Langenhagen. DOSB-Präsident Hörmann greift die Weltverbände an, Bürgermeister Scholz verspricht weiter Begeisterung für den Sport.
Als Olaf Scholz am Sonnabendmittag die Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) im Maritim-Hotel am Flugplatz Hannover-Langenhagen mit seinen Bodyguards verließ, konnte Hamburgs Bürgermeister entspannt lächeln. Die 456 Delegierten hatten ihn mit Beifall empfangen und ihn nach seiner Rede („Ich danke Ihnen allen für Ihre großartige Unterstützung“) mit ebensolchem verabschiedet. Die Hamburger Bewerbung für die Olympischen und Paralympischen Sommerspiele 2024 war ausgesprochen harmonisch zu Ende gegangen, ohne Schuldzuweisungen an die Stadt. „Hamburg ist gut weggekommen“, meinte der Hamburger Sportsoziologe Prof. Hans-Jürgen Schulke.
Vor seinem Auftritt im Festsaal des Hotels hatte Scholz seinen Namen – „bitte unterschreiben Sie rechts unten“ – unter einen Brief an das Internationale Olympische Komitee (IOC) setzen müssen. In dem Schreiben erklären DOSB und Stadt dem IOC den Rückzug der Bewerbung. Alle weiteren Gebühren an das IOC sind damit hinfällig. Es bleibt bei jenen 50.000 US-Dollar, die Hamburg Mitte Oktober nach Lausanne überwiesen hatte. Wie teuer die Kampagne insgesamt war, wer exakt welche Kosten übernimmt, wird erst nach der Liquidation der Bewerbungs GmbH im Frühjahr endgültig geklärt. Geschätzte zehn Millionen Euro dürften im vergangenen Dreivierteljahr angefallen sein. Am vergangenen Mittwoch hatte Scholz allen Mitarbeitern der Gesellschaft für ihre geleistete Arbeit persönlich gedankt. Dabei gab es sehr bewegende Momente.
Die verbale Olympia-Abrechnung hatte zuvor DOSB-Präsident Alfons Hörmann geleistet. Für seine Rede erhielt er Ovationen aus den Reihen des Sports und den Respekt von Bundesinnenmister Thomas de Maizière (CDU): „Das war eine Rede mit starkem Führungsanspruch.“ Hörmann hatte das inakzeptable Erscheinungsbild der korrupten Weltverbände Fifa (Fußball) und IAAF (Leichtathletik) kritisiert, die der Olympiabewerbung massiv geschadet hätten. „Diese beiden Organisationen haben viel Kredit für den Sport verspielt, viel Rückenwind versaut und uns viel an Glaubwürdigkeit gekostet. Wir müssen aufpassen, dass sich die Menschen nicht angewidert von derartigen Vorgängen vom Sport abwenden.“ Nach den jüngsten Skandalen der Fifa und der IAAF „trauen wir uns kaum noch, uns als Sportfunktionäre zu outen“. Persönlich griff der DOSB-Präsident den gesperrten Fifa-Chef Joseph Blatter an: „Dass er neulich nach überstandener Krankheit erzählt haben soll, er habe schon die Engel singen hören, kann nicht sein. Die Engel singen im Himmel.“
Hörmann rügt den Bund und Merkel
Nicht minder scharf attackierte er die ehemaligen deutschen Weltverbandsmitglieder Theo Zwanziger (Fifa) und Helmut Digel (IAAF). „Wo blieb die Verantwortung derer, die uns in diesen Gremien jahrelang vertreten haben?“, fragte Hörmann. Es war das erste Mal, dass ein Spitzenfunktionär des deutschen Sports Kollegen öffentlich frontal angriff. Die Reaktion der Betroffenen ließ nicht auf sich warten.
Olympia-Referendum: Der Tag der Entscheidung
„Das ist ein schäbiger Versuch, von eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken“, zürnte Zwanziger in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Wer ist denn dieser Herr Hörmann? Er hat nie versucht, mit mir zu reden. Ich habe in der Fifa vier Jahre lang versucht, Reformen durchzusetzen.“ Auch Digel schäumte: „Eine unglaubliche Verleumdung. Das werde ich nicht hinnehmen.“ Am Abend war Hörmann wieder milder gestimmt. Er habe Menschen oder Wegbegleiter nicht beschädigen, „sondern nur die Dinge offen beim Namen nennen wollen“.
So klar Hörmann auf dem Kongress Verantwortung und Verantwortliche auch ansprach, intern hatte er am Freitag etwaige Fehler, die zum Scheitern der Bewerbung führten, noch deutlicher benannt. Er rügte den Bund, dass er bis zum Ende des Referendums offenließ, welche Kosten Berlin übernehmen würde, und Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass sie sich zu wenig für die Kampagne eingesetzt habe, die der Bund als nationale Angelegenheit bezeichnet hatte. Ähnlich äußerte sich der Hamburger Unternehmer Alexander Otto in seiner Videobotschaft an die Delegierten, er hätte sich „mehr Unterstützung Merkels erwünscht“.
Flüchtlinge sollen nicht in Turnhallen
Dass Hörmann die Politik, von der der Sport ja weiter viel Geld erhalten will, am Tag danach weitgehend aus der Schusslinie nahm, mag auch an der Mahnung de Maizières gelegen haben: „Jeder kehre vor seiner Tür, wie es zu dem Ergebnis des Referendums gekommen ist. Wir sollten besser den Blick nach vorne richten, in die Hände spucken und nicht auf andere zeigen.“ Hörmann sagte darauf über die Hamburger Bewerbung: „Ich würde es wieder tun, und ich würde es gleich tun.“ Ein Fehler sei aber wohl die kurze Zeitspanne von der offiziellen Kandidatur am 21. März bis zum Referendum am 29. November gewesen: „Das hat sich als mögliche Stolperfalle erwiesen.“
Bürgermeister Scholz stellte klar, dass er nicht nachkarten wolle, „denn das hieße, die Entscheidung, die die Bürger in voller Absicht getroffen haben, infrage zu stellen“. Der SPD-Politiker bekannte sich aber zum Sport in Hamburg: „Geist und Begeisterung der Bewerbung sind immer noch vorhanden.“ Alle Vorhaben – wie die Instandsetzung, der Neubau von Sportanlagen und die Dekadenstrategie – werden fortgesetzt, betonte Innen- und Sportsenator Michael Neumann (SPD), und in Hamburg werden im Gegensatz zu anderen Bundesländern auch künftig keine Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht. Eine erste Konsequenz der gescheiterten Olympiabewerbung hat aber das Spitzensport-Team Hamburg zu tragen. Ein Sponsor wird sein Engagement 2016 nicht mehr fortsetzen.
Ehrung: Die Gebrüder Frederik und Gerrit Braun und Alexander Otto wurden vom DOSB für ihr Olympia-Engagement mit der Ehrenmedaille ausgezeichnet.