Hamburg. Trotz Neubaten sind es 117 Schiffe weniger in diesem Jahr. Die Sanierung der HSH Nordbank könnte die Lage noch weiter verschärfen.

Die lang anhaltende Schifffahrtskrise hat bei den Reedern tiefe Spuren in den Bilanzen hinter­lassen und bedroht jetzt nach ihrer Meinung sogar den maritimen Standort Deutschland. Die heimische Handelsflotte schrumpft seit drei Jahren – und inzwischen führt diese Entwicklung auch zu einem Arbeitsplatzverlust. Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Der beschlossene Rettungsplan für die HSH Nordbank könnte die Situation für die deutsche Schifffahrt noch verschlimmern, befürchtet der Verband Deutscher Reeder (VDR).

Allein in diesem Jahr ging die Zahl der Schiffe von deutschen Reedern trotz Neubauten und Ankäufen im Saldo um 117 auf 3122 Schiffe zurück, teilte der VDR am Donnerstag in Hamburg mit. Verschrottet wurden nur 13 Schiffe. Der weitaus größte Anteil, nämlich 182 Schiffe, wurden ins Ausland verkauft. Diese machen der deutschen Handelsflotte nun Konkurrenz. Da es sich aber im Wesentlichen um Notverkäufe zu niedrigen Preisen handelte, können diese Schiffe von ausländischen Reedern zu deutlich geringeren Kapitalkosten betrieben werden. Damit sind sie gegenüber der deutschen Bestandsflotte wettbewerbsfähiger, sagte Verbandspräsident Alfred Hartmann am Donnerstag anlässlich der VDR-Jahreshauptversammlung.

Inzwischen geraten auch die Arbeitsplätze in Gefahr

Nach seinen Worten handelt es sich um eine „bedrohliche Entwicklung“, da schon der Verlust eines Schiffes in der mittelständisch geprägten Reederbranche existenzbedrohend werden könne. „Die Hälfte der deutschen Schifffahrtsunternehmen bereedert weniger als fünf Schiffe. Bei ihnen kann selbst der Verlust von einzelnen Schiffen gravierende Folgen für den Fortbestand des Unternehmens haben“, so Hartmann. Der Kostendruck für die deutschen Reeder sei inzwischen „brutal“. Die Charterraten seien auf dem Niveau von vor 15 Jahren, die Kosten aber auf dem heutigen. Zudem gebe es immer noch Überkapazitäten. Zwar hielten sich die deutschen Charterreeder mit Neubestellungen zurück, aber die internationalen Reedereien investierten in neue Tonnagen. Die Folge: „Viele deutsche Reeder müssen um ihre Position kämpfen“, so Hartmann.

Nachdem die Reeder lange Zeit ihr Personal gehalten hätten, führe die Lage inzwischen auch zum Verlust von Arbeitsplätzen. Gab es 2013 noch mehr als 7000 deutsche Seeleute, waren es im Jahr darauf nur noch 6707. Für 2015 wird das vierte Quartal entscheidend, dessen Zahlen noch nicht vorliegen. Mit dem Verlust der Seeleute geht auch Know-how für die maritime Wirtschaft insgesamt verloren. Die Fachkräfte werden nämlich auch an Land gebraucht, etwa bei den Lotsen und in der Schiffbau- und Zulieferindustrie.

Trotz Krise bleibt die Schifffahrt Wachstumsbranche

Die Entscheidungen zur Rettung der HSH Nordbank droht nun den Ausverkauf der deutschen Flotte noch zu verschärfen. Denn auf Druck von Brüssel muss sich die Bank von mehr als acht Milliarden Euro an faulen Schiffskrediten trennen. 6,2 Milliarden Euro sollen die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein übernehmen, weitere zwei Milliarden Euro soll die Bank selbst abbauen, indem sie die Schiffe abstößt. „Wir müssen jetzt alles dafür tun, um so viele Schiffe wie möglich am Standort zu halten. Da ist auch die Politik gefragt“, sagt Hartmann. Eine konkrete Lösung, wie das gehen soll, hat der VDR nicht parat. Die Konditionen beim Verkauf der Schiffe müssten so gestaltet werden, dass auch deutsche Reeder zum Zug kommen, meint der Verbandspräsident.

Man sei dazu in Gesprächen mit den Ländern und der Bank selbst. Hartmann äußerte die Hoffnung, dass sich der Markt so weit wieder erholt, dass auch diese Schiffe wirtschaftlich betrieben werden können. Denn die Schifffahrt sei insgesamt keine Abbau-, sondern eine Wachstumsbranche. Nach Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) soll der internationale Warenverkehr im Jahr 2016 um 4,1 Prozent steigen. Die wirtschaftliche Dynamik, etwa in Indien und Teilen Afrikas, eröffnet der Schifffahrt dabei neue Perspektiven.

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Damit die Reeder davon profitieren, benötigen sie aber laut VDR Unterstützung vom Bund. Dieser hat inzwischen zugesagt, dass Reedereien für ihre Seeleute keine Lohnsteuer abführen müssen. Außerdem sollen die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung der Seeleute voll erstattet werden. Hartmann verspricht sich davon einen echten Schub für die heimische Schifffahrt: „Ich kenne Reederkollegen, die unter diesen Umständen erwägen, einige Schiffe wieder unter die deutsche Flagge zurückzuholen.“

Hilfe erwarten die Reeder auch bei der Umstellung der Schiffsantriebe auf klimaschonende Alternativen. Der VDR möchte Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) in der Schifffahrt eta­blieren. Aber erst wenige deutsche Reedereien können aufgrund der hohen Investitionskosten auf LNG-Schiffe setzen. Da LNG noch nicht in allen Häfen erhältlich ist, müssten viele Schiffe mit herkömmlichem wie auch mit alternativem Antrieb fahren. Die Kosten dafür sind aufgrund der zusätzlichen Tanks um bis zu 25 Prozent teurer.

Bisher gebe es in Europa kein einziges LNG-Schiff, das ohne staatliche Zuschüsse in Fahrt gebracht worden sei, sagt Hartmann. Seine Forderung: „Ohne ein breites Förderprogramm der Bundesregierung für den Neu- und Umbau LNG-betriebener Schiffe werden sich die Barrieren für den Markteintritt nicht abbauen lassen.“