Hamburg/Wedel. Aufsichtsrat der Wärmegesellschaft von Vattenfall und Stadt will keinen Neubau beschließen. Klarer Verstoß gegen Koalitionsvertrag.

Es sieht fast alles danach aus, als würden die Hamburger Grünen erneut beim Bau eines Kraftwerks ihr Wort brechen. Diesmal geht es nicht um das Kohlekraftwerk Moorburg, sondern um das alte Kraftwerk in Wedel, das weite Teile des Hamburger Westens mit Wärme versorgt. Am heutigen Dienstag kommt der Aufsichtsrat der Wärmegesellschaft zusammen, in dem Stadt und Vattenfall vertreten sind. Auf der Tagesordnung steht die Entscheidung darüber, ob ein ursprünglich geplantes großes Gas- und Dampf-Kraftwerk (GuD) das alte Kohlekraftwerk Wedel ersetzt oder nicht.

Dabei wird man sich nach Abendblatt-Informationen aber zunächst noch nicht festlegen – und keinen Neubau beschließen. Stattdessen wird das marode Kohlekraftwerk nach einer technischen Ertüchtigung wohl länger als bis 2017 am Netz bleiben müssen. Im Senat geht man davon aus, dass es mindestens bis 2021 weiter in Betrieb sein wird. Damit trete man vom GuD-Szenario ins Alternativ-Szenario über, heißt es etwas kryptisch. Soll wohl heißen: Die Nicht-Entscheidung bedeutet, dass der Bau eines neuen Megakraftwerks in Wedel faktisch vom Tisch ist – auch wenn man sich noch ein Hintertürchen dafür offen lässt.

Dabei hatten Grüne und SPD im Koalitionsvertrag aus dem Frühjahr klar festgelegt: „Die Entscheidung für den Ersatz des Heizkraftwerks Wedel fällt 2015. Sie kann nicht später getroffen werden, da die Wärmeversorgung der an das Netz angeschlossenen Haushalte und Unternehmen jederzeit sichergestellt sein muss.“ Und weiter: „Eine Ertüchtigung des Kohlekraftwerks Wedel wird ausgeschlossen.“

Entscheidung soll erst 2016 fallen

Man sei von der Wirklichkeit eingeholt worden, heißt es nun aus dem Rathaus. Zugleich wird argumentiert, der Ausschluss einer Ertüchtigung des alten Kraftwerks sei nur auf die Möglichkeit bezogen gewesen, es generell weiterlaufen zu lassen. Jetzt aber gehe es nur um einen Übergang. Die Entscheidung, wie die 180.000 Haushalte im Hamburger Westen künftig mit Wärme versorgt werden, soll nun erst 2016 fallen. Denkbar ist eine Kombination aus kleineren Kraftwerken, etwa auch einem neuen Biomasse-Kraftwerk und industrieller Abwärme. Die Entscheidung sei jetzt schwierig zu treffen, weil der Bund noch nicht festgelegt habe, wie es mit der Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung weitergehe. Auch davon hänge aber ab, ob ein GuD-Kraftwerk wirtschaftlich zu betreiben sei.

Der erwartete Verzicht des Aufsichtsrats auf eine Neubau-Entscheidung hat auch für die Kosten der mit Vattenfall nach dem Volksentscheid vereinbarten Übernahme des Fernwärmenetzes Konsequenzen. Denn im Vertrag heißt es: Wenn 2015 keine Entscheidung für einen Neubau fällt, muss Hamburg weniger an Vattenfall für das Netz samt Anlagen zahlen, die 2019 an die Stadt übergehen. Statt 1,15 Milliarden mit neuem Kraftwerk wird der Gesamtwert von Netz und Anlagen ohne Kraftwerk auf 950 Millionen Euro taxiert. Derzeit ist Hamburg mit 25,1 Prozent beteiligt. Ohne Kraftwerk wären für die fehlenden 74,9 Prozent nur 712 statt 861 Millionen Euro zu zahlen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat sich derweil erneut gegen den Neubau eines GuD-Kraftwerks ausgesprochen. „Ein neues fossiles Großkraftwerk würde nicht zuletzt dem Volksentscheid zur Übernahme der Energienetze widersprechen“, so BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. Der BUND fordere die „Integration industrieller Abwärme und erneuerbarer Energien in das Fernwärmenetz“. Das 60 Jahre alte Kraftwerk Wedel könne bereits 2019 auf „Standby“ gehen, so der BUND – seine Wärmeerzeugungskapazitäten sollten durch das Heizwerk Haferweg, durch die Nutzung industrieller Abwärme und „weiterer Erzeugungskapazitäten auf dem Gelände der rückzubauenden Müllverbrennungsanlage Stellinger Moor ersetzt werden“.

Wenn auf der Aufsichtsratssitzung am Dienstagabend die Entscheidung fällt, dürften zumindest in zahlreichen Haushalten in Wedel und Rissen die Sektkorken knallen – und zwar in denen von Anwohnern und Gegnern. Davon gibt es einige, die sich zur Bürgerinitiative „Stopp! Kein Megakraftwerk in Wedel“ zusammengeschlossen haben. Seit Beginn der Planung 2012 wehren sich viele Anlieger gegen das Bauprojekt – teilweise auch juristisch. 15 Betroffene klagen gegen Vattenfalls Bauprojekt in Wedel, das sich nun offenbar erst einmal erledigt hat.