Hamburg. Opposition macht Bürgermeister für das Scheitern des Olympiareferendums verantwortlich. SPD fühlt sich vom Bund im Stich gelassen.
Es war eine Geste von großem Seltenheitswert: Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) stand nach der Rede von Innen- und Sportsenator Michael Neumann (SPD) zum gescheiterten Olympiareferendum von seinem Platz auf, um Neumann per Handschlag zu danken. Eigentlich hatte Scholz selbst den ersten parlamentarischen Schlagabtausch nach dem Aus aller Olympiapläne bestreiten wollen, aber Neumann hatte als Motor der Kampagne für die Spiele 2024 darauf gedrängt, selbst das Wort zu ergreifen.
In der Kampagne für eine Bewerbung Hamburgs um die Olympischen Sommerspiele 2024 hatten Senat, SPD, Grüne, CDU und FDP Seite an Seite gestanden. Doch jetzt, nach dem knappen Aus beim Referendum am 29. November, lieferten sich die Partner von eben eine harte und emotionale Auseinandersetzung über Ursachen und Schuld.
„Die Verhandlungen mit dem Bund über die Finanzierung der Spiele waren unprofessionell. Das ist umso schlimmer, als sich Olaf Scholz immer als Macher auf Bundesebene inszeniert“, griff CDU-Fraktionschef André Trepoll den Bürgermeister direkt an. Es sei Scholz nicht gelungen, den Bund frühzeitig in die Planungen einzubinden. „So geht man nicht mit einem Partner um“, sagte Trepoll mit Blick auf die Erwartung Hamburgs, der Bund solle sich mit 6,2 Milliarden Euro an den Spielen beteiligen. „Herr Bürgermeister, mit Ihrer Basta-Politik haben Sie Hamburg geschadet. Das ist die Wahrheit“, rief Trepoll unter Beifall seiner Fraktion und wütenden Protesten von Rot-Grün. Besonders empörte den CDU-Politiker, dass Scholz in ersten Äußerungen nach dem Referendum bei sich selbst keine Fehler entdecken konnte.
Die Retourkutsche folgte prompt. „Glauben Sie eigentlich, dass Sie mit solchen Reden irgendeinen Beitrag gegen die Politikverdrossenheit leisten?“, fuhr SPD-Fraktionschef Andreas Dressel seinen CDU-Kollegen an. „Wir haben gemeinsam verloren, aber jetzt soll ein Sündenbock gesucht werden. Das ist plumpe Polemik.“ Doch auch Dressel beteiligte sich an der Suche nach Schuldigen: „Wo war eigentlich die Bundeskanzlerin? Vom Bund kam zu wenig. Unterstützung sieht anders aus.“ Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte nach der Entscheidung, der Bund hätte die Stadt bei Olympia unterstützt, aber nicht in dem von Hamburg gewünschten Maße. „Schäuble tritt nach, das ist schlicht unsportlich.“ Dressels Fazit: „Die CDU-Vertreter in der Bundesregierung haben Hamburg hängen lassen.“
Olympia-Referendum: Der Tag der Entscheidung
Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks setzte nach: „Herr Trepoll, wie häufig sind Sie bei Ihren Parteifreunden in Berlin gewesen, um für Olympia zu werben? Die Antwort lautet nie.“
Auch FDP-Fraktionschefin Katja Suding griff den Bürgermeister persönlich an: „Das Referendum war auch eine Absage an Ihre politische Führungskraft.“ Suding ging davon aus, dass Scholz von Anfang an wusste, dass sich der Bund nicht in der von ihm geforderten Höhe von 6,2 Milliarden Euro an den Spielen beteiligen würde. „Warum haben Sie das verschwiegen? Wenn Sie die Hamburger getäuscht haben, dann fordern wir Sie auf, sich zu entschuldigen“, rief Suding und sorgte für heftigen Protest bei Rot-Grün. Scholz müsse jetzt die Vertrauensfrage in der Bürgerschaft stellen.
„So viel Engagement, liebe Katja, hätte ich mir von Dir vor dem Referendum auch gewünscht“, polterte Dressel. Der Wutausbruch Sudings ging im Jubel von SPD und Grünen unter. Später sprach die Liberale davon, es sei eine „Unverfrorenheit“, der FDP mangelnden Einsatz zu unterstellen.
„Aufarbeitung sieht anders aus. Ich höre eigentlich ausschließlich Rechtfertigungen und Schuldzuweisungen“, sagte die Linken-Fraktionschefin und Olympiagegnerin Sabine Boeddinghaus. Die Befürworter hätten „arrogant und ignorant an den Bedürfnissen der Mehrheit der Bürger vorbeigeträumt“.
Innen- und Sportsenator Neumann bekannte in seiner nachdenklichen Rede, dass das Ergebnis des Referendums ihn traurig mache. Aber: „Wer das Volk fragt, muss die Antwort ertragen wollen.“ Ihm habe die Vorstellungskraft gefehlt, dass die Hamburger nicht zustimmen würden. Olympia hätte ein „Katalysator“ für die Entwicklung der Stadt sein können.
Aber der Wettbewerb um die Zukunft der Stadt gehe trotzdem weiter. „Ein Rückschlag? Nein, eher Herausforderung.“ Alle Langzeitplanungen hätten Bestand. „Olympia war das Trainingslager. Das ist jetzt von der Bevölkerung abgesagt worden, und wir müssen uns jetzt noch mehr anstrengen“, sagte Neumann. „Hamburg gab es 800 Jahre ohne Olympiabewerbung, und es wird die Stadt auch ohne Bewerbung noch lange geben.“ Sprach’s und ging zur Senatsbank, um den Dank des Bürgermeisters entgegenzunehmen.