Hamburg. Über Monitore nehmen Übersetzer an medizinischen Sprechstunden in Hamburger Flüchtlingsunterkünften teil.

Die medizinische Versorgung der Flüchtlinge hat in den vergangenen Monaten enorme Fortschritte gemacht. Inzwischen gibt es in 36 Erstaufnahmeeinrichtungen regelmäßig allgemeinmedizinische ärztliche Sprechstunden. Doch ein großes Pro­blem ist immer noch die Verständigung zwischen Arzt und Patient. Bisher mussten dafür immer extra Dolmetscher für die entsprechenden Sprachen in die Sprechstunde bestellt werden.

Diese Arbeit soll künftig ein Dolmetscher auf dem Monitor übernehmen. Verschiedene Unternehmen haben sich zusammengetan und einen Videocontainer konstruiert. Damit ist es möglich, über einen Bildschirm einen Dolmetscher in der gewünschten Sprache zu der ärztlichen Sprechstunde hinzuzuschalten. Der erste Container wurde in den vergangenen Monaten bereits erfolgreich in einer Unterkunft am Rugenbarg getestet

Zehn dieser im deutschsprachigen Raum bisher einmaligen Praxiscontainer sollen jetzt in Hamburger Erstaufnahmeeinrichtungen aufgestellt werden. Die Dorit und Alexander Otto Stiftung hat sich bereit erklärt, die Finanzierung dieser Container, der sogenannten Refugee First Response Center, zu übernehmen. Eine Einheit kostet 90.000 Euro.

Sie besteht aus einem Warte- und einem Behandlungscontainer. Dieser ist wiederum in zwei Bereiche unterteilt: Im ersten sitzt eine Krankenpflegekraft, die die Beschwerden des Patienten aufnimmt. Über den Bildschirm auf ihrem Tisch kann sie dabei den Dolmetscher zur Hilfe rufen. Nach dem gleichen Prinzip funktioniert das System im ärztlichen Behandlungsraum. Um die Privatsphäre des Patienten zu schützen, kann während der Untersuchung die Kamera, über die der Dolmetscher Kontakt zu dem Arzt und seinem Patienten hat, ausgeschaltet werden.

Hier baut Hamburg Flüchtlingsunterkünfte

Die Idee zu diesem Projekt entstand im September des vergangenen Jahres. Um es zu realisieren, haben mehrere Institutionen zusammengearbeitet: Das Hamburger Büro des Unternehmens Cisco sorgte für die Technik, zusammen mit der Hamburger Firma Avodaq. Um die Container kümmerten sich Mitarbeiter des Mlove Future City Campus in der HafenCity. Und die Videodolmetscher haben ihren Sitz in Wien.

„Wir haben mittlerweile 750 ausgebildete Dolmetscher in europäischen Ländern“, sagt Dr. Peter Merschwitz, Chef des Unternehmens. Sie können entweder direkt über den Bildschirm abgerufen oder über die Zentrale in Wien angefordert werden. Wir können 45 Sprachen anbieten. Damit sind 99 Prozent des Bedarfs abgedeckt“, sagt Merschwitz. Beispiele sind die Sprachen Farsi, Albanisch und Arabisch. Das Unternehmen ist vor fünf Jahren aus einem Pilotprojekt der Universität Wien entstanden und arbeitet mittlerweile in 250 Einrichtungen im deutschsprachigen Raum, unter anderem in Krankenhäusern, Jobcentern, Gefängnissen. Wie Merschwitz berichtet, hat das Unternehmen mittlerweile 150.000 Videoeinsätze pro Jahr. Für die Einsätze im medizinischen Bereich müssen die Dolmetscher auch entsprechende Begriffe beherrschen.

Auch um das Logistische haben sich Spezialisten gekümmert. „Die Technik ist über Mobilfunk mit dem Internet verbunden. Innerhalb des Containers geht die Verbindung über WLan“, erzählt Martin Kröger vom Unternehmen Cisco.

Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks zeigte sich von dem neuen Angebot beeindruckt: „Ich bin sehr zuversichtlich, dass es die medizinische Versorgung von Flüchtlingen sehr erleichtern wird.“ Die hausärztliche Versorgung, die in den Erstaufnahmeeinrichtungen angeboten werde, lebe von der Sprache. Nur so könne man Symptome erfragen, die richtige Diagnose stellen und eine Therapie einleiten.