Hamburg. Immer mehr junge Frauen machen bei Lufthansa Technik und Airbus eine Ausbildung in einem technischen Beruf.
Sarah Soltesz steht an der Drehmaschine, stellt die Werkzeuge ein, sucht die Drehzahl heraus, wählt den Vorschub in X- und Y-Richtung und überwacht die Arbeit der Maschine. Die 18-Jährige stellt in der Werkstatt von Lufthansa Technik 60 Pins für ein Modell-Trike her, einem Projekt der Auszubildenden. Zwar gehört die Blondine in der blauen Arbeitskleidung noch zu der Minderheit in den Hallen, eine Exotin ist die angehende Werkzeugmechanikerin aber nicht mehr.
Der Weltmarktführer bei der Wartung, Überholung und Reparatur von Flugzeugen hat seinen Frauenanteil unter den neu startenden Lehrlingen zuletzt deutlich ausgebaut. Waren es 2012 erst sieben Prozent, verdoppelte sich die Quote bis zu diesem Jahr fast auf 13 Prozent. „Das ist ein Wert, mit dem wir sehr zufrieden sein können“, sagt Barbara Körner, Leiterin des Zentralen Ausbildungsmanagements. Immerhin werden seit einigen Jahren keine Bürokräfte mehr ausgebildet, sondern nur noch Techniker – und die stoßen laut Körner auf geringe Nachfrage: Unter den bei Mädchen beliebtesten 25 Ausbildungsberufen befinde sich kein einziger technischer Beruf.
Soltesz kann das nicht verstehen. Sie habe Praktika im Einzelhandel und Marketing gemacht. „Das war so langweilig“, sagt die Auszubildende im dritten Lehrjahr. Ein Schulausflug auf das Werksgelände überwältigte sie schließlich: „Das war ein Wow-Effekt. Die Größe der Flugzeuge faszinierte mich. Alles war so riesig. Es fährt sogar eine eigene Buslinie auf dem Gelände.“ Die Barmbekerin machte zunächst eine neunmonatige berufsorientierte Ausbildungsvorbereitung, ehe sie im Anschluss ihren Lehrlingsvertrag bekam. In Handarbeit etwas selbst herzustellen, findet sie toll – und die harmonische Atmosphäre: „Wenn man in einer Gruppe mit vielen Männern arbeitet, herrscht ein richtig gutes Arbeitsklima. Es gibt weniger Zickenkrieg.“
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Die Einschätzung teilt man ein paar Werkbänke weiter. Dort feilen die angehenden Werkzeugmechaniker im ersten Lehrjahr an Bauteilen. „Es macht Spaß, das Klima ist toll“, sagt Josephine Wiena Hanke. Die 22-Jährige macht zu Hause viel allein, hat ihre Küche selbst gebaut und wechselt Reifen und Öl am Auto allein. „Es ist entspannter, mit Männern zu arbeiten“, so die Barmbekerin. Mit den anderen weiblichen Lehrlingen verstehe sie sich aber auch gut. Immerhin sind mit ihr, Samantha Klapproth, Nayomi Trippner und Julia Stamer vier von zwölf angehenden Werkzeugmechanikerinnen Frauen, ein Anteil von 33 Prozent.
„Wir würden uns eine kontinuierlich steigende Quote wünschen“, sagt Körner, die im kommenden Jahr mit dem Elektroniker für Geräte und Systeme einen neuen Ausbildungsberuf anbietet. Insgesamt haben die Frauen noch einen Nachholbedarf, der Anteil im Konzern liegt bei den technischen Berufen bei sieben Prozent, über alle Beschäftigten am Sitz Hamburg beträgt er wegen des hohen Anteils von Verwaltungstätigkeiten 13 Prozent.
Exakt einen Prozentpunkt höher liegt die Quote beim Flugzeugbauer Airbus. Das war in der Gesamtbelegschaft seit 2005 immerhin ein Plus unter den rund 18.000 Mitarbeitern in Deutschland von zwei Punkten oder rund 360 Frauen. Einen deutlichen Anstieg gab es vor allem bei den Auszubildenden. Waren im Jahr 2010 noch 18 Prozent der Lehrlinge Frauen, ist es nun jede Vierte. 25 Prozent lautet die interne Zielvorgabe, die sich der Flugzeugbauer auferlegt hat. Gemischte Teams mit weiblichen und männlichen Mitgliedern profitieren von unterschiedlichen Arbeitsstilen und Sichtweisen, die oft zu besseren Ergebnissen führen und auch die Arbeitsatmosphäre positiv beeinflussen, sagte eine Sprecherin. Sowohl Airbus als auch Lufthansa Technik spüren schon den Fachkräftemangel und locken weiblichen Nachwuchs, indem sie am Girl’s Day teilnehmen, Praktika für Mädchen anbieten, Frauenförderprogramme starten oder auf Messen werben.
In Führungspositionen sind bei Airbus neun Prozent Frauen
Bei Airbus ist die oberste Repräsentantin der Arbeitnehmer seit diesem Sommer eine Frau. Sophia Jacobsen wurde mit 31 Jahren an die Spitze des Betriebsrats in Hamburg gewählt. „Ich kann Frauen zu dem Schritt in die Luftfahrt nur ermutigen. Das ist keine Männerdomäne, sondern eine spannende Branche“, sagt Jacobsen, die ihre Karriere im Konzern vor elf Jahren als Auszubildende für Bürokauffrau begann, neben der Arbeit Wirtschaftsrecht studierte und zuletzt im Projektmanagement tätig war. Die Frauen würden in den Hallen gut aufgenommen, es gebe viele Entwicklungspotenziale für sie. Ein Manko stellte Jacobsen aber fest: „Bei der Besetzung von Führungspositionen würde ich mir eine stärkere Berücksichtigung von Frauen wünschen.“ Laut Konzern liegt er bei neun Prozent. Für viele Absolventinnen des Meisterinnenförderprogramms sei der Aufstieg im Anschluss aber schwierig gewesen, sagt Jacobsen.
Von Meisterehren ist Sarah Soltesz bei Lufthansa Technik noch einiges entfernt. Sie habe viel gelernt in ihrer Ausbildung, schließlich brachte sie „außer Ikea-Möbel zusammenschrauben“ keine Erfahrung im Handwerklichen mit. Im nächsten Jahr strebt sie den Gesellenbrief an. Und im Gegensatz zu ihren Praktika im Handel und Marketing stellte sie fest: „Langweilig wird es hier nie!“