Hamburg. Wissenschaftsbehörde stellt Fördertopf für Integrationsprojekte bereit. Weitere Initiativen für ausgebildete Forscher.
Wer als Flüchtlingnach Hamburg kommt, braucht zunächst eine Zuflucht, einen Ort, an dem er sich sicher fühlt. Doch schon bald stellen sich neue Fragen: Wie geht es weiter? Welche Perspektiven habe ich in diesem Land? Unter den Asylbewerbern sind auch Studierende und Wissenschaftler, die sich hier eine Zukunft aufbauen wollen. Sie erhalten nun Unterstützung von gleich mehreren neuen Initiativen.
So wird die Hamburger Wissenschaftsbehörde 3,1 Millionen Euro bereitstellen, um Flüchtlingen zu einem Studium in der Hansestadt zu verhelfen und auf diese Weise zur Internationalisierung der Hochschulen beizutragen. Dabei handelt es sich nicht um zusätzliche Mittel, sondern um Geld, das aus sogenannten Leistungsorientierten Mitteln (LOM) für die Hochschulen im Jahr 2014 an die Behörde zurückgeflossen ist. Zu einer Rückerstattung kommt es, wenn vereinbarte Leistungen nicht erbracht wurden.
Um das Geld aus dem neuen Fördertopf hätten sich alle sechs staatlichen Hochschulen der Hansestadt sowie das UKE beworben, teilt die Behörde auf Anfrage mit. Ende Januar soll bekannt gegeben werden, welche integrativen Projekte unterstützt werden.
„Die Anträge zeigen, wie stark das Engagement für studierwillige Flüchtlinge ist“, sagt Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne). „Neben der schulischen und beruflichen Ausbildung ist das Studium ein wichtiger Baustein für die Integration durch Bildung. Außerdem entstehen auf dem Campus und im Seminar neue Kontakte und Freundschaften, die ein Zugehörigkeitsgefühl fördern und ein schnelles Einleben in unsere Gesellschaft ermöglichen.“
Um ausgebildete Wissenschaftler zu integrieren, beteiligen sich Hamburger Einrichtungen zudem an Initiativen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der größten Förderorganisation für Wissenschaftler hierzulande, und der Helmholtz-Gemeinschaft, zu der bundesweit 18 Forschungszentren gehören, darunter das Deutsche Elektronen-Synchrotron (Desy) in Bahrenfeld. Bei der DFG können Hochschulen seit Kurzem Zusatzanträge für die Beteiligung von qualifizierten oder angehenden Wissenschaftlern stellen. „Wir wollen alle Hochschulen und Projektleitungen ausdrücklich ermuntern, diese zusätzlichen Möglichkeiten zu nutzen“, sagt DFG-Präsident Prof. Peter Strohschneider.
An der Universität Hamburg und dem Uniklinikum Eppendorf heißt es, man habe die Wissenschaftler über die neuen Fördermöglichkeiten informiert. Aber auch unabhängig davon habe das UKE bereits zwei Maßnahmen auf den Weg gebracht, um Flüchtlingen den Zugang zu einem Arbeitsplatz zu erleichtern, sagt Prof. Uwe Koch-Gromus, Dekan der Medizinischen Fakultät. Demnach will das UKE Hospitationen in der inneren Medizin und in der Chirurgie für Ärzte und Angehörige von anderen medizinischen Fachkräften möglich machen, deren Abschluss in Deutschland anerkannt ist. Außerdem habe das UKE die Aufnahme von vier Projekten in das neue Förderprogramm der Wissenschaftsbehörde beantragt. Dabei gehe es unter anderem um ein Promotionsprogramm für Flüchtlinge, eine Qualifizierung für den Studiengang Medizintechnik, und eine Qualifizierung für ein Masterstudium.
Von der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) heißt es, das Zusatzangebot der DFG sei attraktiv. „Wir werden sicher prüfen, wie wir es nutzen können“, sagt TUHH-Sprecherin Jasmine Ait-Djoudi. Aus dem neuen Fördertopf der Wissenschaftsbehörde habe die Hochschule Mittel beantragt, um beispielsweise Weiterbildungsgrogramme für geflüchtete Ingenieure auszubauen.
Flüchtlinge: Impressionen aus Hamburg und Europa
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Offen für die Aufnahme von geflüchteten Wissenschaftlern zeigt sich auch die Hamburger Hochschule der Bundeswehr: „Die Helmut-Schmidt-Universität begrüßt das angekündigte Engagement der Deutschen Forschungsgemeinschaft sehr und wird zusätzliche Förderanträge für die Integration von geflüchteten Wissenschaftlern bei der DFG stellen“, sagte Präsident Prof. Wilfried Seidel. „Wir sehen das Potenzial der geflüchteten Wissenschaftler als große Chance.“ Auch abseits der DFG-Förderung habe seine Hochschule Haushaltsmittel für die Beschäftigung von internationalen Gastwissenschaftlern eingeplant. „Geflüchtete können bereits jetzt aus diesen Mitteln beschäftigt werden, sofern sie sich initiativ bei uns bewerben und qualifiziert sind“, sagt Seidel.
Das EMBL (European Molecular Biology Laboratory), das auch eine Forschungseinheit für Strukturbiologie auf dem Gelände von Desy betreibt, ist ebenfalls offen für Bewerbungen von talentierten Flüchtlingen und Asylsuchenden mit wissenschaftlichem Hintergrund, für Praktika genauso wie Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse. Bisher liegen dem EMBL jedoch noch keine Bewerbungen vor.
Die Desy-Personaler haben sich bereits mit der Agentur für Arbeit beraten
Das neue Förderprogramm der Helmholtz-Gemeinschaft sieht vor, dass die 18 bundesweit verteilten Forschungszentren der Gemeinschaft jeweils bis zu 20 Asylbewerber aufnehmen, insgesamt also bis zu 360 ausländische Fachkräfte, die wissen-schaftlich-technisch arbeiten können. Bei Desy hat im Rahmen des Programms zwar bisher kein geflüchteter Wissenschaftler angefangen – dazu sei die Initiative noch zu frisch. „Der Wunsch ist aber da“, teilt die Einrichtung mit. Was machbar wäre, haben die Desy-Personaler Sonja Gebert und Jochen Barnstedt bereits Ende 2015 mit dem Chef der Agentur für Arbeit in Hamburg, Sönke Fock, erörtert.
Einen Schritt weiter ist man in der Desy-Zweigstelle in Zeuthen bei Berlin. Dort begann im Dezember der Syrer Fuad Abu Sameer ein Praktikum. In seinem Heimatland hatte er Deutsch und Informatik studiert und anschließend drei Jahre als Softwareentwickler gearbeitet, bis er seine Zukunft durch den Bürgerkrieg zunehmend in Gefahr sah – und flüchtete.
Nun bekommt der 27-Jährige die Chance für einen Neuanfang in der Wissenschaft: Bis Ende März wird er in der Datenbankabteilung des Forschungszentrums in Zeuthen arbeiten. Danach würde er gern in Deutschland ein zweites Studium absolvieren: Wirtschaftsinformatik. Wenn ihm das gelingt, dürfte er gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.
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