Hamburg. Filiale für Luxusartikel am Neuen Wall soll Vorbild für Standorte weltweit sein. Chef sieht Afrika und Indien als Märkte der Zukunft.

Auf die Frage nach dem Wohlfühlfaktor in Deutschland denkt Jérôme Lambert als Erstes an seinen Vierbeiner. „Mein Pferd ist jetzt auch hier“, sagt der Franzose und berichtet mit leuchtenden Augen über das letzte Familienmitglied, das gerade aus der Schweiz in den Norden, in Lamberts neue Heimat, gezogen ist. Der begeisterte Springreiter hat für das edle Tier einen passenden Stall in Schenefeld gefunden, jetzt sind die Lamberts am neuen Karrierestandort des Hauptverdieners wieder komplett. „Hamburg macht es Ausländern leicht, sich hier wohlzufühlen“, sagt der Manager. Seine Töchter gehen auf die französische Schule, alle lebten sich gut ein. Vor zwei Jahren hat Lambert die Geschäftsführung bei Montblanc übernommen, und spätestens jetzt startet er durch.

Ein neuer Flagshipstore in Hamburg, am Neuen Wall, macht den Anfang für eine aufwendige Umgestaltung der Montblanc-Boutiquen in aller Welt. Lambert, ein unkompliziert auftretender Manager, wechselte vom Montblanc-Mutterkonzern Richemont in Genf nach Hamburg. In der Zentrale war der 46-Jährige lange für die Uhrenlegenden Jaeger-LeCoultre und A. Lange & Söhne verantwortlich. Richemont gehört zu den größten Luxusherstellern der Welt und konnte im vergangenen Geschäftsjahr den Umsatz um vier Prozent auf gut zehn Milliarden Euro steigern.

Das Faible für Luxus hat sich der Manager bei der Hamburger Marke mit dem schwarz-weißen Logo bewahrt – und er bringt es nun auch mehr und mehr in die Hansestadt. Am 9. Dezember eröffnet die neue Boutique am Neuen Wall – sie soll den Glanz der Marke auf neue Art und Weise in die City bringen. Edle Hölzer und Leder bestimmen die Inneneinrichtung. Manche Wände werden ebenso schwarz lackiert sein wie die Meisterstück-Füller: in Anlehnung an die polierten Edelfedern aus Hamburg, mit der Staatsmänner und -frauen seit Jahrzehnten ihre Unterschrift unter Verträge setzen, die Geschichte schreiben.

In dem neuen Shop werden die Kunden nicht nur Schriftanalysen anfertigen lassen können, nach denen die Federn für die weltbekannten Füllfederhalter individuell angefertigt werden. Sammler werden sich dort auch für die limitierten Editionen, für brillantengeschmückte Schreibgeräte im Wert von mehreren Hunderttausend Euro, vormerken lassen.

„Schon bisher kommen Kunden aus aller Welt in unsere Boutique in Hamburg, um einen Montblanc in seiner Heimatstadt zu kaufen“, sagt Lambert, der aus dem Konferenzraum der Firma die Manufaktur im Blick hat: Hier, am Stammsitz, werden die Schreibgeräte von 450 Mitarbeitern, von Goldschmieden und Designern, für den weltweiten Markt gefertigt.

Die bisherige Boutique, ebenfalls am Neuen Wall, wird während des Weihnachtsgeschäfts noch weiter verkaufen, Anfang des kommenden Jahres dann aber schließen. Hier hatten vor wenigen Wochen Einbrecher noch Uhren und Schreibgeräte im Wert von knapp einer Million Euro erbeutet. Das Ungewöhnliche: Die Diebe waren vom angrenzenden Treppenhaus in das Geschäft eingedrungen. Sie hatten schweres Gerät eingesetzt, um die Wand zum Lager zu durchbrechen. „Meist tauchen die Stücke irgendwann wieder auf“, weiß Lambert aus seiner Erfahrung bei Jaeger-LeCoultre. Jede Uhr habe schließlich ihre eigene Nummer und sei dadurch unverwechselbar. Die nichts ahnenden Zweit- oder Drittbesitzer brächten die Uhren meist irgendwann zur Reparatur, wo sie als Beute wiedererkannt würden.

