Hamburg. Beingate, Karatekampf und Turteleien im Ski-Urlaub: Hamburgs FDP-Chefin im Spagat zwischen Politik und gelungener Selbstinszenierung.
Es ist ja nicht so, dass Politik nur von dicklichen älteren Männern mit tiefen Stirnfalten gemacht werden darf, die jeden Abend sehr ernst sehr bedeutende Sätze in öffentlich-rechtliche Kameras sagen. Man kann sich auch einfach lächelnd im knallgelben Regenmantel für Plakate fotografieren lassen (zusammen mit einer mittlerweile vergessenen Parteifreundin ohne Doktortitel). Oder als hochhackige Karatekämpferin für die „Gala“ posieren und auch mal beim Skifahren für den Fotografen des „People“-Magazins in Tirol mit dem neuen Lover turteln, wie vor ein paar Wochen. Und dass zwischendurch die eigenen Beine von der Tagesschau so intensiv abgefilmt werden, wie es sonst nur Privatsender auf der Suche nach Nachwuchs-Models tun – dafür ist man ja nicht selbst verantwortlich.
Klar, diese Art Politik zwischen Boulevard und Bürgerschaftsklappsitz kann nicht jeder. Katja Suding beherrscht sie fast perfekt. Auch wenn sie dieser Tage wohl überzogen hat – mit der Idee, ihren Geburtstag im pompösen Kaisersaal des Rathauses zu zelebrieren.
Sie kanalisiert das Interesse an ihrer Person und behält die Kontrolle
Dabei hat die Hamburger Partei- und Fraktionsvorsitzende der FDP eigentlich gar keine Lust auf all dieses Chichi und Schickimicki. Sagt sie jedenfalls. Der Job bringe das halt manchmal mit sich. Deswegen lässt es sie auch kalt, dass der eine oder andere diese Form der Politikvermittlung für unwürdig hält. Und manche ihr vorwerfen, das Einzige, das sie mit ganzer Hingabe betreibe, sei die Inszenierung ihres stets herausgeputzten Egos.
Schrill: Katja Suding als Punk in der Bütt
„Sie ahnen gar nicht, wie viele Medien ständig anfragen und irgendetwas Privates wissen wollen“, kontert die 40-jährige getrennt lebende Mutter zweier Söhne. „Mein Privatleben ist für manche Medien offenbar ein Topthema. Manchmal werde ich zu Hause von Fotografen belagert, oder es werden unverschämt intime Fragen gestellt. “
Was also macht eine derart Gejagte, die sich als PR-Expertin mit Öffentlichkeitsarbeit auskennt? Genau, sie versucht das große Interesse selbst so zu kanalisieren, dass sie die Kontrolle behält. Dann macht sie eben mal ein paar Fotos mit dem Neuen im Schnee – bevor irgendein Klatschblatt selbst etwas von der Beziehung erfährt und daraus eine Geschichte bastelt, die sie nicht im Griff hat. „Schließlich geht es auch darum, dass die Veröffentlichungen so ausfallen, dass meine Kinder und meine Familie keinen Schaden nehmen“, sagt Suding. „Über mein Privatleben finden Sie sehr wenig. Darauf achte ich seit Jahren genau.“
Mit dem Abi-Kleid zum Dreikönigsball der FDP
Als all das anfing, in den Wochen vor der Bürgerschaftswahl vom Februar 2011, sei sie total baff gewesen, was da abgehe, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin heute. Der damalige FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle schleppte sie Anfang 2011 zum Dreikönigsball, und die bunten und auch die hochseriösen Gazetten stürzten sich auf die fotogene Frau aus Vechta. „Westerwelles next Topmodel“ nannte sie der „Spiegel“, und mit all dem war vorgegeben, in welcher Schublade Suding bis heute stecken sollte: Postergirl der FDP, liberales Pin-up.
Sogar über ihr Kleid seien damals längere Abhandlungen erschienen, sagt sie. „Dabei war das mein altes Abi-kleid.“ Ihre Schulfreundinnen hätten all den Hype amüsiert zur Kenntnis genommen. „Für die war ich früher immer der Bücherwurm, die Intellektuelle, die fast nur in Klamotten aus dem Secondhandladen rumgelaufen ist.“
Na gut, zu der Geschichte in der „Gala“ vor der Bürgerschaftswahl 2015 hat man sie natürlich nicht gezwungen, zu dieser Bilderstrecke, in der sie mit den FDP-Kolleginnen Lencke Steiner und Nicola Beer unter der Schlagzeile „Drei Engel für Lindner“ eine Art Freistil-Karate vorführte. Es sei aber gar nicht um die Fotos gegangen, sondern um eine andere Form der Politikvermittlung, sagt sie heute. Darum, ein anderes Publikum zu erreichen. Außerdem sei das zu den Bildern gedruckte Interview hochpolitisch gewesen.
Man kann das belächeln, belästern oder sich bis zu großer Ernsthaftigkeit darüber aufregen. Der Erfolg aber hat Suding recht gegeben. Im Kleinen, was sich in der Anekdote spiegelt, die Sudings Sprecher von seiner jungen Friseurin erzählt. Die habe Suding nicht gekannt, sie in der „Gala“ gesehen, sie toll gefunden und, obwohl sie aus einer alten SPD-Familie stammte, am Wahlabend eine SMS geschickt: „Habe Euch gewählt. Jetzt Ärger zu Hause.“ Aber auch im Großen, denn es war Suding, die die FDP mit dem Wahlerfolg 2015 bundesweit wiederbelebte.
