Altstadt. Bürger planen Volksentscheid über große Flüchtlingsunterkünfte in Hamburg. SPD und Grüne warnen vor Polarisierung.

Die Ankündigung des Dachverbands von sieben Bürgerinitiativen, die Vorbereitungen für einen Volksentscheid über Großsiedlungen für Flüchtlinge zu starten, ist von den Rathausparteien unterschiedlich aufgenommen worden. Während die Oppositionsparteien CDU und Linke am Sonntag inhaltliche Zustimmung signalisierten, warnten SPD und Grüne davor, dass durch eine Volksbefragung das Klima vergiftet werden könne.

Der Dachverband der Bürgerinitiativen hatte am Donnerstag vergangener Woche entschieden, Vorbereitungen für eine Volksinitiative zu starten. Ziel sei es, Flüchtlinge dezentral in kleineren Einrichtungen unterzubringen und so deren Integration zu ermöglichen, sagte der Sprecher des Verbands „Initiativen für erfolgreiche Integration Hamburg“, Klaus Schomacker, dem Abendblatt. Ein Beratungsgespräch mit dem Landeswahlleiter – das ist ein erster Schritt zu einer Volksinitiative – wurde für Mitte Februar vereinbart.

Hintergrund ist der Plan des rot-grünen Senats, für die vorübergehende und dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen größere Unterkünfte und Wohnsiedlungen zu errichten. So wurde im Herbst vergangenen Jahres der Bau von 5600 Wohnungen für ganz Hamburg beschlossen. Eine Siedlung am Mittleren Landweg in Bergedorf soll allein 800 Wohnungen für bis zu 3400 Flüchtlinge umfassen. In Klein Borstel ist eine Folgeunterkunft für 700 Flüchtlinge vorgesehen, im Norden Hamburgs werden Unterkünfte für mehrere Hundert Menschen geplant.

Angesichts dieser Vorhaben haben sich in den vergangenen Monaten in mehreren Stadtteilen Bürgerinitiativen gebildet. Viele ihrer Mitglieder sind nicht grundsätzlich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. Sie fürchten aber, dass die Unterbringung in größeren Unterkünften die Integration erschweren könnte und dass im schlimmsten Fall Gettos entstünden. Der Dachverband war vor einigen Wochen gegründet worden.

Die CDU droht dem Senat, gemeinsame Sache mit dem Dachverband zu machen

Die Fraktionsvorsitzenden, An­dreas Dressel (SPD) und Anjes Tjarks (Grüne), räumten zwar ein, es sei das gute Recht der Bürgerinitiativen, eine Volksinitiative auf den Weg zu bringen. „Gleichwohl sehen wir mit Sorge, dass ein solches Verfahren eine Polarisierung in unserer Stadt bewirken und das Klima vergiften kann. Das Risiko sollte allen Beteiligten bewusst sein“, erklärten die beiden Politiker.

Die stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Karin Prien, sagte hingegen die Unterstützung ihrer Partei für das Ansinnen der Bürgerinitiativen zu. Die CDU stehe an der Seite der Bürger, die eine gerechtere Verteilung von kleineren und inte­grationsfreundlichen Folgeunterkünften forderten. „Wenn Rot-Grün und der Senat in den nächsten Wochen ihren falschen und kompromisslosen Kurs fortsetzen und in den parlamentarischen Beratungen nicht einlenken, werden wir mit dem Dachverband gemeinsam den legitimen Weg über eine Volksinitiative gehen.“

Cansu Özdemir, Vorsitzende der Linken-Fraktion, forderte, dass die Integration von Flüchtlingen in die Stadtgesellschaft von Anfang an in den Blick genommen werden müsse. Das bedeute, die Unterbringung der Neubürger so dezentral wie möglich zu gestalten. „Diese Zielsetzung der angekündigten Volksinitiative teilen wir“, sagte Özdemir. Es räche sich nun, dass der Senat seine Entscheidungen zu oft von oben nach unten durchzusetzen versuche. Auch in schwierigen Situationen sei die Beteiligung der Bürger unverzichtbar.

Dressel und Tjarks verwiesen auf zahlreiche Gespräche zwischen den Regierungsfraktionen und den Initiativen in vielen Stadtteilen. Auch mit dem Dachverband der Bürgerinitiativen habe es bereits ein erstes Gespräch gegeben, ein weiteres sei terminiert. „Wir sind bereit zum Dialog“, sagten die Fraktionschefs von SPD und Grünen.

Der AfD-Bauexperte Detlef Ehlebracht reagierte zurückhaltend auf die Ankündigung der Initiativen, nicht mit seiner Partei zusammenarbeiten zu wollen. Er vertrete ohnehin die Meinung, dass Parteien sich aus Volksinitiativen heraushalten sollten.

Eine Volksinitiative ist erfolgreich, wenn innerhalb von sechs Monaten mindestens 10.000 Unterschriften gesammelt werden. Im Zuge eines dann folgenden Volksbegehrens müssen innerhalb von drei Wochen rund 62.000 Unterschriften gesammelt werden. Dann käme es zu einem Volksentscheid. Dieser ist am Ende erfolgreich, wenn mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten zugestimmt haben und es bei der Abstimmung eine einfache Mehrheit gibt.