Hamburg/Berlin. In der Frage der Finanzierung Olympischer Spiele gibt es keine Einigung zwischen Hamburg und dem Bund. Es geht um Gesichtswahrung.

Wer gehofft hatte, Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) würde sich konkret zu den schwierigen Verhandlungen zwischen Hamburg und dem Bund über die Finanzierung möglicher Olympischer Spiele 2024 äußern, wurde enttäuscht. „Ich bin heute nach Hamburg gekommen, um mit dem Ersten Bürgermeister und dem Präsidenten des DOSB dafür zu streiten und zu werben, dass das Referendum und die Bewerbung erfolgreich werden“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag vor Beginn der Gesellschafterversammlung der Olympia-Bewerbungsgesellschaft im Unilever-Haus (HafenCity).

Immerhin: Der Visite des Ministers am Hafenrand war ein Gespräch mit Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Alfons Hörmann, dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), im Rathaus vorausgegangen. Dabei dürfte die wichtige Kostenfrage eine Rolle gespielt haben. „Was die Finanzen angeht, ist die Bundesregierung mit der Stadt Hamburg in guten Gesprächen“, sagte de Maizière später nur und setzte hinzu: „Es geht um viel Geld. Da werden wir uns am Ende schon einigen.“ Und warum sind die Gespräche so schwierig? „Weil es um viel Geld geht.“ Aha.

Auch Scholz betont immer wieder, dass es zu einer Lösung kommen werde, mit der er allerdings erst Anfang kommenden Jahres rechnet.

Olympia könnte 6,5 Mrd. Euro kosten

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    Bund wollte umfassend beteiligt, zumindest informiert werden

    So einig sich alle Beteiligten in dem Ziel sind, die Spiele nach Hamburg zu holen – bei den Gesprächen über die Finanzierung hakt es von Beginn an. Immer wenn zu wenig oder gar nicht miteinander kommuniziert wird, hat das auch Auswirkungen auf den Umgang miteinander. Die Probleme fangen schon im April an, kurz nach dem Olympiazuschlag des DOSB, der Hamburg und nicht Berlin am 21. März ins internationale Rennen schickte.

    Der Bund, so ist aus den Ministerien zu hören, hätte sich gewünscht, von Anfang an bei den Planungen und Kostenrechnungen umfassend beteiligt oder zumindest regelmäßig informiert zu werden. Das ist offenbar nicht geschehen oder nicht in dem erwarteten Maße. Erst Ende Juli/Anfang August erfahren Bundesinnen- und -finanzministerium die geforderten Details aus der Hamburger Senatskanzlei.

    Anfang September dann stellt Olaf Scholz Bundeskanzlerin Angela Merkel fast schon vor vollendete Tatsachen, indem er erklärt, Hamburg könne bei Gesamtkosten von 7,4 Milliarden für die öffentliche Hand nur 1,2 Milliarden Euro tragen. Mit anderen Worten: den weitaus größeren „Rest“, 6,2 Milliarden Euro, müsse der Bund übernehmen. Merkel nimmt das erst mal zur Kenntnis.

    Das soll Olympia 2024 in Hamburg kosten

     

    Olympia-Gesamtkosten bis 2024: 11,22 Milliarden Euro

     

    Kosten für den Steuerzahler: 7,4 Milliarden Euro

     

    Einnahmen durch Olympia: 3,81 Milliarden Euro

     

    Olympische Sportstätten: 1,97 Milliarden Euro

     

    OlympiaCity bis 2036: 1,66 Milliarden Euro

     

    Olympiastadion: 295,3 Millionen Euro, max. 595,7 Millionen Euro

     

    Mobilität: 2,11 Milliarden Euro

     

    öffentliche Sicherheit: 461 Millionen Euro

     

    Ausgaben in Kiel (Segelwettbewerbe etc.): 146 Millionen Euro

     

    Durchführung der Spiele: 2,61 Milliarden Euro

     

    Privatinvestitionen bis 2036 insgesamt: 3,64 Milliarden Euro

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    Zu einem heftigen Disput kommt es schließlich am 7. Oktober bei der Gesellschafterversammlung der Olympia GmbH im fünften Stock der Kühne Logistics University in der HafenCity. Die aus Berlin angereisten Staatssekretäre Hans-Georg Engelke (Inneres) und Werner Gatzer (Finanzen) bitten Scholz, bei der für den nächsten Morgen im Rathaus terminierten Vorstellung des Finanzplans noch keine Zahlen zu nennen, wie sich Bund und Hamburg die Olympiakosten teilen könnten, und empfehlen, die Einigung mit dem Bund abzuwarten.

