Hamburg. Andy Grote, Bezirksamtsleiter in Mitte, wird neuer Innensenator. So tickt der St. Pauli-Fan mit dem Faible für Stadtentwicklung.
Mit seiner Berufung zum Innensenator profitiert Andy Grote (47, SPD) zum zweiten Mal von einem Rücktritt seiner Vorgänger. Vor vier Jahren war es die erzwungene Demission des damaligen Mitte-Bezirksamtsleiters Markus Schreiber (SPD), die ihn zum Chef der 1500 Mitarbeiter starken Behörde machte. Und nun, da Innensenator Michael Neumann (SPD) die Brocken hingeschmissen hat, katapultiert ihn das an die Spitze der Innenbehörde.
Der Nachrücker Grote ist aber kein bloßer Lückenbüßer. Schon früh hat er sich in der Hamburger Politiklandschaft einen Namen als versierter Fachpolitiker gemacht. Zunächst in der Bezirksversammlung Mitte, in die er 2002 gewählt worden ist. Da hatte er schon längst das Thema Stadtentwicklung für sich entdeckt. So hat Grote als Referent in der Baubehörde für Bausenator und SPD-Schwergewicht Eugen Wagner gewirkt. Die inhaltliche Ausrichtung war klar. Es dürfte in Mitte nur wenige geben, die sich in den Stadtteilen so gut auskennen wie Grote. Schnell stieg er in der Bezirksversammlung zum Fraktionschef auf (2004) und schaffte vier Jahre später den Sprung in die Bürgerschaft, wo er – natürlich – Sprecher für Stadtentwicklung wurde.
Andy Grote mag keine großen Auftritte
Grote ist kein Lautsprecher. Große Auftritte wie etwa Markus Schreiber, der bei Abrissterminen schon mal selbst Hand an den Bagger legte, liegen dem Juristen nicht. Er ist bestimmt, oft auch vorsichtig und wägt in der Öffentlichkeit seine Worte ab. Innerhalb der Hamburger Sozialdemokratie hat er sich ein gut funktionierendes Netzwerk geschaffen. Neben dem ehemaligen Bausenator Wagner gehörte auch der einst einflussreiche SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Ingo Kleist zu seinen frühen Förderern.
Bis 2012 arbeitete Grote in der Kanzlei von Christian Bernzen, der wiederum Schatzmeister der Hamburger SPD ist. Dass Grote nun für die Spitze des Innenressorts vorgesehen ist, wird am Ende auch nicht ohne Einfluss des SPD-Kreischefs und Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs geblieben sein. Zu seinen Freunden gehören die ehemalige SPD-Justizsenatorin Jana Schiedek und auch sein Vorgänger in Mitte, Markus Schreiber.
Hamburgs Innensenatoren seit 1950
Dieser habe ihn gefragt, ob er sein Nachfolger werden wolle, sagte Grote einmal. Anfang 2012 hatte Schreiber seinen Posten räumen müssen. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte ihn im Februar 2012 nach seinem ungeschickten Umgang bei der Aufarbeitung des Methadon-Todes der elfjährigen Chantal zum Rücktritt gedrängt. Es dauerte nur anderthalb Jahre, bis Andy Grote selbst auf die Probe gestellt wurde. Ende 2013 starb die dreieinhalb Jahre alte Yagmur gewaltsam in ihrem Elternhaus. Das allein war schon entsetzlich genug. Doch das Kind stand wie Chantal unter Aufsicht des Jugendamts Mitte. Mal wieder schaute die gesamte Stadt auf diesen Bezirk.
Grote suchte Unterkünfte für Essohäuser-Mieter
Zuvor hatte Grote noch das Ziel ausgegeben, in Mitte das beste Jugendamt der Stadt zu installieren. Er hatte eine neue Leitung eingestellt und interne Arbeitsabläufe geändert. Und nun musste Grote feststellen, dass ein einzelner Bezirksamtsleiter das Jugendhilfewesen nicht verbessern kann, wenn das ganze System, an dem neben den Jugendämtern und Trägern auch Polizei, Staatsanwaltschaft, Richter und Mediziner beteiligt sind, nicht funktioniert.
Reaktionen auf Neumanns Rücktritt
Der Tod Yagmurs fiel zudem in eine schwierige Zeit für Grote. Fast zur selben Zeit mussten die Esso-Hochhäuser auf dem Kiez wegen Einsturzgefahr geräumt werden. Grote selbst war bis tief in die Nacht damit beschäftigt, Ausweichquartiere für die Bewohner zu organisieren. Tagsüber musste er sich dafür rechtfertigen, dass es keine Alternative dazu gegeben habe.
Im späteren Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Tod Yagmurs brachte Grote die Abgeordneten aus der Opposition durch sein vorsichtiges Auftreten gegen sich auf. Das hatte seinen Grund. Zweimal zuvor hatte er sich in diesem Fall die Finger verbrannt. Gleich am Anfang, als er wenige Stunden nach dem Tod des kleinen Mädchens gesagt hatte, dass es keine Erkenntnisse über Gefahren für das Kind gegeben habe. Eine ähnliche Aussage hatte Schreiber den Kopf gekostet. Und ein halbes Jahr später ließ Grote über einen Mitarbeiter nachfragen, ob er die Protokolle von Untersuchungsausschuss-Sitzungen einsehen dürfe. Dass er das als Zeuge nicht dürfe, habe er nicht gewusst, ließ er später wissen. Das war zwar glaubhaft, denn Dreistigkeit ist nicht seine Sache. Aber peinlich war es schon für einen erfahrenen Politiker und Behördenchef.
Die Rettung des Silbersacks
Erfahrung ist einer der Gründe für seine Berufung zum Innensenator. Als ausgewiesener Innenexperte hat sich Andy Grote bislang jedoch noch nicht hervorgetan. Im Gegenteil: Er legte sich sogar mit der Innenbehörde an, als diese im vergangenen Sommer über Nacht und ohne Rücksprache mit ihm die Kapazität der Unterkunft an der Dratelnstraße um 500 Plätze erhöhte. Der Affront machte Grote, den Stadtentwickler, der dort einen neuen Stadtteil errichten lassen wollte, so wütend, dass er seine Zurückhaltung verlor und öffentlich den Senat kritisierte.
Kommentar: Neumanns Rücktritt vergrößert die Probleme der SPD
Neben der Entwicklung von neuen Stadtteilen liebt Grote den Erhalt. So stand er – seit Ende der 90er-Jahre lebt er auf dem Kiez – an der Spitze der Bewegung, als es um die Rettung der legendären Kneipe Silbersack auf St. Pauli ging. Er hat die dortige Kneipenfußballmannschaft mitgegründet und ist Fan des FC St. Pauli.
Rundgang über den Kiez mit Grote: