Hamburg. An der Uni Hamburg wird in dieser Woche das Studierendenparlament neu gewählt. Ein Blick hinter die Kulissen.

Die 11. Sitzung des Studierendenparlaments der Uni Hamburg in der laufenden Legislaturperiode beginnt mit einer Viertelstunde Verspätung und einer schlechten Nachricht. Bei der Briefwahl zum neuen „StuPa“ seien nur 3323 Stimmen abgegeben worden, 700 weniger als vor einem Jahr, wobei 260 Stimmen ungültig seien, referiert StuPa-Vizepräsidentin Gunhild Berdal (Liste Links) und blickt auf die spärlich besetzten Reihen vor sich.

Das StuPa hat 47 Mitglieder – 32 von ihnen sowie acht weitere Studierende sind zu der Sitzung im Hörsaal eines 60er-Jahre-Gebäudes erschienen, der 250 Plätze bietet. Ein Gefühl der Trostlosigkeit lassen die Parlamentarier an diesem Donnerstagabend jedoch nicht aufkommen: Eine Chips-Tüte macht die Runde, dazu wird ein Dip gereicht; zwei Studierende haben sich türkische Pizzen mitgebracht, ein Kommilitone verdrückt ein Schokocroissant, andere schreiben Kurznachrichten mit ihren Smartphones, sind in Dokumente auf ihren Laptops oder in Unterhaltungen mit ihren Nachbarn vertieft.

Nur fünf Vertreter der Opposition sitzen vorgebeugt und unruhig wippend auf ihren Plätzen, den Geschäftsbericht des Präsidiums mit lauten Zwischenrufen unterbrechend.

Wenige Stunden zuvor hätten sich in dem Hörsaal eigentlich 15 Listen und 431 Studierende vorstellen sollen, die für das neue StuPa kandidieren. Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, für das eigene Programm und für die Beteiligung an der Urnenwahl zu werben, die in dieser Woche noch bis Freitag stattfindet. Es kamen Vertreter von fünf Listen.

Bei der Wahl für das aktuelle Parlament Anfang 2015 hatten nur 17 Prozent der rund 41.500 Studierenden ein Votum abgegeben; insgesamt gab es 7059 gültige Stimmen. Auch in den Vorjahren lag die Wahlbeteiligung regelmäßig unter 20 Prozent – „leider Gottes“, sagt StuPa-Präsident Geoffrey Youett (Campus Grün), der auf dem Podium neben Gunhild Berdal sitzt. „Wir müssen unsere Anstrengungen erhöhen“, ruft Youett ins Mikrofon.

Wer im StuPa die Macht hat, ist insofern von Bedeutung, weil das Gremium den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) wählt, die Interessenvertretung der Studierenden, und weil es den Haushalt der Verfassten Studierendenschaft beschließt. Für die Legislaturperiode 2015/2016 war ein Etat von rund 945.000 Euro vorgesehen, 830.000 Euro davon stammen aus Beiträgen der Studierenden (10,50 Euro pro Student und Semester).

Mit dem Geld wird unter anderem das AStA-Personal bezahlt, das diverse Beratungen anbietet, etwa für Studierende mit Kind, oder bei studentischen Steuerfragen hilft; es wird ferner ausgegeben für Fachschaftsräte, die Interessenvertretung der Studierenden eines Fachs, für die teilautonomen AStA-Referate wie das RIS – eine Beratungsstelle für ausländische Studierende – oder das „AlleFrauen*Referat“ – für „die Interessen der weiblich sich definierenden Studierenden und aller Studierenden, denen das weibliche Geschlecht zugeschrieben wird oder wurde“. Es gibt allerdings auch viel Spielraum: So kann der AStA etwa Geld für eine Demonstration ausgeben – oder stattdessen für ein Kulturprogramm.

Die meisten Sitze im StuPa, nämlich 13, hat derzeit Campus Grün. Tut sich diese Fraktion mit der Liste Links (drei Sitze), mit dem Sozialistisch-Demokratischen Studierendenverband (SDS, drei Sitze) und weiteren Listen zusammen, kann diese Koalition Beschlüsse verabschieden. Zur Opposition zählen sich unter anderem die Juso-Hochschulgruppe, die MIN- und die Jura-Liste sowie der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS).

Das StuPa kann laut Satzung „Angelegenheiten von allgemeiner Bedeutung für die Studierendenschaft“ durch Beschluss entscheiden; der AStA ist daran gebunden. In seinen Beschlüssen rief das StuPa 2015 unter anderem zur Teilnahme an Demons­trationen gegen die G7-Konferenz in Elmau auf; es wandte sich gegen die Nato; es erklärte sich solidarisch mit Kurden in Syrien, die gegen den „Islamischen Staat“ kämpfen. Solidarisch erklärte sich die Mehrheit der Abgeordneten auch mit Streikenden der Post, wobei sie insbesondere Versuche kritisierten, Studierende als Streikbrecher einzusetzen. Und sie entschieden, die Verfasste Studierendenschaft möge sich an der Initiative „NOlympia“ beteiligen.

