Hamburg. Jetzt stellt sich die Frage, welche Rolle der Senat und die repräsentative Demokratie bei den wichtigen Entscheidungen noch spielen.

Wer Freunde oder Bekannte in Berlin hat, ging Sonntagabend am besten nicht ans Telefon. Denn die Häme war groß in der Hauptstadt, als sich das Aus für die Hamburger Olympiabewerbung abzeichnete. Tenor: „Da dürft ihr einmal für Deutschland antreten... Oder: „Und wir dachten, ihr seid so stolz auf eure Stadt...“

Hamburg hatte bekanntermaßen Berlin im deutschen Duell um die Kandidatur für 2024 geschlagen, ein seltener Erfolg. Damals lag die Zustimmung in der Hansestadt bei mehr als 60 Prozent, zwischenzeitlich erreichte sie fast 70 Prozent.

Aber dann kamen die Flüchtlingskrise, die Korruptionsskandale im deutschen und im weltweiten Fußball, die Terroranschläge in Paris – ein schwieriges, offenbar ein unmögliches Umfeld für eine Olympiabewerbung. Und viele Hamburger dachten: Haben wir jetzt nicht andere Probleme als die Spiele? Zumal die Stadt mit Bürgermeister Olaf Scholz an der Spitze die Finanzierung zwar transparent offenlegte, aber den Wählern auch eine schwer zu fassende Zahl zumutete: 11,2 Milliarden Euro. Weniger wäre für das Referendum besser gewesen, aber eben nicht ehrlich.

Er ist vorbei, der Traum von Olympia, den ja etwas weniger als die Hälfte der Hamburger bis Sonntagabend gehabt haben – ich gehörte dazu.

Die Befürworter verband die Hoffnung auf ein fröhliches Fest, auf eine große, weltweite Werbung für Hamburg, auf einen Aufstieg der Stadt in die, um Bürgermeister Scholz zu zitieren, „erste Liga der Metropolen“.

Jetzt muss man nüchtern feststellen: Das ist von einer knappen Mehrheit der Hamburger offensichtlich nicht gewollt, und das wird Folgen haben. Der Senat weiß jetzt, dass er Großprojekte in dieser Stadt nicht mehr durchbekommen wird, in schwierigen weltpolitischen Zeiten sowieso nicht. Er kann von Glück sagen, dass es über den Bau von HafenCity und Elbphilharmonie keine Volksentscheidung gegeben hat. Nach den Erfahrungen mit Olympia kann man davon ausgehen, dass beide Projekte krachend gescheitert wären.

Und es stellt sich die Frage, welche Rolle der Senat und die repräsentative Demokratie bei den wichtigen Entscheidungen für die Stadt überhaupt noch spielen. Nach den vergangenen großen Volksentscheiden hat man den Eindruck: kaum eine. Das ist gefährlich, weil dadurch die Autorität und die Legitimation der Regierung zusätzlich geschwächt wird.

Hamburg, Helmut Schmidts „schlafende Schöne“, hat wieder kurz einmal im Scheinwerferlicht gestanden. Die Stadt war die Hoffnung des deutschen Sports, aber auch die Hoffnung der deutschen Politik. Niemand hätte es dort für möglich gehalten, dass die Hanseaten diese Herausforderung nicht annehmen würden. Jetzt, wo genau das geschehen ist, wird die Wahrnehmung und die Rolle Hamburgs in Deutschlands eine andere sein. Man wird wieder viel über die Selbstzufriedenheit der Hamburger lästern, aber auch über ihren fehlenden Mut. Die Entwicklung der Hanse- zur Sportstadt wird stoppen, weil es kein gemeinsames Ziel mehr gibt. Für Deutschland hat sich damit auch eine Olympia­bewerbung für die kommenden Jahrzehnte erledigt.

Sagen wir es, wie es ist: Von außen betrachtet hat sich Deutschland mit Hamburg in einer Form blamiert, wie man es kaum für möglich gehalten hätte – auch wenn der Hauptgrund vermutlich die schwierige Weltlage gewesen ist. Schnell werden Stimmen laut werden, wie man denn überhaupt auf die Idee kommen konnte, mit dieser relativ unbekannten Stadt ins Rennen zu gehen. In die olympische Geschichte wird Hamburg eingehen als der Bewerber, der sich selbst um eine große Chance gebracht hat.