Zum 110-jährigen Bestehen, das Montblanc im nächsten Jahr feiert, will Lambert die Tradition der Firma wieder aufleben lassen. Die Zukunft des Schreibens überlässt er gerne anderen Herstellern – dass Apple mit seinem Stylus Pencil das Schreiben und Zeichnen digitalisiert, beschert ihm keine schlaflosen Nächte daheim in Nien-stedten. Allerdings hat Montblanc mit der Emailisierung der Gesellschaft begonnen, sich nicht mehr nur auf Federn und Füller zu verlassen.

Heute erzielt die Marke auch hohe Umsätze mit Uhren, Lederwaren und Schmuck, verdient aber immer noch 40 Prozent der Erlöse mit Schreibgeräten. „Das wird auch so bleiben, denn der weltweite Markt für Schreibgeräte hat gerade wieder um drei Prozent zugelegt“, sagt Lambert, der über sonstige Geschäftszahlen hanseatisch schweigt. Er sieht zwar, dass kleine Finnen in der Schule bald nur noch auf dem Laptop schreiben sollen und das Land daran denkt, die Schreibschrift aus dem Unterricht zu streichen. „Aber denken Sie an Indien oder an Afrika, hier lernen immer mehr Menschen das Schreiben, der Analphabetismus wird bekämpft“, argumentiert der Franzose für einen steigenden Bedarf an Füllern.

Zugleich wachse in solchen Ländern auch der Wohlstand, sodass die Nachfrage an teuren Schreibaccessoires steige. „Früher gingen aus Äthiopien nur Meldungen über Hungersnöte um die Welt, letztens bin ich mit Ethiopien Airlines geflogen und das Land baut Wolkenkratzer“, beschreibt Lambert neue Marktchancen. Noch lange werde der wachsende Wohlstand in Afrika und Asien für genügend Montblanc-Kunden sorgen, ist der Luxus-Experte überzeugt.

Schließlich habe auch Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks nicht dazu geführt, dass die Schreibschrift ausstirbt. „Wir erleben seit der Zeit, als Höhlenmenschen die Wände bemalten, einfach immer mehr Möglichkeiten des schriftlichen Ausdrucks“, sagt Lambert. Um die Freude an den Kommunikationsformen zu steigern, will Montblanc weltweit – nicht nur in Fernost – Kalligrafiekurse für seine Kunden anbieten. Auch in Hamburg soll es bald eine solche Meisterschule geben.

In den nächsten Monaten werden 30 Filialen umgestaltet

Das Konzept, das der neue Flagshipstore mit seinen 200 Quadratmetern Markenerlebniswelt in der Hansestadt verfolgt, will Lambert in aller Welt ausrollen. Die Vorstellungen des Montblanc-Architektenteams in Hamburg werden damit möglichst bald auch in New York oder Hongkong umgesetzt. „Wir werden in den nächsten zwölf Monaten 30 eigene Filialen und noch einmal 30 Franchiseboutiquen umgestalten“, sagt Lambert. Der Mann, der sich nicht nur auf dem Pferd fit hält, sondern auch Marathon läuft, will dieses Tempo dann weiter beibehalten, bis alle 500 Standorte dem neuen Erscheinungsbild folgen.

Auch in Paris eröffnet in diesen Tagen ein Montblanc-Shop. Lambert hat als gebürtiger Franzose Kontakt zu Freunden und Bekannten, die Mitte November die Attentate in der Hauptstadt erlebt haben. „Das sind furchtbare Nachrichten, aber davon dürfen wir uns nicht beirren lassen“, sagt Lambert, der zwar eine neue Heimat in Hamburg gefunden hat, geschäftlich aber in der ganzen Welt zu Hause ist. Sein Fazit: „Wir sollten genauso weiterleben wie zuvor. Anschläge können schließlich überall stattfinden, jeden Tag.“