Hamburg/Peking. Vor allem der Hafen spürt das geringere Wachstum in Fernost. Aber auch die Metall- und Elektroindustrie ist besorgt.
Das neue Jahr startet mit schlechten Nachrichten aus China. Zum Wochenanfang brachen dort erneut die Börsenkurse ein und rissen die Aktienmärkte in Europa mit in die Tiefe. Zwar erholte sich der chinesische Leitindex CSI 300 aufgrund massiver Finanzspritzen durch die Regierung in Peking leicht. Doch die schlechte Stimmung auf dem deutschen Börsenparkett hält an. Verantwortlich dafür sind vor allem schwache Daten aus der chinesischen Industrie, deren Produktion im Dezember den zehnten Monat in Folge schrumpfte. Das bereitet nicht nur Börsianern Kopfzerbrechen, sondern vielen Wirtschaftslenkern rund um den Globus. Vor allem in Hamburg. Denn die Hansestadt ist als Drehscheibe für den deutschen Im- und Export in vielerlei Hinsicht mit China eng verbunden.
Schwächt sich in der Volksrepublik die Konjunktur ab, wird das an der Elbe zumeist schnell spürbar. Das gilt insbesondere für den Hafen. 31 Prozent des seeseitigen Containerumschlags in Hamburg stammen aus dem Verkehr mit China. Knapp drei Millionen Container aus dem Reich der Mitte wurden 2014 in Hamburg umgeschlagen.
Schon im vergangenen Jahr verzeichnete die Hafenwirtschaft starke Rückgänge im Chinageschäft. Den stärksten Einbruch gab es zwischen April und Juni, als der Direktverkehr zwischen Hamburg und China um 21,5 Prozent schrumpfte. Jetzt wachsen im Hafen mit Blick auf China erneut Sorgen. Denn wenn an den Hamburger Umschlagterminals noch weniger zu tun ist, geraten viele Jobs in Gefahr.
Dabei spiele nicht nur die konjunkturelle Entwicklung in China eine Rolle, sagt Schifffahrtsprofessor Burkhard Lemper, Direktor des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik in Bremen. „Auffällig ist, dass insbesondere die Importe eingebrochen sind, während die Exportraten nach China vergleichsweise stabil bleiben. Das zeigt, dass in erster Linie die Nachfrage nach Produkten aus China nachgelassen hat“, sagt er. Die konjunkturelle Entwicklung in Europa habe also einen genauso starken, wenn nicht noch stärkeren Einfluss auf den Containerhandel mit China, also die Lage der Wirtschaft dort. „Wir dürfen nicht vergessen, dass der Hauptstrom im China-Europa-Verkehr der Import ist“, so Lemper.
Dass die Konjunktur in China schwächelt, versetzt vor allem die norddeutsche Metall- und Elektroindustrie in Sorge. Denn bislang hat die Nachfrage aus China die Auftragseinbußen im Europageschäft seit Beginn der Finanzkrise auffangen können. Die Exporte der deutschen Metallbranche ins Reich der Mitte haben sich im Zeitraum von 2009 bis 2014 auf 61 Milliarden Euro glatt verdoppelt. „Für ein Viertel unserer Mitgliedsunternehmen ist China das Hauptexportland. Die Umsätze dort haben in den vergangenen Jahren viel kompensiert, was nach der Finanzkrise an Geschäft in Europa und den USA weggebrochen ist. „Wenn China nachhaltig schwächeln sollte, wird das für die norddeutsche Metall- und Elektroindustrie deutlich spürbar“, sagt Peter Haas, Sprecher des Arbeitgeberverbands Nordmetall.
Auch die Hamburger Kupferhütte Aurubis spürt die Auswirkungen einer schwachen chinesischen Wirtschaft. Der Börsenabsturz am Montag hatte kurzfristig auch die Rohstoffmärkte unter Druck gesetzt. Und China ist der weltgrößte Abnehmer von Kupfer. „Das direkte Geschäft von Aurubis mit China spielt eine untergeordnete Rolle, dem Einfluss Chinas auf die Rohstoffmärkte können wir uns jedoch nicht entziehen“, sagt Aurubis-Sprecherin Michaela Hessling. Allerdings sei gemessen an der hohen Basis auch ein geringeres Nachfragewachstum immer noch ein gutes Wachstum, so die Sprecherin.
Der Präsident des Außen- und Großhandelsverbands BGA, Anton Börner, ist weniger optimistisch. Er hält die wirtschaftlichen Probleme Chinas für eine Gefahr für die Weltwirtschaft. „China ist ein Riesenrisikofaktor“, sagt Anton Börner. Die Entwicklung dort sei „eine große Bedrohung für die Stabilität der Weltwirtschaft“. Zum Absturz der Börsen Anfang der Woche sagte der BGA-Präsident: „Hoffentlich ist das ein Ausrutscher.“ Für ihn sei aber klar, „dass die Chinesen die Probleme nicht im Griff haben“. Die Industrie des Landes befinde sich in einer „desolaten“ Lage.
Dennoch geht die Handelskammer davon aus, dass Hamburgs Wirtschaft nicht nachhaltig geschwächt wird. „Wir haben ja keine Überkapazitäten in China aufgebaut wie mancher Autobauer“, sagt Corinna Nienstedt, Leiterin des Geschäftsbereichs International in der Kammer. Insgesamt 679 Hamburger Firmen unterhielten Handelsbeziehungen mit China, 63 hätten eine eigene Niederlassung in dem Land, so Nienstedt. Auswirkungen des schwächeren Wirtschaftswachstums würden vor allem die Autozulieferindustrie und der Maschinenbau spüren „Die Firmen haben sich auf die konjunkturelle Abkühlung aber schon eingestellt, sie geraten dadurch nicht in Gefahr.“
Das China-Geschäft im HamburgerHafen wird langfristig geringer wachsen
Dass sich die Lage in China kurzfristig verbessert, glaubt der Leiter des Hamburger WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Henning Vöpel, aber nicht. Dem Experten zufolge überlagern sich in der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft zwei unterschiedliche Entwicklungen. Das eine ist eine strukturelle Abschwächung des Wachstums, das künftig nicht mehr zehn, sondern eher fünf bis sechs Prozent pro Jahr betragen wird. Die zweite Entwicklung ist eine Ausrichtung der chinesischen Wirtschaft auf den Binnenmarkt, die einen Wandel vom Industrie- zum Dienstleistungsschwerpunkt bedeutet. „Diese Konzentration auf den Binnenmarkt wird die Exporttätigkeit Chinas noch weiter reduzieren. Der Hamburger Hafen wird nicht nur heute oder morgen, sondern langfristig mit einem geringeren Wachstum des China-Verkehrs rechnen müssen“, sagt Vöpel.
Kammerexpertin Nienstedt zufolge ergeben sich durch den strukturellen Wandel in China für Hamburger Betriebe aber auch Chancen. „Die Konzentration auf den chinesischen Konsumenten hat beispielsweise dazu geführt, dass die Hamburger Firma EuroEyes zwei neue Kliniken für Augen-laseroperationen in China einrichten konnte. Das könnte ein Vorbild für andere Unternehmen aus der Hansestadt sein“, sagt Nienstedt.