Hamburg. Die Hamburger Umweltbehörde startet ein Pilotprojekt, durch das künftig weniger Regenwasser in die Kanalisation fließen soll.

Gullydeckel schwammen weg, Autos blieben stecken, die U-Bahn fiel aus – am 6. Juni 2011 sorgte ein ungewöhnlich heftiges Unwetter für verheerende Überschwemmungen in der Hamburger Innenstadt. Künftig könnte solcher Starkregen wegen des Klimawandels häufiger auftreten, prognostiziert der Deutsche Wetterdienst (DWD). Denn die zunehmende Erwärmung wird dazu führen, dass mehr Feuchtigkeit in die Luft gelangt.

Bis 2050 sind laut DWD fünf bis sechs Tage pro Jahr mit 20 Litern Niederschlag pro Quadratmeter und mehr in der Hansestadt zu erwarten. Vor allem im Winter werde der Niederschlag zunehmen, aber auch in den künftig trockeneren Sommern sei mehr Starkregen zu erwarten. „Hamburg wird wärmer und nasser“, so DWD-Vizepräsident Paul Becker.

Extreme Schauer können nicht nur Überschwemmungen auslösen, sondern auch Siele überlaufen lassen. Dabei kann sich Regenwasser mit Toilettenwasser mischen, das dann in die Hamburger Bäche und Flüsse gelangt. Um sich gegen solche Klimafolgen besser zu wappnen, soll künftig weniger Regenwasser in die städtische Kanalisation fließen, sondern stattdessen vor Ort versickern oder verdunsten. Das sieht der „Strukturplan Regenwasser 2030“ vor, den die Umweltbehörde nun vorstellt. Die darin enthaltenen Empfehlungen sind im Zuge des Projekts RegenInfraStrukturAnpassung (RISA) entwickelt worden, das seit 2009 läuft. In ihrem Abschlussbericht schlagen die Autoren – Stadt-, Landschafts- und Verkehrsplaner sowie Wasserwirtschaftler – 21 Pilotprojekte in Hamburg vor. Die Finanzierung ist bisher allerdings erst für zwei Baumaßnahmen gesichert, die 2016 starten sollen: im Ohlendorffs Park in Volksdorf und im Bereich Schimmelmannallee/Ossietzky­-straße in Wandsbek. Dafür stellen die Umweltbehörde und Hamburg Wasser 1,4 Millionen Euro bereit.

Ob und wann die weiteren Empfehlungen umgesetzt werden, ist unklar. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hofft, dass die ersten Maßnahmen für eine bessere Versickerung vorbildhaft sein könnten für weitere ähnliche Anpassungen, die kommen sollen, um im größeren Maßstab etwas zu bewirken. Denn Hamburg wird nicht nur mehr Starkregen verkraften müssen, sondern auch mit dem Problem konfrontiert sein, dass durch den Bau von Tausenden Wohnungen zunehmend Flächen versiegelt werden, was die Versickerung von Regenwasser erschwert.

Feuerwehrleute
pumpen nach dem
Starkregen am
6. Juni 2011 ein
Einrichtungsgeschäft
leer
Feuerwehrleute pumpen nach dem Starkregen am 6. Juni 2011 ein Einrichtungsgeschäft leer © picture alliance / dpa

In Volksdorf beispielsweise kam es nach starkem Regen in der Straße Wiesenhöfen schon mehrfach zum Rückstau von Regenwasser, weil dieses nicht schnell genug über die Kanalisation abfließen konnte. Abhilfe schaffen soll bald eine Anpassung des nahe gelegenen Ohlendorffs Parks. Auf einer Wiese vor der Ohlendorff’schen Villa soll der natürliche Tiefpunkt genutzt werden, um überschüssiges Regenwasser aufzunehmen, versickern zu lassen und so Überflutungen in der Straße Wiesenhöfen zu verhindern. Der Umweltbehörde zufolge soll das Gelände so gestaltet werden, dass das Regenwasser nur kurz in der Wiese eingestaut wird und dann versickert. Grundsätzlich werde die Wiese weiter als Spiel- und Liegefläche dienen, so die Behörde.

Im Bereich Schimmelmannallee/Ossietzkystraße in Wandsbek können die dort verlaufenden Mischsiele, in denen Regen- und Schmutzwasser gemeinsam fließen, bei starken Niederschlägen das Regenwasser nicht mehr abführen. Dieses tritt dann im Tiefpunkt der Schimmelmannallee aus. Mehrfach musste deshalb schon die Feuerwehr anrücken.

Ein mögliches Pilotprojekt ist derUnicampus an der Bundesstraße

Um Überschwemmungen künftig zu verhindern, soll weniger Regenwasser in die Mischsiele fließen. Stattdessen soll es in Mulden im Boden und in unterirdischen Auffangspeichern, sogenannten Rigolen, landen, von denen aus es dann versickert. Dazu müssen die Regenwasserleitungen sowohl von privaten Grundstücken als auch öffentlichen Flächen von den Mischsielen abgekoppelt werden – Grundstücksbesitzer würden rechtzeitig über entsprechende, für sie kostenlose Maßnahmen informiert, so die Umweltbehörde. Die Abkoppelung entlaste Hausbesitzer, die ihr Regenwasser bislang in Siele leiten, von der Sielbenutzungsgebühr, die seit 2012 gesplittet ist.

Mulden und Rigolen einzurichten, um Überschwemmungen des Sielsystems zu verhindern, halten die Autoren des RISA-Abschlussberichts auch an vielen anderen Orten in Hamburg für eine gute Maßnahme. Entsprechende Pilotprojekte sind demnach etwa für Schulen in Niendorf, Stellingen und Harburg angedacht. Überlegt wird zudem, ob sich Entwässerungselemente in die Gestaltung von Schulhöfen einbinden lassen. An besonders heißen Tagen könnte Regenwasser in Mulden nicht nur versickern, sondern auch verdunsten und so einen kühlenden Effekt haben, so die Überlegungen.

Bei Umbauten und Sanierungen sollten künftig dezentrale, also vom Sielnetz abgekoppelte Entwässerungssysteme berücksichtigt werden, schlägt die Arbeitsgruppe vor. In der Liste mit möglichen Pilotprojekten finden sich etwa der Unicampus an der Bundesstraße und das Uniquartier in Eimsbüttel. Dort könnte man zusätzlich auch versickerungsfähige Wegbeläge einsetzen, heißt es.

Das Projekt RISA im Internet:
www.risa-hamburg.de