Hamburg. Als Standort für Forschung und Lehre muss die Stadt sich ehrgeizige Ziele setzen, sagt Katharina Fegebank (Grüne).
Der Traum von Olympischen Spielen ist geplatzt, und der Hafen schwächelt – nicht nur aus diesen Gründen empfehlen viele Experten, dass Hamburg sich viel stärker als Wissenschafts- und Forschungsstandort profilieren sollte. Bei Katharina Fegebank (Grüne) rennen sie offene Türen ein. Im Abendblatt-Interview erklärt die Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin, welche Ziele sie hat und wie ihre Bilanz nach zehn Monaten im Amt ausfällt.
Hamburger Abendblatt: In einem bekannten Schriftstück heißt es, „Hamburg soll zur Wissenschaftsmetropole mit internationaler Anziehungskraft werden“. Erinnern Sie sich, wo das steht?
Katharina Fegebank: Möglicherweise in unserem Wahlprogramm. Oder im Koalitionsvertrag?
Letzteres stimmt. Es ist zehn Monate her, dass dieses Ziel von SPD und Grünen ausgegeben wurde. Wie weit sind Sie gekommen?
Fegebank: Wir sind viele wichtige Schritte gegangen. Die ersten Monate habe ich genutzt, um eine sehr schwierige Ausgangssituation zu ordnen und ein gutes Vertrauensverhältnis zu den Hochschulen zu entwickeln. Das war gar nicht einfach.
Warum nicht?
Fegebank: Es wurde viel übereinander und wenig miteinander gesprochen. An einigen Stellen schien es, als sei das Tischtuch zerschnitten. Es gab zwar den Willen zur Veränderung, aber ohne ein Miteinander nicht den nötigen Wumms, um auch etwas zu erreichen.
Und das ist heute anders?
Fegebank: Ja. Inzwischen gibt es ein vertrauensvolles Miteinander, eine strategische Zusammenarbeit und eine Reihe guter Nachrichten – besonders die positive Evaluation der Naturwissenschaften in Hamburg durch den Wissenschaftsrat, die Vorschläge der Imboden-Kommission zur Neuvereinbarung über die Exzellenz-Initiative und das deutliche Bekenntnis der Wirtschaft zum Wissenschaftsstandort Hamburg. Das gibt uns den Rückenwind, den wir brauchen, um unserem großen Ziel Schritt für Schritt näher zu kommen, Hamburg zu einer Wissenschafts- und Innovationsmetropole mit internationaler Strahlkraft zu machen. Da ist richtig Bewegung drin.
Und wo soll es hingehen?
Fegebank: Wir wollen als Wissenschaftsgemeinschaft glänzen. Der Wissenschaftsrat hat den naturwissenschaftlichen Fächern in Hamburg ein richtig gutes Zeugnis ausgestellt, allerdings auch eine stärkere Vernetzung der Hochschulen mit den vielen sehr leistungsstarken nicht universitären Forschungseinrichtungen empfohlen. Vor einigen Tagen saß ich mit den Hochschulpräsidenten zusammen und habe über eine strategische Neuausrichtung und Kooperationen beraten. Die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, sind mit Geld nicht zu kaufen. Nach den Naturwissenschaften wird der Wissenschaftsrat auch die Geisteswissenschaften evaluieren. Wenn die Ergebnisse vorliegen, werden wir zusammen mit den Hochschulen eine Gesamt-Strategie für den Wissenschaftsstandort erarbeiten. Das ist ein steiniger Weg mit vielen kleinen Schritten, am Anfang aber steht das Bekenntnis, dass wir diesen Weg gehen wollen.
Sie sagen, Geld sei nicht alles. Allerdings hatten die Hochschulen vor der Wahl sehr lautstark mehr Geld gefordert — was Sie damals auch unterstützt haben.
Fegebank: Mehr Geld zu haben ist immer gut. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen erreicht, in dieser Legislaturperiode in einem ersten Schritt 40 Millionen Euro zusätzlich für die Wissenschaft bereitzustellen.
Seither warten alle Beobachter gespannt darauf, wie Sie dieses Geld einsetzen werden.
Fegebank: Wer alles gleichmäßig fördert, erreicht nicht viel. Wir wollen die zehn Millionen Euro jährlich aber so einsetzen, dass sie möglichst viel bewirken. So werden wir mit gut einem Drittel der Mittel die Hochschulen HfBK, HFMT, HCU sowie die Staats- und Universitätsbibliothek strukturell fördern. Mit den restlichen knapp zwei Dritteln werden wir die großen anderen Hochschulen — also Universität, Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Technische Universität und das UKE — so unterstützen, dass sie ihrerseits Mittel aus der Exzellenzinitiative des Bundes und der Landesforschungsförderung gewinnen können. Ein Beispiel: Ein Projekt über Roboter-Mensch-Beziehungen der Uni haben wir mit einer Million Euro gefördert, und es konnte zehn Millionen Euro Fördergelder der DFG einwerben. Da lässt sich also mit relativ wenig Geld viel bewirken.
Allerdings empfiehlt auch der von Ihnen genannte Wissenschaftsrat eine Budgetsteigerung für die Hochschulen von 3,5 Prozent pro Jahr.
Fegebank: Wir werden in den Haushaltsberatungen dafür kämpfen, dass wir mehr Geld für die Wissenschaft bekommen. Aber dabei geht es ja nicht darum, wer am lautesten schreit, sondern darum, wer die besten Argumente hat. Mein Argument lautet: Wir als Senat haben gemeinsam das Ziel, Hamburg zur Wissenschafts- und zur Innovationsmetropole zu machen, und das müssen wir jetzt Schritt für Schritt unterlegen. Auch im Haushalt. Darüber hinaus brauchen wir eine dauerhafte Mitfinanzierung des Bundes, die über den Hochschulpakt hinausgeht. Diese Forderung wird parteiübergreifend von allen Ländern erhoben, und dafür mache ich mich stark.