Muss man die Frau, die mittlerweile als stellvertretende Bundesvorsitzende auch in der Bundespartei ein paar Wörtchen mitzureden hat, also wirklich bedauern, wie sie es bisweilen einzufordern scheint? Wegen all der Paparazzi, der Wadenfetischisten bei der ARD und der unverschämten Klatschreporter, die ihr Leben so anstrengend machen? Wohl kaum. Denn auch dieses Klagelied erscheint wie ein Teil einer ausgefeilten Inszenierung. Sie selbst hat kürzlich beim Blankeneser Neujahrsempfang versucht sich auf die Schippe zu nehmen. Das Echo war gemischt, manchem wurde nicht klar, was sie mit ihrer Rede sagen wollte, in der sie sich auch über die eigenen Beine ausließ. Ironie versteht eben nicht jeder.
Aber, und da wird die Frau, die sonst beim Anblick einer Kamera stets reflexhaft lächelt, schon fast finster, all das sei sowieso nicht der Kern ihrer Arbeit. Ihr gehe es um Politik! Um Gestaltung! Um Inhalte!
Kombination aus Inhalten und Privatem helfen ihrer Bekanntheit
Und mit was für Inhalten soll man sie verbinden, also zum Beispiel die Friseurin ihres Sprechers und deren Freundinnen? Denken die bei Suding an den Abbau der kalten Progression? Oder nicht doch zuerst an die langen Beine und das Geflirte im Schnee?
Möglich, sagt Suding, aber das sei normal. Es könne doch auch kaum jemand sagen, was er für Inhalte mit SPD-Fraktionschef Andreas Dressel oder CDU-Fraktionschef André Trepoll verbinde. Politik werde nun mal über Personen transportiert. Und dabei gehe es auch um Bekanntheit. Wer sich in Deutschland mit Politik befasse, kenne Katja Suding. Trepoll, könnte sie anfügen, kennt man nicht einmal in Hamburg. Inhalte hin oder her. (Trepoll, das muss zu seiner Verteidigung gesagt sein, hatte aber auch noch nicht die Chance, in „Gala“ Karate zu machen.)
Abgesehen von all dem komme sie doch fast täglich auch mit ihren politischen Botschaften in den Zeitungen vor, fast häufiger als die anderen ach so seriösen Damen und Herren aus der Bürgerschaft. Sie habe als Haushaltsexpertin in Hamburg mit für die vorgezogene Schuldenbremse gesorgt und zusammen mit der Fraktion zahlreiche Akzente in der Verkehrs- und Bildungspolitik gesetzt. Außerdem hat sie sich gerade bundesweit mit den Feministinnen angelegt – beim Streit über die Deutung der Silvester-Übergriffe. Relativierung warf sie denen in einem offenen Brief an die Grünen-Politikerin Claudia Roth vor.
„Wie können Sie den Frauen, die auf der Kölner Domplatte, in Hamburgs Großer Freiheit oder an anderen belebten öffentlichen Orten bedroht, geschändet, beraubt worden sind, einfach achselzuckend zurufen, dass das auf dem Oktoberfest doch angeblich schon immer so sei?“, fragte Suding. Andersherum hat sie nie verstanden, warum der damalige FDP-Chef Rainer Brüderle mit einem Fast-Shitstorm überzogen worden sei, weil er zu einer Reporterin gesagt habe, sie könne ein Dirndl ausfüllen. Das stehe doch alles in keinem Verhältnis. „Frauen sollten sich nicht selbst zu Opfern machen“, sagt Suding auch in der Debatte über die Quote. Gute Frauenpolitik habe vor allem mit Steuerpolitik und Instrumenten der Familienpolitik zu tun.
Es ist kein Zufall, dass Suding derzeit wieder vermehrt bundesweit in Erscheinung tritt – sei es im Clinch mit Feministinnen oder beim Turteln mit dem Lebensabschnittsgefährten. Schließlich will sie 2017 in den Bundestag, und noch in diesem Jahr nominiert Hamburgs FDP die Spitzenkandidaten.
Aber zuerst musste sie in dieser Woche noch eine PR-Scharte auswetzen. Die Sache mit der Geburtstagsparty. Eigentlich wollte die Bürgerschaftsfraktion Ende Januar eine große Party im noblen Kaisersaal nachträglich zu Sudings 40. Geburtsparty geben. Das aber kam in der Öffentlichkeit nicht gut an, es wirkte großspurig, und die Zeitungen begannen zu lästern. Dabei habe auch Linksfraktionschefin Dora Heyenn 2014 ihren Geburtstag im Rathaus gefeiert, sagt Suding. Das sei kein Thema gewesen. So oder so: Abgesagt hat sie die Party nun trotzdem – weil sie „den Eindruck vermeiden wollte, hier werde Privates und Politisches vermischt“. Schließlich gehe es am Ende oft gar nicht um die Sache selbst, sondern nur um den öffentlichen Eindruck, den jemand hinterlasse.
Wer sollte das besser wissen als Katja Suding?