Hamburg. Torsten Junker, ausgezeichnet als Deutschlands bester Sommelier, hat die Probe gemacht. Sein Urteil fällt extrem unterschiedlich aus.
Glühwein gehört zu den Bestsellern auf den Hamburger Weihnachtsmärkten – und ist für die Standbesitzer ein lukratives Geschäft. Eine Tasse Glühwein mit 0,2 Litern kostet meist 3 Euro. Im Supermarkt hingegen ist eine 1,5-Liter-Flasche für etwa 2,50 Euro erhältlich, im Großhandel dürfte Glühwein noch deutlich günstiger sein. Entsprechend hoch ist die Gewinnspanne. Und entsprechend hoch sind von jeher die Qualitätsunterschiede, was sich häufig auch bei den Kopfschmerzen am Tag danach bemerkbar macht.
Aber wie gut ist der Glühwein auf Hamburgs Weihnachtsmärkten? Kaum jemand könnte das besser beurteilen als Torsten Junker, der in diesem Jahr zum „Besten Sommelier Deutschlands“ gekürt wurde. Der 29-Jährige arbeitet als Chefsommelier im Luxushotel Louis C. Jacob an der Elbchaussee und weiß: „Auch bei der Herstellung von Glühwein muss man einen Rotwein von guter Qualität verwenden und nicht irgendein Billigprodukt, das wirkt sich auf den Geschmack aus.“ Die Empfehlung des Experten: „Kräftigere Rotweine haben in der Regel schon etwas Würziges, leicht Süßes – also Aromen, die wir gerne auch im Glühwein haben möchten.“ Er macht für das Abendblatt die Probe.
Die schönsten Weihnachtsmärkte im Norden
Sein Test führt ihn zunächst auf den Weihnachtsmarkt vor dem Rathaus, der von Roncalli betrieben wird. Hier gibt es diverse Stände, die Glühwein anbieten. Der Beste Sommelier Deutschlands kann für jedes getestete Getränk ein bis fünf Sterne vergeben.
Drei Euro kostet der Glühwein beim „Hamburger Speicher“. Vor der gemütlichen Holzhütte haben sich schon zahlreiche Grüppchen versammelt, um gemeinsam mit heißen alkoholischen Getränken anzustoßen.
Der Experte trinkt nicht gleich, sondern riecht zunächst am Glühwein
Ein Experte wie Torsten Junker trinkt jedoch nicht, sondern riecht zunächst einmal an dem roten Getränk: „Eine leichte Orangennote ist wahrzunehmen, ansonsten scheinen kaum Gewürze verwandt worden zu sein. Der Glühwein riecht sehr dezent.“ Nun nimmt der Chefsommelier einen Schluck. Sein erstes Urteil: „Süffig und süß. Aber der Glühwein hat kein kräftiges Gerüst, ich schmecke einen Hauch Vanille, Nelken und vielleicht etwas Zimt heraus.“ Junker nippt noch einmal: „Alles in allem ist dieses Getränk etwas dünn und nicht sehr alkoholreich, könnte zudem etwas heißer sein. Es ist ein mittelmäßiger Glühwein.“ Dementsprechend auch die Bewertung: „Drei Sterne“.
Weiter geht es zum Neuen Wall. Neben der Nobelboutique Chanel hat das Restaurant Tarantella seinen „Hüttenzauber“ aufgebaut. In der Almhütte können die Gäste speisen. Davor stehen Holztische, und an einem kleinen Stand wird Gewürz-Glühwein aus dem Holzfass gezapft. Zumindest der Preis ist schon einmal beeindruckend. Für 0,2 Liter, in einem Glas mit Goldaufdruck ausgeschenkt, werden 3,90 Euro verlangt. Dafür wurde als Wein ein Tarantella Cuvée verwendet.
Sommelier Junker ist gespannt: „Der Geruch ist schon einmal sehr aromatisch, es ist ein leicht fruchtiger Charakter“, sagt er. Dann der erste Schluck: „Sehr lecker. Dieser Glühwein hat Struktur und eine wohlschmeckende Fruchtigkeit. Hier wurden Orangenscheiben und allerlei Gewürze verwendet.“ Der Geschmack sei angenehm und nicht aufdringlich, hier wurde auch auf einen hochwertigen Rotwein bei der Zubereitung geachtet, findet der Kenner. Dem Lob entsprechend fällt auch die Bewertung aus: „Viereinhalb Sterne“.
Nur wenige Meter weiter liegt der Fleetweihnachtsmarkt auf dem Platz vor dem Steigenberger Hotel. Gleich am Eingang erwartet den Besucher der „Lucullus“-Stand. Drei Euro kostet das Glas (o,2 Liter). Schon der erste Eindruck von Torsten Junker ist wenig positiv: „Das riecht wie warm gemachter Rotwein, von Gewürzen keine Spur.“ Auch nach dem ersten Schluck wirkt der Sommelier wenig begeistert: „Das ist geschmacklich überhaupt nicht überzeugend. Dieser Glühwein schmeckt einfach nach nichts, nur süß. Hier wurde offensichtlich billiger Rotwein mit Zucker gestreckt. Und an den Zutaten gespart.“
Die Bewertung ist eindeutig: „Ein Stern.“
Gelungener Glühwein auch auf dem Weihnachtsmarkt in Eppendorf
Nicht nur in der Innenstadt gibt es zahlreiche Weihnachtsmärkte, sondern auch in den Stadtteilen. Zum Abschluss geht es nach Eppendorf auf den Marie-Jonas-Platz. Es geht beschaulich zu. Ein Kinderkarussell dreht sich, daneben stehen ein paar Buden. Die Geschmacksprobe endet mit einem Bioglühwein an der „Lütten Hütte“. Auch hier kosten 0,2 Liter drei Euro.
„Ein angenehmer Duft geht von dem Glühwein aus, hier wurden auf jeden Fall Orange und Nelke als Gewürze verwendet“, sagt Sommelier Junker. Der erste Schluck scheint zu schmecken: „Schön heiß. Ein angenehmes Säuregerüst zeichnet diesen Glühwein aus. Der Geschmack von Orangenhaut und einem Hauch Vanille ist sehr angenehm.“
Durchaus gelungen, findet der Kenner und urteilt: „Vier Sterne.“
Geschafft. Fehlt nur noch das Fazit von Chefsommelier Torsten Junker, der zu Hause auch mal selber Glühwein zubereitet: „Auf den Hamburger Weihnachtsmärkten gibt es schmackhaften Glühwein, aber eben auch große Qualitätsunterschiede.“