Hamburg. Zwei Drittel der 22.315 Menschen, die 2015 Schutz suchten, stammen aus Syrien, Afghanistan und Irak. Senat wehrt sich gegen CDU-Kritik.

Die Zahl der syrischen Flüchtlinge in Hamburg hat sich innerhalb eines Jahres mehr als versechsfacht. Genau 6418 Menschen aus dem Bürgerkriegsland sind 2015 der Hansestadt zugewiesen worden – 1513 waren es im Jahr zuvor. Syrien ist damit weiterhin das Herkunftsland, aus dem die meisten Flüchtlinge in Hamburg stammen.

Ein ähnlich starker Zuwachs ist bei den Flüchtlingen aus Afghanistan zu verzeichnen, dem zweithäufigsten Herkunftsland. Hier stieg die Zahl von knapp 1000 auf fast 5500. Auf Platz drei rangiert der Irak mit 2286 Flüchtlingen. Hier hat die Zahl sogar mehr als verzehnfacht. Im Jahr 2014 waren es noch 195 Iraker, die in Hamburg Schutz gesucht haben. Das geht aus einer Senatsantwort auf eine Anfrage von CDU-Fraktionsvize Karin Prien hervor.

Wie berichtet, hatten im vergangenen Jahr rund 61.600 Menschen in Hamburg Schutz gesucht. 22.315 sind nach der Verteilung aufgrund des Königsteiner Schlüssels in Hamburg geblieben. 2014 lag die Zahl noch bei 6628, also etwa einem Drittel. Der Königsteiner Schlüssel für die Verteilung der Schutzsuchenden auf die 16 Bundesländer richtet sich unter anderem nach der Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft der Länder. Danach muss Hamburg etwa 2,5 Prozent aller nach Deutschland kommenden Flüchtlinge aufnehmen.

Abseits der Debatte um die generell steigenden Flüchtlingszahlen in Deutschland gibt es auch Gründe für die jeweils starken Anstiegsquoten aus den verschiedenen Krisenländern. Der Bürgerkrieg in Syrien geht bereits in das fünfte Jahr. In Afghanistan wird in vielen Landesteilen die Sicherheitslage nach der Truppenreduzierung der westlichen Streitkräfte immer schlechter. Und im Irak spielt die Ausbreitung der Terrorgruppe des selbsternannten Islamischen Staates (IS) eine entscheidende Rolle.

Wenig überraschend ist, dass auch die Zahl der Flüchtlinge aus dem diktatorisch geführten Eritrea von 376 auf 1264 stieg. Allerdings rangiert Albanien noch vor dem Staat aus dem Nordosten Afrikas. Von dort stammen 1812 Flüchtlinge. 2014 waren es noch 408 Albaner. Allerdings hat deren Zahl ab Herbst 2015 abgenommen, nachdem die Bundesregierung das Asylgesetz verschärft und Kosovo, Albanien und Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt hatte. Dieser Effekt dürfte sich in diesem Jahr fortsetzen.

Ohnehin liegen die Anerkennungsquoten der Balkanländer zwischen null und 0,3 Prozent (siehe Karte). Es bleiben also nicht alle zugewiesenen Flüchtlinge in der Stadt. Im Gegensatz dazu erhalten 95,6 Prozent der Flüchtlinge aus Eritrea einen Aufenthaltstitel als Flüchtling oder Asylberechtigter. Bei den Syrern sind es 94 Prozent und knapp 91 Prozent der Iraker. Die Anerkennungsquote bei Flüchtlingen aus Afghanistan liegt bei knapp 50 Prozent. 17,6 Prozent der Afghanen erhalten den Status Duldung. Damit liegt diese Quote über dem Bundesdurchschnitt, der bei gut 13 Prozent liegt. Genau das kritisiert Karin Prien: „Die liberale Aufnahmepraxis Hamburgs schlägt sich in diesen Zahlen nieder.“

Die CDU-Politikerin hat zudem mit ihrem Vorwurf, der Senat operiere in der Flüchtlingspolitik mit falschen Zahlen, die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen gegen sich aufgebracht. Wie berichtet, zweifelt sie an, dass bis Ende dieses Jahres 80.000 Flüchtlinge in Hamburg untergebracht werden müssten und hält den damit verbundenen Bau von 5600 Expresswohnungen für unnötig.

Darauf reagiert SPD-Fraktionschef Andreas Dressel mit scharfen Worten: „Wer angesichts der weiterhin hohen Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, die Bedarfsplanung für Hamburg infrage stellt, der flüchtet vor der Realität. Das ist verantwortungslos und peinlich.“ Peinlich sei es deshalb, „weil dieselbe Opposition, die uns im Herbst 2015 kritisiert hat, wir hätten zu langsam und zu wenig Unterkünfte geplant, uns nun kritisiert, wir würden zu viele zu schnell planen.“ Der Senat habe die Bedarfslage „präzise hergeleitet“ und dürfe sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. „Weil er schlicht und einfach durch Gesetz und das Grundgesetz zur Unterbringung der Flüchtlinge verpflichtet ist.“ Die Rückführungen würden zudem dieses Jahr weiter deutlich zunehmen. Dafür habe Rot-Grün Maßnahmen eingeleitet wie die Stellen-Verdreifachung der Rückführungsabteilung, die Stärkung des Verwaltungsgerichts, den Ausbau der freiwilligen Ausreise und die Schaffung eines Ausreisegewahrsams.

Auch Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks verteidigte die Flüchtlingspolitik: „Wir haben im letzten Jahr erlebt, dass die Bundesregierung die Prognosen für die Flüchtlingszahlen viermal erhöht hat. Am Ende des Jahres 2015 haben dann noch viel mehr Flüchtlinge unser Land erreicht – nämlich über eine Million anstatt der zuletzt prognostizierten 800.000 Menschen.“ Aktuell weigere sich die Bundesregierung, eine neue Prognose aufzustellen. Damit lasse sie die Bundesländer allein. Weil man seriös planen wolle, gehe Hamburg davon aus, dass die Entwicklung so sein werde wie im zweiten Halbjahr 2015. „Deswegen ist es richtig, dass wir mit Zugangszahlen von etwa 3000 Personen pro Monat planen.“

Der Flüchtlingskoordinator Anselm Sprandel sagte zudem, dass die Zahl der tatsächlich vorzuhaltenden Plätze um fünf bis zehn Prozent höher ausfallen müsse. Etwa wegen ungerader Familiengrößen oder ansteckender Krankheiten. „Wir benötigen darüber hinaus temporäre Plätze, die wir solange vorhalten müssen, bis die Bewohner in die fertiggestellten Unterkünfte umziehen können.“ Ein großer Teil der Folgeunterkünfte werde erst Ende 2016 fertiggestellt.