Hamburg. Zur Rettung der HSH Nordbank beschließt die Bürgerschaft Kreditermächtigungen über 16,2 Milliarden Euro – Rekord für das Parlament.
Für einen historischen Moment war die Szenerie doch recht nüchtern und geschäftsmäßig. Die Senatsbank war spärlich besetzt, und die Besucherränge waren schon fast geleert, als die Bürgerschaft am Mittwochabend um 19.17 Uhr die größte Einzelmaßnahme ihrer Geschichte beschloss: Um die HSH Nordbank noch bis ins Jahr 2018 hinein zu retten, gewährt sie zwei öffentlichen Anstalten (AöR) Kreditermächtigungen über insgesamt 16,2 Milliarden Euro. Das toppte sogar das Rettungspaket für die HSH aus dem Jahr 2009, als über 13 Milliarden Euro beschlossen wurde. In beiden Fällen gilt: Die Hälfte der Summe entfällt jeweils auf Schleswig-Holstein, das gemeinsam mit Hamburg Haupteigner der HSH ist. Der Landtag in Kiel entscheidet darüber kommende Woche.
So nüchtern am Ende die Abstimmung verlief, bei der die Koalition aus SPD und Grünen allein gegen CDU, FDP und Linkspartei stand (die AfD enthielt sich), so intensiv hatten die Abgeordneten zuvor debattiert. „Aus Verantwortung für Hamburg beschließen wir heute das größte Rettungspaket aller Zeiten“, machte Markus Schreiber (SPD) zum Auftakt die Dimensionen deutlich. „Wir beschließen damit auch gleichzeitig das Ende einer HSH Nordbank, die nach den gigantischen Fehleinschätzungen früherer Landesregierungen für Hamburg und Schleswig-Holstein mit nie dagewesenen Risiken verbunden war und ist.“
Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks betonte, dass diese Entscheidung jetzt getroffen werden müsse. Die einzige Alternative sei die sofortige Abwicklung der Bank, und die käme die Länder noch teurer zu stehen. Tjarks: „Einen dritten Weg gibt es nicht.“
Der nun beschlossene Weg, der nach monatelangen Verhandlungen der beiden Landesregierungen mit der EU-Kommission gefunden wurde, sieht so aus: Die Garantie, die Hamburg und Schleswig-Holstein der HSH seit 2009 stellen, darf endgültig wieder von sieben auf zehn Milliarden Euro erhöht werden. Die „HSH Finanzfonds AöR“, die den Ländern gehört und die diese Garantie gewährt, erhält Kreditermächtigungen über zehn Milliarden Euro, um diese Garantien schrittweise auszahlen zu können. Zweitens gründen die Länder die „hsh portfoliomanagement AöR“. Sie soll der unter ihren Altlasten leidenden Bank Schrottpapiere im Wert von bis zu 6,2 Milliarden Euro abkaufen und darf bis zu dieser Höhe Kredite aufnehmen – macht insgesamt 16,2 Milliarden.
Zu welchem Preis die Länder die Papiere tatsächlich kaufen, wird erst nach der finalen Einigung mit der EU 2016 ermittelt. Offen bleibt auch noch, wie stark die Garantie tatsächlich in Anspruch genommen wird. Von beiden Variablen hängt letztlich ab, wie groß die Belastung für die Haushalte sein wird. Hamburg stellt sich aber bereits darauf ein, dass mindestens fünf Milliarden Euro verloren sein werden. Zum Vergleich: Der Jahresetat der Stadt liegt bei zwölf Milliarden Euro.
„Es geht nicht um neue Risiken, sondern um den Abbau alter Risiken“, sagte Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD). Mit den Maßnahmen werde die HSH stabilisiert und damit die Wahrscheinlichkeit erhöht, sie 2018 verkaufen zu können. Denn das ist ebenfalls Auflage der EU: Spätestens 2018 müssen sich die Länder von der Bank trennen. Gelingt das nicht, muss sie abgewickelt werden. Tschentscher betonte, dass selbst der schlimmste Fall, der jetzt noch eintreten könne, für die Länder besser sei als die sofortige Abwicklung der Bank.
Die hatte Norbert Hackbusch (Linkspartei) erneut gefordert. Seine Begründung. „Der Senat spekuliert darauf, dass es in zwei Jahren besser ist.“ Das habe er 2013 auch schon getan, aber es sei alles nur schlimmer geworden. Der vorgeschlagene Weg überzeuge ihn daher nicht.
CDU und FDP beklagten die vielen offenen Fragen und warfen dem Senat vor, vom Parlament einen „Blankoscheck“ zu verlangen. „Wir sagen ja nicht: Wir bekommen das billiger hin“, so Thilo Kleibauer (CDU). Aber er frage sich doch, warum die neue Anstalt eine Kreditermächtigung über 6,2 Milliarden Euro bekommen soll, obwohl sie vermutlich viel weniger Geld benötige. Ähnliches gelte für die Garantie. Er vermute, dass der Senat nur verhindern wolle, dass er die Bürgerschaft irgendwann um mehr Geld bitten müsse. Der CDU-Antrag, die Kreditermächtigungen auf 10,6 Milliarden Euro zu senken, wurde aber abgelehnt.
Michael Kruse (FDP) zählte reihenweise Fragen auf, die aus seiner Sicht noch unbeantwortet seien. Auch im Regierungslager kenne man die Antworten offenbar nicht, unterstellte Kruse: „Eine Mehrheit dieses Hauses stimmt Milliarden-Kreditermächtigungen zu, ohne auch nur im Ansatz zu wissen, worum es geht.“ Auf die Frage, ob das Vermögen der Länder wirklich bestmöglich geschützt werde, wie Rot-Grün behaupte, könne er daher nur mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière antworten: „Ein Teil der Antwort könnte die Bevölkerung verunsichern.“
Auch Andrea Oelschlaeger (AfD) bemerkte, dass man vor allem auf Basis von Annahmen und Erwartungen abstimme: „Ich würde mir eine Glaskugel wünschen.“ Gleichwohl sei der vom Senat aufgezeigte Weg wohl der richtige: „Einen billigen Weg gibt es nicht.“