Hamburg. Brennstoffzellen, Akustiklabor, 3-D-Raum – ein Blick ins neue Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung in Hamburg.
Wer auf den Parkplatz biegt, wähnt sich auf einem Flughafen. Gelb markierte Parkplätze erinnern an die Markierungen auf Vorfeldern. Blaue Lichter im Boden leuchten den Weg zum Haupteingang des Zentrums für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) auf Finkenwerder. Startbereite Jets fehlen allerdings – dafür sind die ersten Rumpfabschnitte nun hinter den Glasfronten zu sehen.
Mehr als 200 Menschen arbeiten seit Jahresanfang in dem Neubau, in dem verschiedene Firmen gemeinsam an Projekten für das Fliegen der Zukunft arbeiten wollen. „Hamburg erhält damit ein einzigartiges Aushängeschild für den Luftfahrtstandort, um den uns viele Wettbewerber weltweit beneiden werden“, sagte Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) dem Abendblatt, das als erstes Medium in das gerade bezogene, 82,4 Millionen Euro teure Gebäude mit 26.000 Quadratmetern Fläche durfte.
„Der Mix aus Hallen, Laboren und Büros plus die gemeinsame Forschung von 25 Partnern ist einmalig“, sagt Roland Gerhards, der als Geschäftsführer der ZAL GmbH der Hausherr ist. Im Herbst sollen 600 Beschäftigte dort arbeiten, 90 bis 95 Prozent der Flächen sind vermietet. Flugzeughersteller Airbus, der Wartungsspezialist Lufthansa Technik, der Toilettenbauer Diehl oder der Technologiekonzern Siemens gehören zu den Mietern.
In der 3000 Quadratmeter großen, dreigeteilten Halle C soll an der Systementwicklung geforscht werden. An der Decke hängt ein beweglicher Kran, der bis zu fünf Tonnen heben kann. Vor allem im letzten Drittel der Halle fallen die Rohrsysteme auf. An zwölf Zapfstellen können Wasserstoff, Stickstoff und ölfreie Druckluft getankt werden. Das ist wichtig für die Brennstoffzellentechnologie, die Airbus dort mit mehreren Partnern vorantreiben will.
Bei den Versuchen wird übrigens nicht nur Energie verbraucht, sondern sogar neue gewonnen – mit einem Nutzen für die Allgemeinheit. „Wir können Strom auch zurück in das öffentliche Stromnetz Hamburgs speisen“, sagt Gerhards. Dafür seien extra zwei Mittelspannungsleitungen durch Finkenwerder gelegt worden. Das ZAL dürfe eine Leistung von rund 650 Kilowatt abgegeben. Zweiter Schwerpunkt in der Halle sind Flugzeugelektrik und Klimaanlagen.
Einer der interessantesten Räume liegt versteckt hinter dicken Betonwänden am Anfang der Halle. Die Türen machen so manchem Tresor Konkurrenz. Sie sind mehr als einen halben Meter dick. Ihre Aufgabe ist allerdings nicht die Sicherheit, sondern der Lärmschutz. „Dahinter verbirgt sich eine der größten Akustikkammern in Europa“, sagt Gerhards über den 22,70 Meter langen, zwölf Meter breiten und 8,65 Meter hohen Raum. Türen und Wände sind mit Schaumstoff gepolstert. Der Boden ist entkoppelt von anderen Gebäudeteilen, damit die Schwingungen nicht übertragen werden.
Demnächst wird ein dem A320 ähnlicher Rumpf von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften per Schiff geliefert. Um ihn herum werden Lautsprecher positioniert, um den Triebwerkslärm und die Fluggeräusche zu simulieren. 140 Dezibel können erreicht werden. Ein Triebwerk unter Volllast erreicht 120 Dezibel – für den Menschen ist das die Schmerzgrenze. Im Akustiklabor soll gemessen werden, wie laut für die Passagiere in der Kabine Start- und Fluggeräusche sind. „Das spart teure Versuche in der Luft“, sagt Gerhards.
In einem oberen Stockwerk – schräg über der Kantine, die auch für Besucher von außen geöffnet ist – wird am 3-D-Raum gearbeitet. Die sogenannte Virtual-Reality-Scheibe und der Beamer müssen noch eingebaut werden. Dann sollen Ingenieure ihre Ideen in drei Dimensionen präsentieren. Die bis zu 30 Personen im Raum können die Konstruktionspläne verfolgen, wenn sie Shutterbrillen aufsetzen. Airbus hat eine solche „Höhle“ bereits, aber Gerhards zielt auf eine andere Zielgruppe: „Wir wollen die Hemmschwelle senken und kleinen Firmen die Chance zum Testen geben.“
Exoskelette sollen Menschen die Arbeit bei der Montage erleichtern
Am meisten nach Flugzeug sieht es in der Halle A aus. In einem Metallgestell hängt der Rumpf eines A320. Sowohl der unten im Jet liegende Cargo- als auch der in der Mitte platzierte Passagierbereich haben um sich eine Plattform, von der aus schnell Sitze und Küchenzeilen ein- und ausgebaut werden können. Neue Kabinenlayouts und Installationsprozesse sollen geübt werden.
Auf dem Boden steht ein A321-Rumpf, in dem vor allem Fertigungsprozesse verbessert werden sollen. Beispielsweise wird an Exoskeletts geforscht: Wie können Menschen bei der körperlichen Arbeit – wie bei der Überkopfmontage von Hutablagen – Entlastung durch Roboter bekommen, die den Arbeitern wortwörtlich unter die Arme greifen, um Kraft zu sparen? Ziel ist es, diese Anwendungen schnell in industrialisierbare Produkte umzuwandeln. Wirtschaftssenator Horch ist sich sicher: „Das ZAL wird ein Innovationszentrum für visionäre Ideen.“