Hamburg. Unter Alkoholeinfluss hatte der 27-jährige Vater seinen drei Monate alten Sohn geschüttelt und geschlagen. Baby seitdem taub und blind.

Das unbeschwerte Leben des kleinen Jacob (Name geändert) dauerte nicht einmal drei Monate, bis es zerstört wurde. Bis dem Säugling nur noch extremes Leid blieb, er sein Gehör verlor und sein Augenlicht, der gelähmt ist und sich mit Schmerzen quält, ein Baby, das fast ununterbrochen weint. Er sei „nur noch eine menschliche Hülle“, nannte es seine Vertreterin vor Gericht. Und auch der Vorsitzende Richter, dessen Kammer sich mit dem erschütternden Schicksal des Jungen befasst hat und mit dem Mann, der dieses Elend zu verantworten hat, sagt, er habe „schon viel Grausames“ verhandeln müssen. Eine Steigerung sei da kaum noch möglich, habe man bisher geglaubt. Nun wisse man es besser: Das Leid von Jacob sei „kaum erträglich“.

Sascha K., der Vater des Säuglings, hat diese Qual durch massive Misshandlungen verursacht. Siebeneinhalb Jahre muss der 27-Jährige nun für sein Verbrechen in Haft, urteilte das Gericht, das ihn wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen und schwerer Körperverletzung schuldig sprach. Ferner ordnete die Kammer die Unterbringung des alkoholabhängigen Angeklagten in einer Entziehungsanstalt an. Darüber hinaus muss er seinem Kind 100.000 Euro Schmerzensgeld zahlen und weitere Kosten übernehmen. Sascha K. hatte nach Überzeugung des Gerichts seinen Sohn in der Nacht zum 29. April zunächst geschlagen und dann so heftig geschüttelt, dass dieser schwerste Hirnschäden davontrug.

Es ist ein Verfahren, das ganz besonders betroffen macht. Der Gedanke an dieses so hilflose und schutzbedürftige kleine Wesen, ein zarter Körper und ein Babyköpfchen, das stets hätte gestützt werden müssen. Das wusste auch Jacobs Vater Sascha K. Und trotzdem misshandelte er sein Kind derartig massiv. „Schüttel niemals dein Kind. Du schädigst es dadurch“, sagte der Vorsitzende Richter in Bezug auf die schweren Verletzungen des Jungen. Der Kammer sei „bewusst, dass es eine gerechte Strafe“ für den Angeklagten nicht geben könne. Denn eins sei klar: Jacob werde „nie wieder gesund werden“, sagte er mit Blick auf den 27-Jährigen. „Sie haben die Tat gegen Ihr eigenes Kind gerichtet. Sie haben diese Schuld bis an Ihr Lebensende zu tragen.“

Äußerlich reglos nahm der Angeklagte diese Worte hin, das blasse Gesicht mit den Piercings zu einer undurchdringlichen Maske erstarrt; im Gegensatz dazu die Hände, die er beständig knetete. In seinem letzten Wort hatte er gesagt, er habe „nicht gedacht, dass ich zu einer solchen Tat jemals fähig bin. Ich bin immer noch geschockt und überrascht. Ich würde es gern rückgängig machen.“ Das Urteil von siebeneinhalb Jahren Gefängnis nahm er sofort an. Sein Verteidiger hatte auf maximal fünf Jahre plädiert. Die Staatsanwaltschaft, die acht Jahre Freiheitstrafe gefordert hatte, will noch darüber entscheiden, ob sie Revision einlegt.

Nach Überzeugung des Gerichts steht fest, dass Sascha K. seinen Sohn in jener schicksalhaften Nacht „in gefühlloser Gesinnung“ mehrfach so heftig geschüttelt hat, dass der Kopf des Säuglings wiederholt peitschenartig vor und zurück geschnellt sein muss. Eine Gerichtsmedizinerin hatte ausgeführt, dass dieses ruckartige heftige Rütteln mit massiver Gewalt ausgeführt worden sein müsse und fünf bis zehn Sekunden gedauert habe, mit einer Frequenz von zehn bis 30 mal. Der Angeklagte hatte dagegen gestanden, das Kind „leicht geschüttelt“ und ihm ein bis drei Schläge versetzt zu haben. Dann legte er seinen Sohn wieder ins Bett, weil er von seinem eigenen Handeln „geschockt gewesen“ sei. Am nächsten Morgen sei Jacob in seinem Arm plötzlich zusammengesackt, als habe er „keine Knochen mehr, wie ein Kartoffelsack“. Der Vater verständigte den Notarzt.

Im Prozess hatte der Angeklagte, der seine Kindheit unter anderem bei einem schlagenden Stiefvater und in Heimen verbracht hatte und seit seinem 16. Lebensjahr Alkohol-süchtig ist, eingeräumt, dass er Jacob zunächst „nicht leiden konnte und auch auf ihn eifersüchtig“ war. Auch Jacobs Mutter trank regelmäßig, es kam immer wieder zu Streit und Geschrei und auch Handgreiflichkeiten. Gearbeitet habe er „eher selten“, hatte Sascha K. erzählt, man habe vom „Flaschen Sammeln und Schnorren“ gelebt.

Weil er wusste, dass es ihm an zärtlichen Gefühlen und an Geduld seinem Kind gegenüber mangelte, hatten die Eltern vereinbart, dass er Jacob hinlegen und seine Lebensgefährtin rufen solle, wenn er mit dem Kind nicht klarkommt. Warum er dies in jener Nacht nicht tat, warum er selber zu Jacob ging und ihn dann misshandelte – das konnte der Angeklagte nicht erklären. Noch in der Nacht hatte er jedoch auf Facebook gepostet, dass er „stinksauer“ sei. Und zuvor hatte er mehrfach geschrieben, dass er unter dem Einfluss von Alkohol „zum Monster“ werde. Am Abend vor dem furchtbaren Verbrechen hatten beide Eltern große Mengen Bier und Hochprozentiges getrunken und stundenlang Computer gespielt. Aufgrund des Alkoholkonsums ging das Gericht von einer verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aus.

Wie es nun mit Sascha K. weitergeht? Zunächst muss er 21 Monate seiner Strafe im Gefängnis verbüßen, dann solle er für eine Alkoholtherapie in die Entziehungsanstalt, danach wohl wieder in Haft. Die 100.000 Euro Schmerzensgeld für Jacob wird er kaum jemals zahlen können. Er wünsche sich, hatte der Angeklagte gesagt, dass er sich später um seinen schwer kranken Sohn werde kümmern können. Und dass er hoffe, mit Jacobs Mutter wieder zusammenzukommen. Dass die Eltern des Babys wieder ein Paar werden, sagte der Vorsitzende Richter dazu, könne sich das Gericht kaum vorstellen. „Wie will man das überwinden und verzeihen, wenn so eine Tat zwischen einem steht?“