    Scholz legt sich bei Kosten fest – Eiszeit gegenüber dem Bund

    Scholz aber bleibt am nächsten Tag bei seinem Kurs und erklärt jetzt erstmals öffentlich, dass Hamburg maximal 1,2 Milliarden zahlen könne, ansonsten würde die Stadt die Bewerbung beenden. Scholz bleibt kaum eine andere Wahl: Er muss vor dem Referendum eine Hausnummer für die Kosten nennen. Danach herrscht gegenüber dem Bund erst einmal Eiszeit.

    Auch wenn inzwischen wieder miteinander geredet wird, ist man im politischen Berlin an mehreren Stellen von dem Vorpreschen Hamburgs irritiert. Und davon, dass der Bund 80 Prozent der Kosten zahlen soll. Üblich sei in Deutschland bei Olympischen Spielen ein Drittelmix bei der Kostenaufteilung von Kommune, Land und Bund gewesen. Und der Bund war stark eingebunden in die Planung. Nun plant vor allem Hamburg, legt Zahlen vor und gibt eine Pressekonferenz – ohne einen Minister aus Berlin.

    Allerdings haben Scholz und seine Hamburger Mitstreiter den Bund niemals im Unklaren darüber gelassen, dass für Hamburg als Stadtstaat keinesfalls in Betracht komme, zwei Drittel der Kosten für die öffentliche Hand zu tragen. Auch die Halbierung der Kosten, die der Bund mittlerweile ins Spiel gebracht haben soll, sind aus Hamburger Sicht illusorisch. Das viel größere London habe für die Spiele 2012 lediglich knapp eine Milliarde Euro berappt.

    Gedankenspiele: So könnte die Einigung aussehen

    Manche, vor allem in der Bundes-Union, sprechen von „Hopp oder Top“-Mentalität, andere von einem „Pokerspiel“. Auch offiziell äußern sich Politiker. „Bisher war die Planung in weiten Teilen ein Alleingang“, sagt der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg. Bei der Frage der Finanzierung müsse Hamburg „stärker kooperieren“. Rehberg sagt aber auch: „Ich bin ein großer Sportfan und würde mich sehr über die Spiele in Hamburg freuen.“

    Auch aus den Reihen des Hamburger Koalitionspartners der SPD kommt Kritik. „Mir scheint, dass bisher in der Frage der Finanzierung Bürgermeister Scholz den Bund zu wenig eingebunden hat“, sagt die Hamburger Bundestagsabgeordnete und Haushaltspolitikerin Anja Hajduk von den Grünen. „Der Bund hat laufend alle zur Verfügung stehenden Unterlagen erhalten, soweit sie zur Verfügung standen“, sagt Christoph Krupp, Chef der Senatskanzlei.

    Die Lage ist verzwickt: Scholz kann Hamburg nicht mehr als 1,2 Milliarden Euro Olympiakosten zumuten, ohne seine politische Glaubwürdigkeit zu verlieren. Und umgekehrt wird der Bund nach dem monatelangen Tauziehen hinter den Kulissen am Ende kaum Scholz’ Vorschlag folgen und einfach 6,2 Milliarden Euro auf den Tisch blättern. Letztlich wird es auch um Gesichtswahrung für beide Seiten gehen.

    Es gibt im Umfeld bereits Gedankenspiele: So könnte der Bund zwar die 6,2 Milliarden Euro übernehmen – aber keinen Cent mehr. Wenn die Spiele am Ende etwa durch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen teurer werden als geplant: Zusatzkosten würde Hamburg zahlen. Oder: Abseits der Olympiatöpfe bezuschusst der Bund deutlich stärker als bisher Hamburger Infrastrukturprojekte. Kosten für Olympia würden also umgeschichtet in andere Haushaltstöpfe. Hamburg könnte dem Bund entgegenkommen, indem die Stadt zunächst den eigenen Anteil von 1,2 Milliarden für die Olympiabauten ausgibt – und erst später, etwa von 2020 an, das Geld vom Bund bekommt.