Hamburg. Der Bundesvorsitzende Rainer Becker kritisiert das Hamburger Hilfesystem und die Betreuerin. Parallelen zum Fall der kleinen Yagmur?

Nach dem gewaltsamen Tod des kleinen Tayler übt Rainer Becker von der Deutschen Kinderhilfe Kritik am Hamburger Hilfesystem. „Natürlich kann es trotz sogenannter Hilfen zur Erziehung dazu kommen, dass eine Situation auch nach dem Besuch einer Erziehungshelferin eskaliert und dass dabei unter Umständen sogar ein Kind zu Tode kommt“, sagt Rainer Becker. „Nachdem jetzt jedoch weitere Einzelheiten des Sachverhalts bekannt geworden sind, drängen sich Fragen auf: Wenn es stimmen sollte, dass Tayler bereits schon einmal wegen akuter Kindeswohlgefährdung aufgrund eines Schlüsselbeinbruchs zu seinem Schutz aus seiner Familie herausgenommen werden musste, wie konnte es angehen, dass er danach wieder in die für ihn gefährliche Umgebung seines elterlichen Haushalts zurückgeführt wurde? Wenn keine Gefahr mehr für ihn bestanden haben sollte, wieso bedurfte es dann des Einsatzes einer Erziehungshel­ferin?“

Rainer Becker: „Die Tatsache, dass die Tat im strafrechtlichen Sinne weder der Mutter noch ihrem Lebensgefährten nachgewiesen werden konnte, hat doch nichts damit zu tun, dass dieser Haushalt für Tayler offenkundig gefährlich war. Wie konnte er unter solchen Umständen in seine Familie zurückgebracht werden? Wie konnte die Erziehungshelferin, die nun erneut Verletzungen und diesmal im Gesicht des Kindes feststellte, die anscheinend so schwer waren, dass sie sie immerhin dokumentierte, Tayler jetzt noch in der Familie lassen?“ Entweder sei sie nicht oder nicht ausreichend über die Vorverletzungen von Tayler informiert gewesen, oder sie habe die Gefahrenlage falsch beurteilt. „Mit seiner Verletzungsgeschichte hätte Tayler sofort zu seinem Schutz erneut in Obhut genommen werden müssen.“

Becker fragt weiter: „Kann es vielleicht sein, dass viele der Lehren, die man insbesondere aus dem Fall von Yagmur gezogen hat, noch nicht bei allen Mitarbeitern angekommen sind?“ Und: „Wie will der Senat gewährleisten, dass alle im Allgemeinen Sozialen Dienst tätigen Mitarbeiter und auch in ihrem Auftrag tätige Hilfskräfte schnellstmöglich in einer sichereren Beurteilung von Spuren am Körper eines Kindes und Gefahrensituationen im Allgemeinen qualifiziert werden?“

Auch Philipp Heißner, familienpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, hat viele Fragen: „Warum müssen Kinder trotz schwerer Verletzungen zu ihren Eltern zurückkehren und so einem hohen Risiko ungeschützt ausgesetzt werden? Das sind zentrale Fragen, die nun im Mittelpunkt der Aufklärung stehen müssen. Und wir werden sehr genau darauf achten, welchen Forderungen, die der PUA ,Yagmur‘ beschlossen hatte, bisher umgesetzt wurden und welche Rolle dies in diesem Fall gespielt hat. Denn erneut ist es den staatlichen Stellen in Hamburg nicht gelungen, den Tod eines Kleinkindes abzuwenden, obwohl die Familie vom Jugendamt betreut wurde. Die Parallelen zum Fall der kleinen Yagmur sind frappierend.“

Heißner erinnert auch noch einmal an den kleinen Jamie aus Finkenwerder, der im April schwer verletzt überlebte, und an den im November erstickten kleinen Max aus Harburg. „Auch sie standen unter Beobachtung des Jugendamts. Damit ist dies innerhalb weniger Monate der dritte Fall in Hamburg, in dem die Behörden schwere Misshandlungen nicht verhindern konnten. Diese Serie schwerer Kindesmisshandlungen in Hamburg muss ein Ende haben. Alle staatlichen Stellen müssen schonungslos aufklären, wie es zu diesem erneuten Fall schwerer Kindesmisshandlung kommen konnte“, sagt Heißner.

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