Hamburg. Lufthansa erhält nach mehrfachen Verschiebungen auf Finkenwerder den spritsparenden Jet. Kunden bestellten schon fast 4500 Flugzeuge.

Die erste Auslieferung eines neuen Flugzeugs ist den beteiligten Unternehmen normalerweise eine Show wert. Da wird gern mal ein roter Teppich ausgerollt, auf dem die Vorstandschefs telegen entlang ins Innere des Jets schreiten. Stewardessen lächeln in die Kameras. Musik spielt auf.

Die Übergabe des ersten A320neo am gestrigen Mittwoch vom Hersteller Airbus an den Erstkunden Lufthansa ist hingegen nüchtern ausgefallen. Ohne Zeremonie. Ohne geschmückte Kulisse. Ohne Medienvertreter. Um kurz nach 16 Uhr flatterten die Pressemeldungen in die E-Mail-Postfächer. Offenbar war der Übergabetermin zu kurzfristig angesetzt worden, um daraus ein Event machen zu können. Das könnte an der mehrfach verschobenen Erstauslieferung gelegen haben.

Lufthansa springt als Erstabnehmer ein

Eigentlich sollte bereits Ende des vergangenen Jahres Qatar Airways den neuen spritsparenden Kurz- und Mittelstreckenflieger des europäischen Herstellers erhalten. Doch die Golfairline lehnte ab. Die Triebwerke – das Herzstück der Variante neo, die für new engine option (also: neue Antriebsmöglichkeit) steht – hatten ein Kühlungsproblem. Der obere Teil des Triebwerks kühlte langsamer ab als der Rest, was zu Verkrümmungen und einem Scheuern führen könne. Sicherheitsrelevant sei dies nicht, hieß es. Es verursache aber Extrakosten durch notwendige mehrminütige Leerläufe.

Bei der Lufthansa war man wohl optimistischer, dass die technischen Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen sind. Der DAX-Konzern sprang als Erstabnehmer ein. Ein erster Termin vor Weihnachten platzte. Dennoch hielt Airbus am Ziel der Erstauslieferung im Jahr 2015 fest. Bis einen Tag vor Silvester. Dann wurde die Erstauslieferung verschoben.

Der Schriftverkehr mit dem Luftfahrtbundesamt sei zwischen den Feiertagen nicht zu stemmen gewesen, hieß es von Airbus. Die Behörde braucht eine detaillierte technische Dokumentation, um dem Flugzeug die Betriebszulassung zu erteilen. Als neuer Termin wurde der Januar genannt – und gestern eingehalten.

Weniger Spritverbrauch durch neue Triebwerke

In einer Werkshalle auf Finkenwerder packen Airbus-Chef Fabrice Brégier, der Lufthansa-Vorstandsvorsitzende Carsten Spohr und Robert Leduc, Präsident des Triebwerkherstellers Pratt & Whitney, für den Werksfotografen die Hände aufeinander und recken den Daumen nach oben. Frei nach dem Motto: Geschafft!

Dem Anlass entsprechend waren denn auch die Statements der Beteiligten. „Die Übergabe des ersten A320neo an eine weltweit führende Airline und einen langjährigen Kunden wie die Lufthansa ist ein großer Tag für uns alle bei Airbus“, sagte Brégier. Es sei ein weiterer Schritt zu einer nachhaltigeren Luftfahrt.

Der A320neo soll dank der neuen Triebwerke und nach oben gebogenen Flügelspitzen (Sharklets) mindestens 15 Prozent weniger Sprit verbrauchen. Bei den Kunden kommen die Hoffnungen auf sinkende Treibstoffkosten gut an: Knapp 80 Fluggesellschaften und Leasingunternehmen bestellten den Jet schon. Aufträge für fast 4500 Maschinen stehen in den Büchern. Das sichert auch die Beschäftigung beim mit 12.500 Beschäftigten größten Arbeitgeber der Hansestadt.

Airbus: vierte Endmontagelinie Anfang 2018

Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) sprach entsprechend von einem Meilenstein für den Luftfahrtstandort: „Mit der heutigen ersten Auslieferung dieses innovativen Flugzeugs hat Airbus und damit auch der Standort Hamburg die Tür zur Zukunft des Fliegens weit aufgestoßen.“ So wie Hamburg mit dem Bekenntnis zu Airbus alles richtig gemacht habe, habe auch der Flugzeugbauer mit dem A320neo genau die richtige Entscheidung getroffen. Horch: „Die Innovationskraft der Luftfahrtbranche ist für die Metropolregion Hamburg ein sehr wichtiger Standortfaktor.“

Mehr als die Hälfte der Jets der A320-Familie werden in Hamburg zusammengeschraubt und ausgeliefert. Spätestens Anfang 2018 soll auf Finkenwerder die vierte Endmontagelinie für die Jets in Betrieb sein, hatte Airbus-Deutschland-Chef Klaus Richter am Vortag im Abendblatt-Interview angekündigt. Mitte 2019 sollen dann monatlich insgesamt 60 Flieger der A320-Familie die Werke in Hamburg, Toulouse, Tianjin (China) und Mobile (USA) verlassen.

Erstkunde Lufthansa bestellte insgesamt 116 Flugzeuge dieses Typs. „Wir freuen uns, heute als erste Fluggesellschaft weltweit den A320neo in Empfang zu nehmen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Carsten Spohr. Mit der führenden Technologie von Airbus und Pratt & Whitney sei der A320neo das „mit Abstand effizienteste und leiseste Flugzeug auf Kurz- und Mittelstrecken“. Generell sehe man sich als Vorreiter technischer Innovationen. In diesem Jahr erhalte der Konzern 52 neue Flugzeuge. „So viele wie seit Jahren nicht mehr“, so Spohr.

Pratt-&-Whitney bekommt Konkurrenz

Pratt-&-Whitney-Präsident Leduc hofft auf eine erfolgreiche Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen noch über viele Jahre. Und viele Folgeaufträge. Allerdings wird der US-Triebwerkhersteller in den nächsten Monaten Konkurrenz bekommen. CFM International, ein Joint Venture von General Electric (USA) und Snecma (Frankreich), wird in den nächsten Monaten ebenfalls ein Aggregat auf den Markt bringen.

Dieses müssen die Europäische Agentur für Flugsicherheit ­(EASA) und ihr amerikanisches Pendant FAA für den Einsatz aber erst noch zulassen. Und dass es selbst im Anschluss dazu noch zu Verzögerungen kommen kann, musste Pratt & Whitney erfahren. Von den Behörden erhielt die Firma die Zertifizierung schon am 24. November 2015 – für eine erfolgreiche Auslieferung reichte das aber nicht.