Hamburg . Wissenschaftsrat lobt vier Hamburger Hochschulen für Leistung in den MINT-Fächern – kritisiert aber mangelnde Finanzierung.

Eine „beneidenswerte Hochschulregion“, „zukunftsweisende Forschungsschwerpunkte“, „internationale Strahlkraft“ – die Rede ist von Hamburg. Genauer: vom Zustand der Fachgebiete Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) an vier staatlichen Hochschulen der Hansestadt. Das Lob kommt vom Wissenschaftsrat (WR), dem wichtigsten wissenschaftspolitischen Beratungsgremium hierzulande.

Das von den Regierungen des Bundes und der Länder getragene Gremium hatte auf Bitten der Hamburger Wissenschaftsbehörde insbesondere die Schwerpunkte der Hochschulen in den MINT-Fächer in Forschung und Lehre untersucht, um auszuloten, wo Stärken und Schwächen liegen. In ihrer rund 300 Seiten starken Analyse kommen die Sachverständigen nun zu einem „positiven Gesamtbefund“.

Doch sie äußern auch Kritik: So bemängeln sie, dass die Grundfinanzierung der Hamburger Hochschulen nicht ausreiche. Sie sehen zudem einen „Sanierungstau“ beim Hochschulbau, der derzeit „zu Nachteilen bei der Einwerbung von Forschungsprojekten, der Gewinnung von Führungspersonal sowie der Umsetzung moderner Lehrkonzepte“ führe. Und sie stellen fest, dass die Hochschulen besser zusammenarbeiten müssten, wenn die Wissenschaft zu einem „starken Entwicklungsmotor für Hamburg und die Me­tropolregion werden“ solle.

An den untersuchten Hochschulen – Uni Hamburg, Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), Technische Universität Hamburg-Harburg und Hafencity Universität – sind 28.000 Studierende (41 Prozent) in einem MINT-Fach eingeschrieben. 580 Professuren entfallen insgesamt auf den MINT-Bereich. Hinzu kommen sechs außeruniversitäre Forschungseinrichtungen.

Grundlage für das Gutachten waren unter anderem Selbstberichte des Landes, der Hochschulen und der außeruniversitären Forschungseinrichtungen etwa zum Personal und zur technischen Ausstattung sowie jeweils zweitägige Ortsbesuche der WR-Vertreter an den Hochschulen.

Heimat der Naturwissenschaftler: Eine
„Goldbox“ könnte Basis des Neubaus an
der Ecke Schlump/Bundesstraße werden
Heimat der Naturwissenschaftler: Eine „Goldbox“ könnte Basis des Neubaus an der Ecke Schlump/Bundesstraße werden © HTP Hidde Timmermann Architekten / bloomimages

Die MINT-Bereiche „prägen den Wissenschaftsstandort Hamburg maßgeblich mit“, heißt es in dem Gutachten. Die unterschiedlichen Schwerpunkte böten „erhebliche Chancen“. So werde auf einigen Feldern, etwa bei der medizinischen Diagnostik und bei den Strahlungsquellen (Photonik) „die gesamte Breite der Innovationskette von der Grundlagenforschung bis zur industriellen Anwendung abgedeckt“, sagte die Vorsitzende der WR-Arbeitsgruppe, Prof. Katharina Kohse-Höinghaus, die den Bericht am Dienstag mit Wissenschaftsenatorin Katharina Fegebank (Grüne) vorstellte.

Besonders forschungsstark ist dem Gutachten zufolge die Universität Hamburg. Die WR-Gutachter heben hier besonders die Klimaforschung hervor, die über einen vom Bund geförderten Exzellenzcluster verfügt, und die Physik mit dem Exzellenzcluster CUI, der sich der Echtzeitbeobachtung von Atomen und Molekülen widmet und auf dem Forschungscampus Bahrenfeld angesiedelt ist. Eben dieser Campus hat es dem Rat besonders angetan: Die Forschung dort habe auch dank der Erweiterungen um biologische und medizinische Fragestellungen viel Potenzial. Dabei spielen die Gutachter darauf an, dass in Bahrenfeld in der Nachbarschaft des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (Desy) und des Zentrums für Freie-Elektronen-Laser (CFEL) zwei weitere Forschungsbauten entstehen. Gut stehen dem Bericht zufolge auch die Materialwissenschaften da, in denen sich etwa die TU Harburg hervortue, und die Forschungen zu Erneuerbaren Energien, etwa an der HAW.

Trotz dieser Stärken sollten alle Akteure von der Grundlagenforschung bis zur Industrie intensiver zusammenarbeiten, meinen die Gutachter. „Bislang nutzen die Hochschulen die Chancen, die sich aus dem hervorragenden Umfeld mit zahlreichen außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der teilweise einzigartigen Infrastruktur ergeben, noch nicht in vollem Umfang“, sagte der WR-Vorsitzende, Professor Manfred Prenzel. Das Gremium empfiehlt, einen permanenten MINT-Rat einzurichten, der eine gemeinsame Forschungsstrategie entwickelt.

Zwar lobt der Rat, dass das Land Zusatzmittel für die Hochschulen bereitgestellt hat. Er stellt aber auch fest, dass die Zuwendungen an die Hochschulen nicht den Empfehlungen des Rats zur „verlässlichen Erhöhung der Grundfinanzierung“ entsprechen und dass die Mittel, die sich durch die Übernahme der BAföG-Finanzierung durch den Bund ergeben, nicht direkt den Hochschulen zu Gute kommen.

Die untersuchten Hochschulen zeigten sich erfreut über das Gutachten

Die Grundfinanzierung sei etwas, „das uns in den nächsten Jahren beschäftigen wird“, sagte Fegebank. Auf den Sanierungsstau angesprochen, sagte sie, es seien etwa hinsichtlich des Geomatikums an der Bundesstraße „weitrechende Schritte“ eingeleitet worden. Der Vorschlag, einen MINT-Forschungsrat einzurichten, sei ein „sehr interessanter Impuls“. Sie werde nun darüber mit den Hochschulen sprechen. Insgesamt, so Fegebank, „geben uns die Ergebnisse viel Rückenwind, um die Bedeutung der Wissenschaft in Hamburg stärker in das öffentliche Bewusstsein zur rücken“.

Die Hochschulen zeigten sich erfreut über das Gutachten. Die Uni Hamburg merkte jedoch an, dass das Gutachten unter anderem hinsichtlich der Grundfinanzierung belege, „was die Universität über viele Jahre vorgetragen hat“. Carsten Ovens, wissenschaftspolitischer Sprecher der CDU, sagte, der Bericht sei „ein Armutszeugnis für die Senatorin“. Das Gutachten kritisiere zu Recht die unzureichende Finanzierung der Hamburger Hochschulen. Das sieht auch die Abgeordnete Dora Heyenn (parteilos) so: „Der Motor für die Hamburger Hochschulen hat nicht genug Sprit.“