Hamburg. Rund 800 Demonstranten waren vor der Ausschusssitzung zunächst vom Gänsemarkt zum CCH marschiert.

Der Saal 2 im Con­gress Center Hamburg (CCH) war gut gefüllt. Rund 1500 Plätze zählt der weitläufige, fensterlose Raum, in dem auch Kanzlerin Angela Merkel schon einmal auftrat. Am Donnerstag hatte der Stadtentwicklungsausschuss der Bürgerschaft zur Anhörung geladen.

Allerdings hatte das es Thema in sich: Wie soll die Stadt Tausende Flüchtlinge dauerhaft unterbringen? Der rot-grüne Senat hat dazu ein spezielles Programm aufgelegt. 5600 sogenannte Expresswohnungen sollen für Flüchtlinge errichtet werden.

Die rund 800 Demonstranten, die vor der Ausschusssitzung zunächst vom Gänsemarkt zum CCH marschiert waren, brachten ihre grundsätzlichen Zweifel gegenüber den Senatsplänen zum Ausdruck. „Integration: Ja! Ghetto: Nein!“ und „Integration statt Olaf-Scholz-Ghettos“ stand auf Plakaten.

Demonstranten halten ein Transparent mit der Aufschrift
Demonstranten halten ein Transparent mit der Aufschrift "Integration Ja" und "Demokratie statt Olaf Scholz Ghettos" vor der Staatsoper hoch © dpa | Lukas Schulze

Nach der Demonstration ging es im CCH turbulent zu. Während der ersten Anhörung im Januar hatten Experten wie der Ex-Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky, und Saga-Vorstand Thomas Krebs vor Großsiedlungen für Flüchtlinge gewarnt. Nun hatten Vertreter von Anwohnerinitiativen das Wort.

Die Ablehnung von Großsiedlungen einte alle 15 Redner

Die Ablehnung der vom Senat geplanten Großsiedlungen einte alle 15 Redner der Initiativen. Zudem wurden ihre Vorträge immer wieder von Beifall begleitet. „Wir wollen das Thema vom Kopf auf die Füße stellen“, sagte der Sprecher des Dachverbands der Bürgerinitiativen, Klaus Schomacker. „Es geht um Integration und nicht um Unterbringung.“ Integration könne nur gelingen, „wenn die Flüchtlinge in kleinen Einrichtungen inmitten der Gesellschaft und nicht am Rande der Stadt“ untergebracht werden würden.

Nach den Worten des Verbandssprechers werden die Flüchtlinge in Hamburg bislang nicht gerecht auf die Stadt verteilt. „Rund 80 Prozent von ihnen werden in 32 von 104 Stadtteilen untergebracht“, sagte Schomacker und fragte: „Ist das eine faire Verteilung?“

Der Chef des Dachverbands plädierte für eine Veränderung des Wohnungsbauprogramms des Senats. Statt bei jedem Neubauprojekt 30 Prozent für Sozialwohnungen frei zu halten, sollte man die Quote auf 25 Prozent senken und weitere 25 Prozent der neu gebauten Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung stellen.

Umstritten ist unter den Bürgern vor allem die Art und Weise, wie die Stadt ihr Wohnungsbauprogramm umsetzen will. Die Betonblöcke mit den hunderten Sozialwohnungen sollen zunächst nicht so genannt, sondern als Flüchtlingsunterkünfte deklariert werden. Stehen die Gebäude, soll ein Bebauungsplanverfahren dieses nachträglich als Sozialwohnung legitimieren.

Christine Hinze, die für die Bürgerinitiative Poppenbüttel sprach, beklagte, dass in größeren Unterkünften auf Grund der Sprachbarriere Menschen kaum Integration möglich sei. Vor allem habe sie bei der Arbeit mit Flüchtlingen erlebt, das Christen von Menschen muslimischen Glaubens unter Druck gesetzt würden.

Sven Blum aus Neugraben-Fischbek verwies darauf, dass 70 Prozent aller Flüchtlinge in Hamburg in Gebieten untergebracht seien, in denen lediglich zehn Prozent der sozialen Infrastruktur wie Ärzte, Kitas und Schulen existiere. So sei geplant, in seinem Stadtteil 23 Schulklassen zu schaffen. „50 Klassen wären aber notwendig.“

Bernd Dörsing von der Bürgerinitiative Billwerder verwies darauf, dass mit dem Bau von rund 800 Wohnungen für bis zu 4000 Flüchtlinge am Mittleren Landweg naturgeschützte Flächen geopfert werden. Der Vertreter des Vereins zum Schutz der Hummelsbütteler Feldmark beklagte: „Die Flüchtlingskrise wird instrumentalisiert, um Grünflächen bebauen zu können.“

Harald Lübckert aus Lurup berichtete, dass für eine Unterkunft im Lise-Meitner-Park 450 Container für mehr als eine halbe Million Euro pro Monat angemietet worden sind. Das ergebe 75 Euro pro Quadratmeter. Bislang stünden die Container leer, da der Brandschutz nicht gewährleistet sei.

Vorwurf mangelnder Dialogbereitschaft

Götz von Grohne von der Bürgerinitiative Eppendorf plädierte dafür, Dachgeschosse auszubauen. Horst Klemeyer aus Eidelstedt beklagte, dass sein Stadtteil schon jetzt sozial belastet sei. Nun sei geplant, dort 3600 Flüchtlinge unterzubringen. Das werde die Probleme vor Ort weiter erschweren.

Vor allem der Vorwurf mangelnder Dialogbereitschaft des Senats hielt sich während der Anhörung hartnäckig, obwohl Bürgermeister Olaf Scholz zuletzt Gesprächsbereitschaft signalisiert. Senatorin Dorothee Stapelfeldt wiederum ließ in ihrem wiederholt von Buh-Rufen unterbrochenen Vortrag keinen Zweifel daran, dass sie den Bau von 5600 Expresswohnungen für Flüchtlinge für alternativlos hält. „Unser Konzept ist der richtige Weg.“

Zudem wiederholte die SPD-Politikerin die Auffassung, in diesem Jahr würden genauso viele Flüchtlinge nach Hamburg kommen wie im vergangenen Jahr. Dabei machte die Senatorin deutlich, dass sie eine Reduzierung des Flüchtlingsstroms durch die Maßnahmen der Bundesregierung nicht erwarte. Im Januar waren in Hamburg deutlich weniger Flüchtlinge angekommen als in den Monaten zuvor. 4044 Flüchtlinge wurden gezählt. Die Zahl der in Hamburg bleibenden Flüchtlinge erhöhte sich von 2168 im Dezember 2015 auf 2334 im Januar 2016.