Einige Parlamentarier würden lieber andere Schwerpunkte setzen. „Es fehlt an Stimmen und Motivation, sich für konkrete Belange der Studierenden einzusetzen“, sagt Ramon Weilinger, der Vorsitzende des RCDS. Andere verteidigen die genannten Beschlüsse. „Krieg und Frieden haben durchaus mit dem Studium zu tun“, sagt Oliver Vornfeld vom SDS. „Wir haben uns etwa dafür eingesetzt, dass die Universität keine Forschung für den militärischen Sektor macht.“

Man könne unterschiedlicher Ansicht darüber sein, welche Ausrichtung das StuPa haben sollte, sagt Präsident Geoffrey Youett. Er betont, das Gremium habe sich 2015 auch mit Themen beschäftigt, die das Studium unmittelbar betreffen, etwa mit der Grundfinanzierung der Uni, mit Studienreformen und der drohenden Schließung der Biologie-Bibliothek.

Unterschiedliche Meinungen gab es auch über die Stimmung im StuPa. So beklagten die Abgeordneten Elvis Milojevic (Wiwi-Liste), Ailina Salten (Min-Liste) und Johann Baumhoefener (Jura-Liste), dass Listen „stigmatisiert, ausgegrenzt und teilweise diskriminiert“ worden seien, und forderten einen „offenen Dialog mit gegenseitigem Respekt“.

Es gebe eine problematische Zweiteilung im StuPa, sagt Ramon Weilinger. Gerade jüngere Mitglieder, die noch nicht lange dabei seien, würden lächerlich gemacht. Das wirke abschreckend auf Interessierte. „Studierende, die eher wenig politische Erfahrung haben, verlassen das StuPa meist schnell wieder.“

Andere sagen, sie hätten von Anfeindungen nichts bemerkt. „Bei gewissen Themen kann der Ton zwar etwas härter sein, aber das kommt nicht aus bestimmten Richtungen“, sagt Präsident Geoffrey Youett. Oliver Vornfeld vom SDS sagt: „Das kann nicht immer konsensorientiert sein, da sich verschiedene politische Konzeptionen gegenüberstehen.“ Kritik an anderen Positionen habe aber nichts mit Ausgrenzung zu tun.

An diesem Abend ist es die Opposition, die einen harten Ton anschlägt. Wie sich das Präsidium die geringe Beteiligung an der Briefwahl erkläre, möchte Fabian Schnack von der Juso-Hochschulgruppe wissen. Weil ihn die Antwort nicht zufriedenstellt, wird er lauter: „Dieses StuPa ist in keinerlei Weise demokratisch legitimiert“, brüllt er. Und mit Blick auf Abgeordnete von der Liste Links und vom SDS: „Ihr seid eine Lachnummer!“ Die so Beschimpften quittieren es lachend.

Um die Jusos müssen sie sich vorerst keine Gedanken mehr machen. Deren Funktionärin Melissa Bruske hatte es versäumt, den Unterlagen einen Bogen beizufügen, mit dem sich jemand als Listenverantwortlicher erklärt und die Richtigkeit aller Angaben bestätigt. Deshalb schloss das StuPa-Präsidium die Jusos von der Wahl aus. Ramon Weilinger kritisierte, das grün-linke Präsidium nutze „einen formalen Flüchtigkeitsfehler, um die eigene Mehrheit und Macht zu verteidigen. Grüne und Linke zerstören den fairen politischen Wettbewerb“. „Das ist ein absurder Vorwurf“, wehrte sich Geoffrey Youett. „Die Wahlordnung ließ uns gar keine andere Möglichkeit.“

In manchen StuPa-Sitzungen werde bis weit nach Mitternacht diskutiert, heißt es. An diesem Abend geht es nur bis 22 Uhr. Die Fragestunde ist vorbei, die Chips sind verzehrt, als das StuPa zwei Beschlüsse verabschiedet, von denen einer umstritten ist. Man wolle für die Senkung des HVV-Semesterbeitrags kämpfen. Und: Der Beitrag der Studenten für die Verfasste Studierendenschaft soll um 40 Cent auf 10,90 Euro pro Semester steigen.

Die Verfasste Studierendenschaft bekommt also mehr Geld. Wie es ausgegeben wird, kann das neue StuPa mitentscheiden.

Das Studierendenpalament im Internet:
www.stupa-hh.de