktem Kinn sitzt der kräftige Mann jetzt auf der Anklagebank im Prozess vor dem Amtsgericht, wo er sich wegen Beleidigung verantworten muss. Laut Anklage fauchte er einem Polizeibeamten zu: „Leck mich am Arsch, du Scheiß-Bulle!“

„Für den Transport einer Person sperren Sie eine ganze Straße?“

Doch der Hamburger will eine solche ehrverletzende Bemerkung nie gemacht haben, lässt er über seine Verteidigerin erklären. Er habe in einer Ohlsdorfer Straße sein Wohnmobil geparkt und „wollte wieder dorthin zurück“, sagt er. Auf seiner Strecke gab es einen Feuerwehreinsatz mit Kranwagen, abgesperrt und gesichert durch ein Flatterband. „Sie waren aber schon dabei, den Kran wieder abzubauen.“ Vor ihm sei ein Mann einfach unter dem Flatterband hindurchgegangen, er habe es ihm nachgemacht. „Da kamen drei Polizisten auf mich zu und hielten mich an. Ich sagte, ich parke gleich um die Ecke. Ich kannte mich in der Gegend nicht aus und wollte keinen Umweg machen.“ Doch ein Polizist habe darauf bestanden, dass er kehrt macht. Da habe er im Wegdrehen „Na lecker!“ gesagt. „Ich hätte auch ,So eine Scheiße‘ sagen können. Ich meinte damit, dass ich jetzt einen unnötigen Umweg machen musste.“ Doch der Polizist habe ihn grob an der Schulter gefasst und ihn aufgeregt angezischt: „Ich habe genau gehört, was du gesagt hast.“ Er sei „erstaunt“ gewesen, betont Anton N. „wie der reagiert hat“.

Der Polizist ist indes sicher, dass er die Äußerung des Angeklagten richtig verstanden hat. „Vor allem aufgrund der Gefahrenlage“, erklärt der 34-Jährige als Zeuge, „konnte ich niemanden durch die Absperrung lassen.“ Eine stark übergewichtige Person sollte an jenem Augusttag 2015 nach einem Klinikaufenthalt zurück in die Wohnung im ersten Stock, erklärt er. Dazu war der Kranwagen vonnöten, außerdem mussten wegen der Ausmaße des Patienten Fenster in der Fassade ausgebaut werden. „Und dann hieven ihn mehrere Leute mit Manneskraft rein.“ „Für den Transport einer Person sperren Sie eine ganze Straße?“ staunt die Amtsrichterin. „Ja, das machen wir öfter“, so die Antwort. Und was die Beleidigung betrifft, müsse er sich das nicht bieten lassen, betont er. „Das hat mit Respekt zu tun. Das ist mein Job.“

Am Ende hilft alles nichts und es gibt eine Geldstrafe für den Angeklagten

Die Verteidigerin will es ganz genau wissen. Wie groß die Geräuschbelastung durch den Motor des Kranwagens war, wie weit die Auseinandersetzung von dem Fahrzeug entfernt stattfand und wie viel Meter den Angeklagten und den Zeugen trennten. Ganz exakt, ist der Tenor ihrer Befragung, habe man doch wohl die Bemerkung von Anton N. nicht verstehen können. Doch auch eine andere Polizistin bestätigt als Zeugin, dass sie zumindest den ersten Teil der Beleidigung gehört hat. „Der Mann war zornig, als er das gesagt hat“, ergänzt die 20-Jährige noch. „Es war ein böser Ton.“

Die Staatsanwältin sieht am Ende der Beweisaufnahme den Vorwurf als erwiesen an, die Verteidigerin plädiert dagegen auf Freispruch. Und Anton N. argumentiert noch, dass der Polizist bei der Absperrung unnötig penibel gewesen sei. „Ich bin selber Kranfahrer“, sagt der Angeklagte. „Da weiß ich, wann eine Gefahrenlage besteht und wann nicht mehr.“

Die Amtsrichterin verurteilt den 52-Jährigen am Ende zu einer Geldstrafe von 320 Euro wegen Beleidigung. „Man muss sich als Polizeibeamter wirklich nicht alles bieten lassen“, betont sie. Und dass der Polizist den Angeklagten lediglich falsch verstanden habe, hält sie für ausgeschlossen. Die tatsächliche Bemerkung sei „ein Ausdruck der Missachtung. Und einen Umweg zu gehen ist nun wirklich nicht schlimm.“