Um in Hamburg zu bleiben: Werden Sie die viel kritisierten Hochschulvereinbarungen nachverhandeln, die den Unis bis 2020 nur 0,88 Prozent Steigerung bei den städtischen Zuwendungen zugestehen?
Fegebank: Es ist fest vereinbart, dass wir uns das anschauen. Aber ich finde es gut und richtig, dass wir jetzt darüber diskutieren, das vorhandene Geld klug einzusetzen.
Also passiert im kommenden Haushalt 2017/2018 noch nichts?
Fegebank: Das ist noch offen. Es gibt danach ja auch noch einen Haushalt 2019/2020. Und wir müssen gucken, wann der geeignete Zeitpunkt ist.
Kleine Schritte sind wichtig. Aber um Hamburgs Wissenschaft ins Rampenlicht zu bringen, braucht es ein großes Signal, einen sichtbaren Aufschlag. Wird vom Doppelhaushalt 2017/2018, der dieses Jahr aufgestellt wird, das Signal „Mehr Stanford, weniger Osnabrück“ ausgehen?
Fegebank: Da wollen wir hin – womit ich nichts gegen Osnabrück sagen will. Sich ehrgeizige Ziele zu setzen, finde ich immer gut. Aber den Erfolg einer Wissenschaftspolitik ausschließlich an mehr Geld zu messen wäre ungerecht. Auch der Wissenschaftsrat sagt, dass Geld allein keine Qualität schafft. Es geht jetzt darum, dass wir erst mal glänzen wollen. Nicht nölen, sondern glänzen! Dann wird es einfacher zu überzeugen!
Im Moment glänzt es vor allem in Süddeutschland. Hat Hamburg Vorbilder, denen man nacheifern möchte?
Fegebank: Bayern und Baden-Württemberg haben in den vergangenen Jahrzehnten auf beeindruckende Weise einen Strukturwandel geschafft – von landwirtschaftlich geprägten Ländern hin zu Wissens- und Technologie-Regionen. Das haben wir genau im Blick und werben für ein Bekenntnis, dass wir diesen Weg auch gehen wollen. Das ist in einer traditionellen Kaufmannsstadt nicht einfach.
Warum eigentlich? Haben wir eher tatsächliche Defizite oder ein Problem mit dem Bewusstsein?
Fegebank: Sowohl als auch. Hamburg ist in der Tat in einigen Bereichen weltklasse, aber es wird kaum darüber gesprochen. Das Motto „Tue Gutes und rede drüber“ ist den Hamburger halt nicht so zu eigen, auch den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht. Aber das ist genau das, was wir gerade machen: die Exzellenz und die wegweisenden Forschungsfelder so zu stärken und zusammenzubinden, dass wir glänzen können und dass die Hamburger das dann auch registrieren und stolz darauf sein können. Wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass der Hafen allein unsere Zukunft nicht sichern kann.
Sogar die Handelskammer, die traditionell die Bedeutung des Hafens betont, fordert einen Aufbruch unter dem Motto „Feuer & Flamme für Wissenschaft und Forschung“. Mehr Rückenwind geht doch kaum.
Fegebank: Das hat mich sehr gefreut, aber nicht überrascht. Ich habe einen engen Kontakt zur Wirtschaft aufgebaut. Für Themen, die die Wirtschaft bewegen, wie Innovationen, Technologietransfer und die ganze Wertschöpfungskette von der Grundlagenforschung bis zur Marktreife von Produkten und Ideen, spielen Wissenschaft und Forschung eine zentrale Rolle. Wenn es die Bereitschaft gibt, bei den Hochschulen, den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft eine Allianz zu schmieden für den Wissenschaftsstandort Hamburg, dann bin ich die Erste, die das unterstützt. Das ist allerdings keine One-Woman-Show, sondern muss im gesamten Senat unterstützt werden.
Die Handelskammer denkt allerdings auch finanziell in anderen Dimensionen und regt an, die für Olympia geplanten 200 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich in die Wissenschaft zu stecken. Das wäre eine Anhebung Ihres Etats um 20 Prozent. Haben Sie das mal im Senat angeregt?
Fegebank: Im Senat sprechen wir aus guten Gründen vertraulich miteinander. Im Übrigen: Das Geld liegt ja nicht in einer Schublade und wartet darauf, dringend ausgegeben zu werden.
Für ein neues Bewusstsein wäre es auch wichtig, dass die Hamburger ihre Stadt als Wissenschaftsmetropole wahrnehmen. Aber die Hochschulen und selbst weltbekannte Forschungseinrichtungen wie Desy sind im Stadtbild kaum präsent. Das „Uni-Viertel“ ist als solches kaum zu erkennen und wird von einer vierspurigen Straße durchschnitten.
Fegebank: Das ist richtig. Wir denken über eine Kampagne für den gesamten Hochschulstandort nach. Es gibt spannende Ideen, zum Beispiel, Uni-Gebäude sichtbarer zu machen – wie bei der Nacht des Wissens, die mit 30.000 Besuchern eine tolle Resonanz hatte, oder der Heimathafen-Aktion. Darum geht es: Dass sich die Hamburgerinnen und Hamburger mit ihren Hochschulen und Forschungseinrichtungen identifizieren, so wie sie sich mit dem Hafen oder dem Rathaus identifizieren.
Sie sind doch Fußballfan. In welcher Liga sehen Sie die Wissenschaftsmetropole Hamburg heute?
Fegebank: Derzeit spielen wir im oberen Mittelfeld der ersten Liga. Aber wir sollten das Ziel der Champions League in den Blick nehmen.