Hamburg. Mustafa Yoldas, Vorsitzender des Islamverbands, wehrt sich mit seinen Glaubensbrüdern gegen einen Generalverdacht.

Während der Zentralrat der Muslime in Deutschland nach den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht zunehmende Islamfeindlichkeit registriert, wehren sich Hamburgs Muslime entschieden dagegen, unter Generalverdacht gestellt zu werden. Mustafa Yoldas, Vorsitzender der Schura, des Rates der islamischen Gemeinden, sagte, die Übergriffe in Hamburg und Köln könnten nicht an der Religionszugehörigkeit festgemacht werden, zumal ein Nachweis darüber bislang fehle. „Es handelt sich in erster Linie um offenbar abgesprochene, kriminelle Handlungen – und die müssen mit aller Härte bestraft werden.“

Er verurteile die sexuellen Übergriffe auf dem Kiez und an anderen Orten der Stadt als „Straftaten, die weder mit den Moralvorstellungen des Islam noch einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ in Einklang zu bringen seien. Die Täter seien nach bisherigen Erkenntnissen überwiegend alkoholisiert gewesen, was dafür spreche, dass es sich nicht um „anständige Muslime“ gehandelt habe, so Yoldas.

Die Übergriffe einzelner Straftäter, die auch in den Tagen nach Silvester in Hamburg von der Polizei publik gemacht wurden, hätten nichts mit dem Frauenbild des Islam zu tun. In der Religion, wie Yoldas sie auslege, werde die Ehre und Würde einer Frau respektiert. Offenbar, so der Schura-Vorsitzende, seien die Täter, sofern sich Flüchtlinge unter ihnen befanden, mit falschen Moralvorstellungen nach Deutschland gekommen. „Ihnen muss in Integrationskursen verstärkt beigebracht werden, wie Deutschland tickt. Dass es hier Werte gibt, die nicht aufweichen, nur weil größere Freizügigkeit gelebt wird.“ Praxisübungen in Integrationskursen hält er für sinnvoll, um potenzielle Übergriffe präventiv zu vermeiden. Wer das nicht verstehe, habe sein Bleiberecht verwirkt. „Zumal es in der arabischen-islamischen Kultur zu den verwerflichsten Dingen gehört, das Gastrecht zu missbrauchen.“

Für Fazal Ahmad, Sprecher der Schnelsener Ahmadiyya Gemeinde, lässt sich kein Zusammenhang zwischen dem Frauenbild des Islam und den Übergriffen herstellen: „Die Täter müssen strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden“, sagt er. „Aber Muslime jetzt in Sippenhaft zu nehmen ist in keiner Weise angebracht.“ Von den etwa vier Millionen Muslimen in Deutschland sei bisher nicht bekannt, gegenüber Frauen übermäßig übergriffig geworden zu sein. Die meisten hätten die Sitten verstanden und anerkannt. „Zudem gilt im Islam derjenige als edel, der seine Frau gut behandelt“, sagt Ahmad. Deshalb sei es schwer vorstellbar, dass die Grundlage der Taten religiöser Herkunft war.

Muslime beteuern: Wer den Islam ernst nimmt, ist friedlich und nicht kriminell

Als „katastrophal“ und „abscheulich“ geißelt Daniel Abdin, Vorstandsvorsitzender der Al-Nour-Moschee am kleinen Pulverteich in St. Georg, die Taten der Silvesternacht. Er fordert Aufklärung und harte Strafen für die Täter. Der 52-Jährige fürchtet gleichzeitig, dass die Vorkommnisse zu einem Riss in der Gesellschaft führen könnten. Noch bevor geklärt sei, wer die Täter sind, würden Flüchtlinge oder Muslime von einem Teil der Gesellschaft zu Schuldigen gemacht. Vor solchen Kollektivbeschuldigungen warnt Abdin wie seine Glaubensbrüder: „Wir dürfen nicht anfangen, Menschen muslimischen Glaubens oder Flüchtlinge über einen Kamm zu scheren. Es gibt in jeder Gesellschaft auf der ganzen Welt Menschen mit krimineller Energie.“

Grundsätzlich hält es Abdin für irrelevant, welchen Glauben die Täter der Silvesternacht hatten. Mit dem Islam hätten solche Taten nichts zu tun. Im Gegenteil: „Wer den Islam ernst nimmt, der ist friedlich und wird nicht kriminell.“ Dass es Menschen gibt, die Gewalttaten mit Religion begründen, mache ihn traurig und wütend. „Die muslimischen Gemeinden in Hamburg sind Teil der Integrationslösung“, sagt er. Er betont, dass Interessierte in der Al-Nour-Gemeinde jederzeit willkommen sind. Denn: „Wir haben immer Tag der offenen Tür.“

Hetze wie beim Zentralrat der Muslime blieb bei Hamburger Schura bisher aus

Hassmails und Drohanrufe habe es beim Hamburger Islamverband Schura bisher nicht gegeben, sagt deren Vorsitzender Mustafa Yoldas. „Im Gegensatz zu anderen Teilen Deutschlands haben wir in Hamburg bisher keine fühlbare Zunahme der Islamfeindlichkeit wahrgenommen.“ Beim Zentralrat der Muslime in Deutschland mit Sitz in Köln sieht das ganz anders aus. Nach den Übergriffen erreichten 50 Drohanrufe sowie Hunderte Hassmails und -briefe den Verband, sagte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek dem „Kölner Stadtanzeiger“. Dazu gebe es Hetze im Internet, der Verband musste sogar die Telefonanlage abstellen. „Wir erleben eine neue Dimension des Hasses“, sagte Mazyek. Sein Hamburger Glaubensbruder Yoldas ist vor diesem Hintergrund der Generalabrechnung erleichtert, „dass unsere Befürchtungen in der Stadt nicht eingetroffen sind“.